20.07.2023, Schweden, Stockholm: Salwan Momika, Demonstrant, hält eine Kopie des Korans, die er mutmaßlich gemeinsam mit einer irakischen Fahne vor der irakischen Botschaft verbrennen will. Foto: Oscar Olsson/TT NEWS AGENCY/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Demonstration vor der irakischen Botschaft in Schweden

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Provokation in Schweden: Bücherverbrennungen haben Geschichte

Die genehmigte Koranverbrennung in Schweden hat weltweit Folgen: In Bagdad haben wütende Muslime die schwedische Botschaft gestürmt. Die Buchreligionen Judentum, Islam und Christentum sind über ihre heiligen Schriften verwundbar. Das hat Geschichte.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Wieder sollte am Donnerstagabend ein Koran in Schweden brennen – letztlich kam es nicht dazu. Der in Schweden lebende irakische Flüchtling hat stattdessen auf einer Koranausgabe herumgetrampelt. Eigentlich hatte er geplant, sie vor der irakischen Botschaft zu verbrennen. Die schwedische Polizei hatte die Aktion genehmigt.

Im Juni hatte derselbe Iraker vor der Großen Moschee Stockholms einige Seiten aus dem Koran verbrannt. Wütende Menschen stürmten daraufhin die schwedische Botschaft in der irakischen Hauptstadt Bagdad.

Verwundbare Buchreligion

Dass gläubige Muslime über die Verbrennung entsetzt waren, liegt auch daran, dass der Islam - wie auch das Christentum und das Judentum - eine "Buchreligion" ist. Das Buch ist - in der traditionellen Vorstellung - heilig und Offenbarung Gottes. Wer religiöse Gefühle verletzen will, hat daher eine einfache Möglichkeit: Er kann Thorarollen, Bibel oder Koranausgaben verbrennen. Und weiß, Gläubige verstehen die Botschaft. Es soll nicht das Buch, sondern der Mensch getroffen werden.

Bücher verbrennen - das war über die Jahrhunderte ein politisches Mittel, den Gegner zu erniedrigen, zu vernichten, ins Herz zu treffen. In Deutschland ist man seit den Gräueltaten im Nationalsozialismus hinsichtlich dessen besonders sensibel.

Ein Mahnmal am Münchner Königsplatz erinnert an die Bücherverbrennungen der Nationalsozialisten, die politische Gegner genauso mundtot machen sollten wie auch jüdische Schriftsteller. Eine spiralförmige Anordnung von Buchtiteln soll die Form einer Rauchwolke darstellen und ist ebenerdig in den Boden eingearbeitet.

Koranverbrennungen: Warum werden sie in Schweden genehmigt?

Es ist fraglich, ob hierzulande eine öffentliche Koranverbrennung als "Demonstration" staatlicherseits zugelassen werden würde - so wie in Schweden geschehen. Dort fand zuletzt eine gerichtliche Auseinandersetzung statt, ob die Polizei eine Demonstration verbieten darf, bei der schon angekündigt wurde, das Koranausgaben verbrannt werden sollen. Ein schwedisches Gericht hatte im April ein ebensolches Verbot mit dem Verweis auf das Demonstrationsrecht aufgehoben. Zuletzt teilte die schwedische Polizei mit, sie genehmige zwar die Demonstration, aber nicht die Inhalte der Veranstaltung.

Buchverbrennungen finden seit der Antike statt

Seit der Antike sind immer wieder Bücher aus religiösen, politischen oder moralischen Gründen verbrannt worden. Es hatte auch stets demonstrativen Charakter - und Jahrhunderte lang hatte man sogar die Chance, ungeliebte Gedanken wirklich zu vernichten. Denn in den Jahrhunderten vor der Erfindung des Buchdrucks gab es meist nur einzelne Exemplare von Schriften. In Mexiko etwa führte die vom Franziskanermönch Diego de Landa veranlasste Verbrennung aller Maya-Handschriften seit 1561 zu einer beispiellosen Vernichtung schriftlichen Kulturgutes. Nur noch vier Maya-Codices weltweit sind erhalten.

Bücher dem Feuer zu übergeben - das hatte schon damals großen Symbolcharakter. Und das Publikum war Teil der Inszenierung. Als Luther 1520 die päpstliche Bann-Androhung öffentlich verbrannte, war das der demonstrative Bruch mit dem Papst. Zuvor hatte die römische Kirche Luthers Werke verbrannt. Und die katholische Inquisition zielte auch auf die physische Vernichtung ihrer Autoren.

Auch sie brannten schon: Satanische Verse und Harry Potter

Bis heute kommt es zu Bücherverbrennungen: Meist sind es Einzelne oder Gruppen, die die Vernichtungsaktionen durchführen. In Indonesien wurden 1964 Bücher des US-Informationszentrums und die US-Flagge vor Publikum verbrannt. Einige Jahre später verbrannte man in Djakarta kommunistische Bücher. Verbrennungen, die sich gegen den Marxismus richteten, gab es auch in Chile 1973. 1989 verbrannten Muslime in Großbritannien den Roman "Die satanischen Verse" von Salman Rushdie. Und 2019 vernichteten polnische Priester Harry-Potter-Bücher, dasselbe tat auch ein Prediger in den USA.

Christliche Kirchenvertreter betonten in diesem Zusammenhang in der Vergangenheit mehrfach, dass nicht die Bibel als Buch heilig sei, sondern der Inhalt. Deshalb sei es auch kein Sakrileg mehr, wenn man alte Bibeln verbrenne oder entsorge.

Mit Material der katholischen Nachrichtenagentur (KNA).

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