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Opfer und Täter im Gespräch: Der neue Film "All eure Gesichter"

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Opfer und Täter im Gespräch: Der neue Film "All eure Gesichter"

Opfer und Täter im Gespräch: Der neue Film "All eure Gesichter"

Sich etwas direkt ins Gesicht zu sagen, fällt oft schwer. Im neuen Kinofilm "All eure Gesichter" von Jeanne Henry kommen Opfer und Täter von Verbrechen im Stuhlkreis zusammen. Ein Film über die Hoffnung auf Veränderung, auf Heilung und auf Wandel.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Sie reden und reden unentwegt. Insofern sei ausnahmsweise einmal dieser Film in der deutschen Synchronisation empfohlen, denn das zweite starke Ausdrucksmittel dieses zweistündigen Dramas über existenzielle Ängste und Seelen in Not sind Blicke. Blicke und Gesten. Und die lassen sich nur wahrnehmen, wenn man nicht auch noch Untertitel lesen muss.

Worte, Blicke und Gesten

Neben den dicht geschriebenen und inszenierten Dialogen überzeugt die dokumentarisch gehaltene Kamera von Nicolas Loir mit präzise ins Bild gesetzten Aufnahmen der Augen der Protagonisten – mal erscheinen sie vor Schreck geweitet, mal drücken sie Anteilnahme aus. Die, die sprechen, schauen oft nach unten oder in die Ferne, aber alle anderen schauen sie an. Hören zu. Und die Augen teilen mit, was die Worte auslösen. Sie sind Fenster in das Innere.

"All eure Gesichter" ist ein starker Ensemblefilm. In einem Stuhlkreis kommen Opfer und Täter von Verbrechen zusammen. In Frankreich wird das seit 2014 praktiziert. Regisseurin Jeanne Herry hat sich für ihren Spielfilm davon inspirieren lassen und reale Vorkommnisse fiktionalisiert. Gegenüber sitzen sich bei ihr nicht unbedingt jene, die das Schicksal bei einem gewaltvollen Vorfall konkret zusammengeführt hat, sondern solche, die prinzipiell schon auf der einen oder anderen Seite standen. Die Gewalterfahrungen gemacht haben – als Opfer oder als Täter. Die nun unter Anleitung von Fachleuten und ehrenamtlichen Helfern beginnen, miteinander zu sprechen, um Traumata zu bewältigen.

Mörder und ihre Gefühle

Eine Frau hat einen Mann getötet. Den Vater ihrer Tochter. Den Sohn ihrer Schwiegermutter. Sich selbst hat sie damit ihren Liebsten genommen. Es geschah unter Alkoholeinfluss. Sie könne sich das nie vergeben, sagt die Frau. Sie habe allen so viel Leid zugefügt. Da entgegnet der Mann, der mit einer Kollegin die Gruppe leitet, er könne das verstehen – und überraschend unterbricht eine Stimme aus dem Hintergrund. Nein, so funktioniere das nicht. Niemand könne verstehen, was ein Mensch durchmache, der jemanden getötet habe. Man könne vielleicht versuchen, es sich vorzustellen, es aber niemals verstehen.

Der Film beginnt mit einer Szene, in der zukünftige Leiterinnen und Leiter von Gesprächsrunden der Restaurativen Justiz durch Rollenspiele auf ihre Einsätze vorbereitet werden. Die Regeln sind nicht leicht einzuhalten: Keine Bevormundung. Keine Bewertungen. Keine suggestiven Fragen. Keine Kommentare. Auch die Stille aushalten. Einfach nur zuhören.

Ängste der Opfer

Da ist zum Beispiel Nassim, der Menschen überfallen und angegriffen hat. Und da ist Nawelle. Die ehemalige Kassiererin wurde von einem Vermummten mit der Pistole an der Schläfe bedroht. Die Angst, von dem geflüchteten Ladendieb im Nachhinein erkannt und vielleicht deswegen noch getötet zu werden, ist ihr nicht zu nehmen. Bis Nassim, der als Aggressor ähnliche Situationen erlebt hat, ihr die Furcht nimmt, wenn er sagt, als Verbrecher sei man so voller Adrenalin, dass man nichts mehr wahrnehme. Nawelle beruhigt das ungemein.

"All eure Gesichter": Ein Film über Situationen, die man nie wieder erleben möchte und die einen doch ein Leben lang verfolgen. Und ein Film über die Hoffnung auf Veränderung, auf Heilung, auf einen Wandel. Die Emotionen werden den Zuschauern nicht aufgezwungen, sondern entstehen wie von selbst durch Stimmen, Gesichter und die geschilderten Erlebnisse. Man erfährt viel – über kriminelle Energien, Reue und familiäre Prägungen. Der eigene Blick auf die Welt, die eigenen Ängste verbinden sich mit den Menschen vor der Kamera. Berührt und bewegt verlässt man das Kino – in der Hoffnung, dass die Restaurative Justiz in nicht allzu ferner Zukunft auch in Deutschland eingeführt wird.

12.12.2024: Leider dauert das Software-Update länger als geplant. Wir bitten die Verzögerung zu entschuldigen - wir informieren an dieser Stelle, sobald wir genauer wissen, wann wir den Kommentarbereich wieder öffnen können.

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