Jedes Jahr im Advent packt Christel Hübner aus dem oberbayerischen Sindelsdorf Weihnachtsengel und andere Figuren aus dem Erzgebirge aus. Erbstücke ihrer Eltern: "Ich habe Verwandtschaft im Erzgebirge, den Kontakt hat meine Mutter gepflegt durch Briefe, aber vor allen Dingen durch Päckchen", erzählt Christel Hübner. "Und dann kamen aus dem Erzgebirge Päckchen wieder zurück, und da waren dann diese Schätze drin." Diese Schätze sind Weihnachtsfiguren, vielmehr Handwerkskunst, die damals wie heute kostbar ist.
Exportschlager: Weihnachtsfiguren aus dem Erzgebirge
Schon zu DDR-Zeiten waren Weihnachtsfiguren aus dem Erzgebirge heiß begehrt, auch wenn die Staatsspitze offiziell vom Christentum nichts wissen wollte. Helfried Dietl ist Drechslermeister aus Seiffen, der Gemeinde im Erzgebirge, die besonders bekannt ist für ihre Spielzeugmachertradition, aber auch für die Produktion von Engeln und anderen christlichen Figuren.
Er erinnert sich: "Unmittelbar nach dem Krieg, in der Stalinzeit, da hat man schon versucht, sehr stark negativen Einfluss auf Christen auszuüben." Helfried Dietl hat immer zu seinem Glauben gestanden. Und sein Fachwissen ist begehrt, damals wie heute.
Handwerkskunst verbindet Osten und Westen
Inzwischen steht der Drechslermeister und Diplom-Ingenieur nur noch zu seinem Vergnügen an der privaten Drechselbank. Über seine kunstvollen Tannenbäumchen haben schon Menschen in Japan, der Schweiz und auch in Niederbayern gestaunt. "Die DDR Regierung wollte besonders in ihren Anfangsjahren christliche Symbole umdeuten", weiß der Zeitzeuge.
Das Wort von der "Jahresendflügelfigur" an Stelle von"Engel" werde noch heute gerne zitiert, sagt Helfried Dietl. Aber: "Das war damals aus der Satirezeitschrift Eulenspiegel der DDR hervorgegangen. Das hat vielleicht manchen Genossen gefallen, aber in der breiten Bevölkerung ist dieser Begriff auf Ablehnung gestoßen." Es war also eine ironisch gemeinte Wortschöpfung, über die in Ost und West gelacht wurde, gerade weil sie zur damaligen Politik gepasst hätte.
Nur zehn Prozent der Ware gingen in die DDR-Geschäfte
So wie die Engel für die Bevölkerung im Erzgebirge immer Engel waren, so selbstverständlich war es, dass Maria und Josef mit dem Jesuskind in Krippe und Weihnachtspyramide erschienen. Nur so blieben sie auch das, was sie für die DDR vor allem waren: ein Exportschlager. Ungefähr 90 Prozent der Produkte aus der Seiffener Produktion sind ins Ausland gegangen. Die restlichen zehn Prozent gingen in die DDR-Geschäfte.
"Da haben sich die Menschen in Seiffen an den Adventswochenenden dann morgens um 3 oder 4 Uhr schon angestellt, um dann, als um 9 Uhr die Geschäfte aufmachten, einen Nussknacker oder ein paar Engel und Bergmänner zu bekommen", erzählt Dietl. Die wurden dann oft als Weihnachtsgeschenk "in den Westen" geschickt.
Viele Menschen, die die DDR-Zeit erlebt haben, wissen noch gut, wie viele Gedanken und Zeit sie dafür aufgewendet haben, Geschenke zu besorgen, die vielleicht auch "im Westen" Freude machten. Es ging auch darum, auf "Augenhöhe" mit der Familie aus dem Westen zu sein, was wirtschaftlich nicht möglich war. Aber mit der weihnachtlichen Handwerkskunst aus dem Erzgebirge konnten die DDR-Bürger es doch erreichen.
Und so freuen sich Menschen wie Christel Hübner aus Sindelsdorf jeden Advent wieder am Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge. "Ich habe eine Herzensbeziehung zu meiner Verwandtschaft im Erzgebirge. Und immer wenn ich die Sachen in der Adventszeit aufstelle, dann spüre ich die Verbindung."
- Zum Artikel: Nachhaltiges Fest - "Zweihnachtskugeln" aus Fürth
Mehr zum Thema in der Sendung STATIONEN "Adventszeit mit allen Sinnen" in der ARD Mediathek.
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