Ein dunkler Raum, ein Mann mit ernstem Gesicht und Zigarette in der Hand ruft "Bitte!". Ein Filmprojektor startet und zeigt eine mittlerweile weltberühmte Aufnahme von Adolf Hitler im Hof der Reichskanzlei. Es ist April 1945, der Führer überreicht einer Gruppe Volkssturmsoldaten, kaum einer älter als 17, Orden für ihre Leistung im Kampf um das längst verlorene Berlin. Die Kamera fängt auch Hitlers zitternde Hand, die er auf den Rücken gelegt hat, ein. "Stop!", ruft der Zuschauer. "Diese Aufnahmen wird das Volk nie zu sehen bekommen." "Der Führer ist nur noch ein Schatten seiner selbst", antwortet der nervöse Adjutant. "Das ist schlimm, aber wahr." "Was wahr ist, bestimme immer noch ich", donnert es von Joseph Goebbels, Propaganda-Minister. Wie dieser Mann in diese Position gelangen und zu den engsten Vertrauten Adolf Hitlers werden konnte, das ist Gegenstand des Doku-Dramas "Führer und Verführer".
Darstellerischer Kraftakt
Robert Stadlober spielt den brandgefährlichen Demagogen und Populisten mit Verve. Auch wenn Stadlober Goebbels nicht wirklich ähnlich sieht, überzeugt der Österreicher von der ersten Sekunde an, beeindruckt mit seinem Spiel, in dem sich Besessenheit, Machthunger, Begeisterung für das Dritte Reich und auch seine Wollust – Goebbels war ein Schürzenjäger – manisch spiegeln. Im Interview mit kinokino sagte Stadlober über seine Rolle: "Es war ein ziemlich manischer Rausch. Es waren 24 Tage, das war für mich aber ganz gut. Denn damit war es schnell durch. Und ich konnte quasi nie aus dem Albtraum aufwachen. Ich glaube, wäre ich mal aufgewacht, wäre es vielleicht schwer gewesen, wieder reinzukommen."
Detailreiche Adaption einer Politiker-Biografie
Goebbels donnernde Reden, Entscheidungen über Krieg, Judenverfolgung und den Angriff auf Russland, gefällt in edlen Räumen an fein gedeckten Tischen. Dann die berühmte Affäre Goebbels’ mit einer Schauspielerin und das bevorstehende Scheitern seiner Ehe zu Magda und damit der drohende Verlust der Vorzeigefamilie des Dritten Reichs – Regisseur Joachim A. Lang hat sich die Biografie seiner Hauptfigur genau studiert und inszeniert, fast schon chronologisch. Das macht den Film stellenweise etwas langatmig – nicht alle Kapitel aus Goebbels’ Leben sind gleich wichtig -, und doch, "Führer und Verführer" sorgt für Schaudern – fast 80 Jahre nach Kriegsende. Regisseur Joachim A. Lang: "Ich denke, es ist wichtig, dass es diese Filme gibt. Ich finde an meinem Film das Wichtige, dass er versucht zu zeigen, warum die Mehrheit der Deutschen Hitler in den Krieg und in den Holocaust gefolgt sind."
Preisgekrönt auf dem Filmfest München
Das gelingt dem Film auch auf den weitesten Strecken. Sehenswert ist "Führer und Verführer" nicht zuletzt wegen der Leistung seines Hauptdarstellers, wegen der eindringlichen Aussagen von Zeitzeugen, darunter auch die Holocaust-Überlende Margot Friedländer und der detailreichen Rekonstruktion, bildlich als auch dramaturgisch. Viele Dialoge, so erläutert eine Texttafel zu Beginn, sollen so tatsächlich geführt worden sein. So ist "Führer und Verführer" als verfilmte Geschichte ein Gewinn. Das sahen übrigens auch die Besucher des Filmfests München so, wo "Führer und Verführer" seine Premiere feierte. Das Zeitzeugnis gewann den nationalen Publikumspreis des Filmfests München, gestiftet vom BR und der Süddeutschen Zeitung.
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