Im Zentrum der Gamescom stehen erneut die heiß erwarteten AAA-Spiele, wie die Blockbuster unter den Games heißen: das nächste Meuchelspiel der "Assassin’s Creed"-Serie, die Kampfroboter-Simulation "Armored Core 6" aus dem "Eldenring"-Studio, und vor allem: "Starfield", ein ehrfuchtgebietendes Weltraum-Rollenspiel.
Markt der Games im Wandel
Dennoch: Das Messegeschäft für Games hat sich deutlich verändert. Weil es günstiger ist und besser kontrollierbar sowieso, führen die großen Spielverlage lieber aufwändige Werbeveranstaltungen als ein eigenes Online-Event durch. Die "E3" in Los Angeles – seit Jahrzehnten das wichtigste Branchenevent des Jahres – wurde Ende März komplett abgesagt. Als Grund wurden vorrangig "Ressourcenprobleme" genannt. Aber auch unternehmenseigene Konkurrenzveranstaltungen von Big Playern wie Microsoft, Nintendo oder Ubisoft haben die Entscheidung beeinflusst. Die Zukunft der Gamescom ist von solchen Entwicklungen angeblich nicht bedroht: "Die richtig großen Unternehmen, die sind natürlich wichtig, aber sie sind nicht kriegsentscheidend. Es gibt keine Notwendigkeit, dass immer alle da sind", sagt Felix Falk, Geschäftsführer des Branchenverbands game.
Im vergangenen Jahr aber hätten sie gesehen, dass die sogenannten Indies, die kleinen unabhängigen Entwickler, eine riesige Zugkraft entfalten und ein ganz großes Interesse der Community bekommen würden, so Falk. "Da ist wirklich die Stärke der Gamescom, dass es das größte Community-Event ist, also wirklich das Treffen der Spielenden, der Fans, mit ihren 'Creators', mit ihren Stars, aber auch einfach miteinander."
Topseller sind Handy- und Tablet-Spiele
Spannend ist, dass die Betrachtung von Games-Markt und -Kultur auf mehreren Ebenen heutzutage verzerrt ist. Zum einen: Den Umsatz bestimmen nicht die spektakulären, großen AAA-Spiele, die in Werbung und Feuilleton auffallen. Geld wird mit Handy- und Tablet-Spielen verdient: Es sei immer noch so, dass der größte Anteil des Umsatzes im Bereich mobile Games, also Spiele-Apps, erwirtschaftet werde, so Falk. Und zwar in einer Situation, in der fast alle Spiele-Apps inzwischen kostenfrei herunterladbar seien und so gespielt werde, dass man sich überlegen könne, ob man im Spiel selbst noch Käufe tätige, also seinen Charakter noch mal verschönere oder ein zusätzliches Level kaufe oder zusätzliche Fähigkeiten. Darüber werde in Deutschland tatsächlich der größte Umsatz gemacht.
"Silver Gamer" – die "echten Gamer"?
Konkret heißt das: Von den fünfeinhalb Milliarden Euro, die letztes Jahr in Deutschland mit Games umgesetzt wurden, fallen vier Fünftel auf Käufe innerhalb meistens kostenfreier Handy-Spiele. Aber auf der Gamescom findet man kaum Handy-Spiele, hier werden vor allem PC- und Videokonsolenspiele vorgestellt, für "echte" Gamer. Nur: Wenn die alten Stereotypen kaum mehr gelten – wer sind dann heute die typischen "Gamer"?
Für Felix Falk sind es die schon älteren Spielerinnen und Spieler. "Also ganz viele Spiele, die für die 60-jährige Frau gemacht werden oder so in dieser Altersgruppe. Die am stärksten wachsende Zielgruppe sind die Silver Gamer, also die über 60-Jährigen seit Jahren schon". Die sehe man aber nicht auf einer Gamescom so oft, da seien eher die Jüngeren. "Aber trotzdem sind die natürlich da und machen einen ganz wichtigen Teil der Spielerinnenschaft in Deutschland aus. Und die geben dann auch gerne mal Geld aus für ihre Spiele, für ihr Hobby", so Falk.
Deutsche Spielbranche abgehängt
Geld für Spiele ausgeben ist das eine, Geld damit verdienen eine ganz andere Sache. Felix Falk zufolge ist die deutsche Spielbranche aufgrund jahrelanger politischer Vernachlässigung international ziemlich abgehängt. Tatsächlich kommen aus Deutschland selten Welterfolge, und wenn, dann nur im Indie-Bereich, da es hierzulande kein einziges Studio gibt, das die inzwischen gigantischen Entwicklungskosten von AAA-Titeln stemmen könnte: "Das wird nicht mehr lange dauern und ein Spiel wird zum ersten Mal eine Milliarde Euro kosten", sagt Falk. Das zeige noch mal, wie groß da auch die Investitionen, wie groß die Teams sein müssen, wie groß das technologische Knowhow und natürlich auch die Risiken, die mit so einem großen Projekt einhergehen.
Kreative Köpfe gefragt
Der Branchenverband Game hat sich zum Ziel gesetzt, den deutschen Status zu verbessern. Die vor drei Jahren angelaufene Games-Förderung des Bundes hat in diesem Sinne schon einiges bewegt, auch wenn um die Weiterentwicklung dieses Programms immer noch heftig gestritten wird. Aber Geld ist nicht alles. Fast noch wichtiger sind, so Falk, die kreativen Köpfe hinter den Spielen. "Das sind nämlich die Menschen, die heute die epischen Geschichten unserer Zeit erschaffen und erzählen. Und so ein gutes Team aus hoch kreativen Menschen ist einfach Gold wert und nicht ohne Grund zählen die im Moment zu den begehrtesten Fachkräften. Das heißt, Game-Designer sind sozusagen die Drehbuchautoren, die Regisseurinnen, die Bühnenbildner von heute."
Deshalb bieten immer mehr deutsche Hochschulen eine Spieldesign-Ausbildung an, die eine sehr eigene Mischung aus künstlerischen und hochtechnologischen Fähigkeiten lehrt. Denn um Spiele der Spitzenklasse zu entwickeln, braucht man fast "Universalgelehrte". Felix Falk geht sogar so weit zu sagen: "Wenn Goethe heute leben würde, dann wäre er wahrscheinlich Game-Designer".
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