Der Präsident sitzt vor Schülern und hält ein Mikrofon
Bildrechte: Ekaterina Chesnokova/Picture Alliance

Wladimir Putin bei Unterrichtsstunde

Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Putin vergleicht sich mit Chaplin: "Sie sind also der Anführer"

Bei einer "Unterrichtsstunde" für besonders gelehrige Schüler wurde der russische Präsident gefragt, was seine Führungsqualitäten ausmache: Er verwies auf "Erfolge" - und kam auf Charlie Chaplins Film "Modern Times" (1936) zu sprechen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Kinderfragen bringen mitunter sogar erfahrene Führungskräfte ins Schleudern. So wollte eine russische Schülerin von Wladimir Putin wissen, was denn seine besonderen Führungsqualitäten ausmache. Laut staatlicher Nachrichtenagentur TASS antwortete er: "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich müsste lügen." Putin ergänzte, wer das mache, was ihm am meisten Spaß mache, werde auch Erfolg haben: "Sobald Sie Ergebnisse erzielen, werden Sie Gefallen an dem Geschäft finden, das Sie betreiben, und Sie werden ein Vorbild für andere sein. Und so nach und nach, ganz allmählich, werden Ihre Führungsqualitäten und Fähigkeiten zum Vorschein kommen. Die Leute werden Ihnen dann folgen."

"So was kommt wahrscheinlich auch vor"

Putin behauptete, Autorität sei keine "spontane Angelegenheit" und kam in diesem Zusammenhang auf eine berühmte Szene aus dem Film-Klassiker "Modern Times" von Charlie Chaplin zu sprechen. Dort fällt eine rote Warnfahne von einem Tieflader, der überlange Holzbohlen befördert. Chaplin hebt in seiner Paraderolle als "Tramp" den Wimpel von der Straße auf und schwenkt ihn, um den davonbrausenden Lkw-Fahrer auf sich aufmerksam zu machen, doch der reagiert nicht. Stattdessen marschieren hinter Chaplin Arbeiter mit Transparenten auf: Plötzlich sieht es so aus, als ob er die Protestdemonstration mit seiner Roten Fahne anführt. Er wird für seinen Mut gefeiert.

Doch kaum galoppiert die berittene Polizei heran, löst sich die Demo in Windeseile auf, die Beteiligten bringen sich in alle Richtungen in Sicherheit. Chaplin fällt mit seiner Fahne in einen offenen Gulli und wird von den Uniformierten mit der Bemerkung herausgezogen: "Sie sind also der Anführer!" Prompt wird er festgenommen und in einem Polizeiwagen abtransportiert. Der "Ruhm" als tapferer Held ist nach wenigen Augenblicken verflogen. Putin erzählte diese Episode nach und sagte dann: "So was kommt wahrscheinlich auch vor. Aber tatsächlich basiert die Entwicklung von Führungsqualitäten auf Erfolg. Ich wünsche Ihnen diesen Erfolg."

Bildrechte: Picture Alliance
Artikel mit Bild-InhaltenBildbeitrag

Charlie Chaplin in "Modern Times"

Putin irritierte die Öffentlichkeit während seiner propagandistischen "Unterrichtsstunde" mit weiteren merkwürdigen Anekdoten. So rühmte er seinen Großvater, weil er den eigenen Sohn in seinen Briefe siezte, also eine gewisse Form gewahrt habe: "Und jetzt sage ich Ihnen, was ich darüber denke. Das war ein einfacher Dorfbewohner – er schrieb nicht fehlerfrei. Aber was für eine tiefe innere Kultur hatte unser Volk! Das ist erstaunlich." Seitdem habe er begonnen, für sich selbst strengere Maßstäbe gelten zu lassen, zumal in seinem persönlichen Umfeld sogar gelehrte und einflussreiche Menschen gern einmal Flüche ausstießen. Russland sei "absolut unbesiegbar", behauptete Putin mit Blick auf die Briefkorrespondenz seines Opas, der stets patriotisch geblieben sei, auch und gerade, als seine Frau nach dem Beschuss durch deutsche Truppen im Sterben lag.

Die weihevolle Propaganda stieß nicht nur auf Begeisterung: "Seit fast einem Vierteljahrhundert versucht er zu gewinnen. Die Bevölkerung schrumpft, er hat den Rubel begraben. Aber wir alle sind nicht besiegt. Wir glauben ihm und hoffen weiter", bemerkte ein russischer Kommentator. Ein weiterer meinte: "Er regiert länger als Breschnew, und der Wahnsinn unbegrenzter Macht manifestiert sich bei ihm viel aggressiver." Auch diese Ansicht wurde geäußert: "Alles, was Putin sagt, sollte umgekehrt aufgefasst werden. Er selbst hat das mehrfach bestätigt."

"Jede Person braucht Feedback"

Zu seinem inneren Antrieb sagte Putin: "Es ist wichtig, dass ein Mensch zu sich selbst findet, und wenn er sich selbst gefunden hat, hat er die Chance, sich maximal zu verwirklichen. Was bedeutet es, das Beste aus sich selbst herauszuholen? Es geht darum, Zufriedenheit mit dem zu erlangen, was man tut. Das fördert sowohl faktische Ergebnisse als auch die Anerkennung. Beides ist sehr wichtig, das Resultat selbst, aber jede Person braucht auch Feedback."

Eher befremdlich war Putins Antwort auf eine Schülerin, die mit ölfressenden Bakterien experimentiert: "Es ist sehr wichtig, dass sie uns nicht fressen, falls welche mutieren. Ich mache übrigens keine Witze. Alles muss unter Kontrolle gehalten werden." Den letzteren Satz bezogen russische Medien ironisch auf Putins Geheimdiensthintergrund, und auch seine Antwort auf die Frage nach "Lieblingsfächern" und "Lieblingslehrern" zu seiner Schulzeit schmetterte er mit dem Hinweis ab, wer einen "weiten Blick" auf die Welt haben wolle, müsse sich von solchen Neigungen frei machen.

"Wird die Bibel umgeschrieben?"

Er rühmte seine Disziplin: "Ich bin ganz offen und ehrlich: Ich bin einfach davon ausgegangen, dass es eine Reihe von Fächern gibt, die studiert werden müssen, und habe mich schlicht daran gehalten, das ist alles." Besonders stolz zeigte sich Putin auf ein Praktikum als Zimmermann in einer Baubrigade, was ihm den ironischen Leserkommentar bescherte: "Wird die Bibel jetzt umgeschrieben?"

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!