Einer der großen deutschen Schriftsteller ist nach übereinstimmenden Medienberichten tot: Martin Walser starb im Alter von 96 Jahren.
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Einer der großen deutschen Schriftsteller ist nach übereinstimmenden Medienberichten tot: Martin Walser starb im Alter von 96 Jahren.

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Schriftsteller Martin Walser ist gestorben

Einer der großen deutschen Schriftsteller ist nach übereinstimmenden Medienberichten tot: Martin Walser starb im Alter von 96 Jahren. Der streitbare Erzähler schuf in gut 60 Jahren ein vielseitiges Werk mit Romanen, Hörspielen und Theaterstücken.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Der Schriftsteller Martin Walser ist nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und anderer Medien vergangene Nacht gestorben – im Alter von 96 Jahren. Die FAZ beruft sich bei ihren Angaben auf Vertraute der Familie. Inzwischen hat auch Verleger Klaus Isele den Tod des Schriftstellers bestätigt.

Walser galt als einer der bedeutendsten, aber auch streitbarsten Schriftsteller der deutschen Literatur in der Nachkriegszeit. Erstmals machte Walser die Literaturwelt 1955 mit seinem Erzählband "Ein Flugzeug über dem Haus" auf sich aufmerksam. Sein Romandebüt "Ehen in Phillippsburg" wurde zwei Jahre später mit dem Hermann-Hesse-Preis ausgezeichnet.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier kondolierte seiner Witwe Käthe Walser. "Sein mit vielen Preisen ausgezeichnetes Werk ist ein beeindruckender Spiegel Deutschlands und bleibt Teil seines literarischen Erbes", würdigte Steinmeier den Schriftsteller nach Angaben des Bundespräsidialamts.

Martin Walser: Vielfach ausgezeichneter Autor

Martin Walser wurde 1927 in Wasserburg am Bodensee geboren. Seine Schulzeit musste er aufgrund des Kriegsdienstes im Zweiten Weltkrieg zwischenzeitlich unterbrechen, als er als Flakhelfer und Soldat eingezogen wurde. In der Zentralkartei der NSDAP ist er mit dem Eintrittsdatum 30. Januar 1944 verzeichnet. Er selbst bestritt allerdings eine Mitgliedschaft. Nach seinem Abitur studierte er in Regensburg und Tübingen Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte. Danach arbeitete er als Reporter, Regisseur und Hörspielautor beim Süddeutschen Rundfunk in Stuttgart.

Der gelernte Journalist war zugleich Beobachter beim ersten Auschwitz-Prozess, setzte sich im Wahlkampf für Willy Brandt ein, wütete gegen den Vietnamkrieg und sorgte für Kontroversen quer durch alle politischen Lager: Der Deutschlandfunk bezeichnete ihn einmal als "Querkopf vom Bodensee".

Walser zählt zu den bedeutendsten Autoren der deutschen Nachkriegsliteratur und schuf innerhalb von gut 60 Jahren ein vielfältiges, teils auch umstrittenes Gesamtwerk mit über 20 Romanen, Novellen, Geschichtensammlungen, Theaterstücken und Hörspielen. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen, wie etwa den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels, den Preis der "Gruppe 47", den Gerhart-Hauptmann-Preis, den Georg-Büchner-Preis und den Bayerischen Maximiliansorden für Wissenschaft und Kunst.

Seine Helden und Antihelden sind oft in Konkurrenzkämpfen und Machthierarchien geschädigte Figuren, die an ihrer Umwelt und an sich selbst leiden. Allerdings: Eine "Deutschstunde" oder "Blechtrommel", die ihm auch international Ruhm beschert hätte, war nicht dabei.

"Geistiger Brandstifter" – heftige Debatten um Walser

In den 1970er-Jahren hatte Walser mit einigen Misserfolgen zu kämpfen. Sein Roman "Jenseits der Liebe" (1976) beispielsweise wurde von Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki aufs Höchste verrissen, das Buch wurde später dennoch ein Bestseller. Ausnahmslos begeisterte Kritikermeinungen erhielt Walser 1978 für "Ein fliehendes Pferd", das das Aufeinandertreffen von zwei Paaren mittleren Alters im Rahmen eines Bodenseeurlaubs erzählt. Mit über einer Million verkaufter Exemplare ist es Walsers erfolgreichstes Buch.

In den 90er-Jahren warf Reich-Ranicki Walser Nationalismus vor und kritisierte etwa, dass Auschwitz in dessen autobiografischem Roman "Ein springender Brunnen" gar nicht vorkomme. Bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 warnte Walser daraufhin vor einer Instrumentalisierung des Holocaust und einer "Auschwitz-Keule". Der damalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Ignaz Bubis, sprach von "geistiger Brandstiftung". Walser fühlte sich vollkommen unverstanden.

Skandalbuch - "Tod eines Kritikers"

Einen großen Skandal löste 2002 der Roman "Tod eines Kritikers" aus. Walser selbst sah das Buch als eine Art Komödie über den öffentlichen Kulturbetrieb und seine bekanntesten Antreiber. Die beabsichtigte Ähnlichkeit des Protagonisten André Ehrl-König mit Marcel Reich-Ranicki führte zu großer Empörung in der deutschen Literatur- und Medienwelt. Frank Schirrmacher sprach in der FAZ vom "Spiel mit antisemitischen Klischees". Walser empfand die Diskussion als eine "Hinrichtung".

Bis zuletzt engagierte er sich in politischen Debatten, etwa bei der Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine. Zuletzt erschien im Frühjahr ein Band mit Gedichten unter dem Titel "Fisch und Vogel lassen grüßen". Es sei schwierig, alt zu werden, räumte der Literat mehrfach ein. "Aber ganz instinktiv wehrt man sich dagegen, dass Schluss ist", sagte er. "Den Tod gibt es für uns nicht. Was uns bevorsteht, ist das Sterben."

Mit Informationen von KNA

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