Alissa, genannt Ali, 20 Jahre, gerät "Außer sich". Ihr Mathestudium hat sie aufgegeben. Nun folgt sie einer Postkarte nach Istanbul, um dort ihren Zwillingsbruder Anton zu suchen, wohnt bei Onkel Cem, gerät in die Trans-Community und eine amouröse Beziehung und muss sich fragen lassen, wer bin ich?
Ali und Anton
Alis Suche nach Anton wird zur Suche nach sich selbst. Orte, Grenzen, Geschlechter lösen sich auf in diesem Roman über die Verwandlung eines Ich, über eine russisch-deutsch-jüdische Familie und Entgrenzungen aller Art.
"Es ist der Versuch, eine Wahrheit zu rekonstruieren, eine Familiengeschichte, und immer wieder darauf zu stoßen, dass alles nur ein Narrativ ist, das um- und überschreibbar ist. Wir kennen das auch von Familienfesten, wo derselbe Mythos immer nochmal anders erzählt wird." Sasha Marianna Salzmann
Familiengeschichten als europäische Geschichte
Ali beginnt, ihre Familie zu erforschen: die Urgroßeltern, Ärzte im Stalinismus, die Großeltern, Eltern und ihre Familie in Moskau, die Zwillinge, die einander Halt geben, die Migration als russisch-jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland, Heim, Pöbeleien, Rassismus. Die Lebensgeschichten spiegeln Tragödien des 20. Jahrhunderts. Stationen Alis sind biographische Eckpunkte ihrer Autorin, Autofiktion.
"Ich möchte in diesen Eckpunkte, in denen ich mich auskenne, für die ich bürgen kann, diese Fiktion entfalten und die Figuren auch loslassen, ihre eigenen Wege machen lassen." Sasha Marianna Salzmann
Transit Istanbul
Migration, Zugehörigkeit und Jüdisch-Sein sind Sasha Marianna Salzmanns Themen, auch am Theater. Ihr erster Roman erzählt die Familiengeschichte über vier Generationen in Europa als nervöse Suchbewegung, in einem neuen, atemraubenden Ton, vielstimmig, mehrsprachig, wild, bildhaft, fast rauschhaft. Istanbul wird zur Transitzone für Ali, die in ihrer vergeblichen Suche eins wird mit Anton, männlich wird, in einen Strudel gerät, haltlos, "außer sich".
Sasha Marianna Salzmann: "Außer sich", Suhrkamp 22 Euro