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Politkunst in Frankfurt

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"Power to the People": Polit-Kunst in Frankfurter Schirn

"Power to the People": Polit-Kunst in Frankfurter Schirn

Ein "Museum der Wahlkabinen" und ein militantes "Schwanensee"-Ballett - nur zwei von mehreren bemerkenswerten Installationen in der aktuellen Polit-Kunst-Ausstellung in der Schirn. Es fehlt aber auch nicht an banalen Positionen. Von Rudolf Schmitz.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Erleben wir grade eine große Politikverdrossenheit? Sind Wahlenthaltung, Populismus, Fake News Sargnägel unserer Demokratie? Kann die Kunst dieser Krise mit einer neuen Form von politischer Bewusstheit und Beteiligung begegnen? Fragen wie diesen geht die aktuelle Ausstellung der Schirn-Kunsthalle Frankfurt nach. Unter dem Titel „Power to the People“ stellt sie politische Kunst von heute vor.

Verpackte Wahlkabinen

Das Entree ist schon mal gelungen. Im blau gehaltenen abgedunkelten Raum sechs Wahlkabinen, von Spots in dramatisches Licht getaucht. Sie stammen aus Finnland, Aserbaidschan, Österreich, Japan, Marokko und China und wirken wie Beichtstuhl, Umkleidekabine oder metallische Transportbox. Das „Museum der Wahlkabinen“, vom belgischen Künstler Guillaume Bijl.

"Man stockt unwillkürlich und denkt: Sind wir schon so postdemokratisch, dass wir die Wahlkabine verpacken müssen, ein Schildchen drangeben und uns nostalgisch daran erfreuen? Fast denkt man das, wenn man Statistiken über Wahlbeteiligungen anschaut. Ich denke, das hat heute wieder eine Dringlichkeit, die wir uns vor ein paar Jahren nicht vorstellen konnten. Dass man das, was wir als gegeben und natürlich empfunden haben - dass wir in einer stabilen westlichen Demokratie sind -, dass wir das verteidigen müssen." Martina Weinhart, Kuratorin

Putin, Erdogan, Trump

Kuratorin Martina Weinhart. Mit seinem lakonischen Ready-Made hat der 72jährige Guillaume Bijl eine der stärksten Arbeiten abgeliefert. Abgesang auf die Demokratie. 

"Mein Werk ist tragikomisch. Unser demokratisches System weckt gerade viele Zweifel. Wenn man an Putin, Erdogan oder Trump denkt. Sie wurden demokratisch gewählt, in einer Wahlkabine. Das Individuum hat die Wahl, und dann gewinnt ein Populist und entpuppt sich als Diktator." Guillaume Bijl

Komplexität hilft nicht weiter

Viele der in der Frankfurter Schirn gezeigten Arbeiten neigen zu ähnlicher Aufsockelung des Banalen. Das ist nicht immer ein Zeichen für qualitätsvolle Kunst. Doch bei diesem Thema liegt in der schlichten Wahrheit die Stärke. Feinfühlige Komplexität hilft nicht weiter, wenn man es mit primitiver Machtausübung zu tun hat.   

Blutergüsse oder Tinte?

Ein Video des türkischen Künstlers Halil Altindere inszeniert einen absurden Kampf zwischen „Schwanensee“ tanzenden weißen Ballerinen und einem schwer bewaffneten Polizeikorps. Grobschlächtige Machtpose trifft auf Tanzpoesie. Auch Osman Bozkurt, 1970 in Istanbul geboren, wird deutlich. Seine zehnteilige Fotoarbeit präsentiert Zeigefinger mit auffällig dunklen Flecken. Das sind, so ist zu lesen, Markierungen mit Spezialtinte, eingesetzt anlässlich der türkischen Parlamentswahl von 2002, zur Verhinderung von Wahlbetrug. Im Nachgang dieser Wahl wurde Erdogan Staatspräsident. Die anfängliche Bildassoziation von blauen Flecken oder Blutergüssen wird mit dieser Hintergrundinformation plötzlich wieder erschreckend gültig. 

Protest-Bike mit Megaphonen

Die Ausstellung der Frankfurter Schirn zeigt aber auch Kunst als Aktivismus und Aktivismus als Kunst. Ob es sich um die Herstellung eines Demonstrationsequipments handelt, wie beim Video von Nassan Tur, oder um ein Protestbike, ausgestattet mit drei Megaphonen und einem programmierbaren Parolen-Display. Ob nun jedes der hier gezeigten Kunstwerke auf die documenta gehört – darüber lässt sich streiten. Aber eine Ausstellung, die in heiklen Zeiten politische Bewusstheit und Teilhabe befördern will, hat Anderes im Sinn. Und da wirkt „Power to the People“ tatsächlich wie ein Vitaminstoß. 

Bis 27. Mai 2018