Bei Sommerhitze und Ferienbeginn ist der Gedanke an die nächste Heizperiode fern. Mit seiner jüngsten Ankündigung, die Energiepreisbremsen bis Ostern 2024 zu verlängern, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) viele Verbraucherinnen und Verbraucher jäh an den kommenden Winter denken lassen. Werden wir erneut mit Knappheit und hohen Preisen bei Strom und Gas konfrontiert sein oder könnten die Preisbremsen, wie zunächst geplant, auch bereits zum Jahresende auslaufen?
Habeck erhofft sich durch Verlängerung bessere Absicherung
"Die Preisbremsen wirken wie eine Versicherung gegen steigende Preise", sagte Habeck der "Augsburger Allgemeinen" zur Begründung für die von ihm geforderte Verlängerung. Nach jetzigem Stand würden die Preisbremsen Ende 2023 auslaufen. "Ich werbe aber dafür, dass wir sie nochmals verlängern, und zwar bis Ende des Winters. Genauer gesagt, bis Ostern", so Habeck. Darüber werde bereits mit der EU-Kommission gesprochen.
Ob die Energiepreisbremsen dann überhaupt noch notwendig sind, sei unklar, so der Minister: "Wenn die Preise fallen und unter dem Deckel von 40 Cent bei Strom oder 12 Cent bei Gas für private Verbraucher liegen, dann braucht man die Bremsen nicht", sagte er. "Aber wenn doch etwas passieren sollte, ist die Absicherung eben auch im kommenden Winter noch da."
Energieökonom: "Großer Hebel sind die Energieeinsparungen"
"Absicherung, das bedeutet auch, dass sich noch einiges tun kann", sagt der Energieökonom Andreas Löschel im Gespräch mit BR24. "Die Speicher sind zwar augenblicklich gut gefüllt, man kriegt wahrscheinlich bis September eine fast vollständige Füllung hin. Aber Speicher liefern auch nur ungefähr zwei Monate Gas", gibt der Experte zu bedenken.
Das bedeute: "Wenn irgendwas passiert, dann helfen uns die Speicher eben nur bedingt." Eine mögliche Unsicherheit bestehe etwa in Bezug auf kritische Infrastruktur: "Wir haben ja gesehen: Nord Stream 1 und 2 wurden gesprengt. Es besteht immer noch eine instabile Lage mitten im Krieg vor unserer Haustür. Es ist unklar, wie solche Risiken einzuschätzen sind. Das gilt etwa für die Pipeline-Infrastruktur aus Norwegen", so Löschel.
"Der eigentliche große Hebel sind die Energieeinsparungen der Kunden. Wenn kein russisches Gas mehr da ist und wir die Speicher zwar gefüllt haben, aber eben auch die Nachfrage bedienen müssen, dann brauchen wir trotzdem wahrscheinlich immer noch Gaseinsparungen", erklärt der Experte. Das habe im vergangenen Winter gut funktioniert, damals hätten die Haushalte und Unternehmen fast 30 Prozent Gas eingespart. "Aber es ist nicht klar, ob das in diesem Winter auch so stattfinden wird."
Verbraucherschützer begrüßen Pläne des Ministers
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin (VZBV) hält die geplante Absicherung durch Preisbremsen bis zum Ende des kommenden Winters fürs sinnvoll: "Die Bundesregierung hat immer kommuniziert, dass Verbraucherinnen und Verbraucher bis Ende April kommenden Jahres vor extremen Preissteigerungen geschützt sein sollen", erklärt Jutta Gurkmann, Geschäftsbereichsleiterin für Verbraucherpolitik beim VZBV, auf Anfrage von BR24. Der Verband begrüße, "dass der Minister jetzt angekündigt hat, dieses Versprechen einzulösen. Verbraucherinnen und Verbraucher müssen sich darauf verlassen können, dass die Kosten für sie nicht wieder in die Höhe schnellen."
Ein Anstieg der Preise im Winter sei nicht auszuschließen, so Gurkmann weiter. "Die Preisbremsen sind ein zusätzliches Sicherheitsnetz, das Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin vor extremen Preissteigerungen schützt."
Stadtwerkeverband verweist auf beruhigte Lage an den Märkten
Anders sieht das der Stadtwerkeverband. Eine Sprecherin forderte im Gespräch mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland", die Preisbremsen für Gas und Strom - wie ursprünglich geplant - zum Jahresende auslaufen zu lassen. Die Situation an den Märkten habe sich inzwischen beruhigt und die Gasspeicher würden zügig und planmäßig befüllt. Die Preise für Gas und Strom seien schon seit Monaten deutlich gesunken - die Preisbremse würde also gar nicht mehr greifen.
Die deutliche Preissenkung bestätigt auch Energieökonom Löschel: Wenn im kommenden Winter alles gut laufe, werde weder die Strom- noch die Gaspreisbremse nötig sein. "Darauf deuten jetzt die Preise hin, sowohl die jetzigen Preise als auch die Preise, die wir jetzt auf den Märkten für die Lieferungen im Winter sehen", sagt er im Gespräch mit BR24 - gibt jedoch zu bedenken: "Das kann sich auch schnell ändern."
"Letztes Jahr haben die Leute befürchtet, sie könnten ihre Krankenhäuser nicht mehr bedienen", erinnert Löschel. Und jetzt seien die Energiekosten für viele Menschen kaum noch ein Thema. "Wir müssen da, glaube ich, einen Zwischenweg finden für den zweiten Winter", so der Ökonom.
Kosten für Preisbremsen geringer als gedacht
18 Milliarden Euro hat der Staat für die Stützungsmaßnahmen bislang gezahlt. Eine hohe Summe, die über Schulden finanziert wird, für die die Steuerzahler später aufkommen müssen. Andererseits: Für das laufende Jahr wären rund 80 Milliarden für die Energiepreisbremsen eingeplant - und 200 Milliarden Euro insgesamt, um bis 2024 die Energiepreise abzufedern.
"Diese 18 Milliarden, das ist viel weniger, als man eigentlich gedacht hat, weil man von einem viel höheren Preisniveau ausgegangen ist", bestätigt Energieökonom Löschel. "Es ist ja gut, dass es nicht so gekommen ist. Von daher würde ich sagen: Die Energiekostenbremse kostet uns wohl auch bis Frühjahr nicht so viel, schafft aber eine gewisse Absicherung."
Vergleichsportale mahnen: Trotzdem Preise vergleichen
Vergleichsportale äußerten sich mit Blick auf die geplanten Verlängerung der Preisbremsen skeptisch. "Aktuell liegen nahezu alle Tarife alternativer Anbieter deutlich unterhalb der Energiepreisbremsen", sagte etwa der Energie-Geschäftsführer von Check24, Steffen Suttner. Eine Verlängerung der Preisbremse wiege Kunden in falscher Sicherheit, weil sie aktuell deutlich günstigere Tarife beziehen könnten.
"Durch die staatliche Subvention haben viele Menschen die tatsächlichen Kosten nicht mehr im Blick", gab auch Verivox-Chef Daniel Puschmann zu bedenken. Viele Haushalte verharrten durch die Preisbremse auf Kosten des Steuerzahlers in unnötig teuren Verträgen. "Dies kann zu einem bösen Erwachen führen, wenn sich Verbraucher nicht aktiv um günstigere Verträge kümmern", mahnte er.
Energieökonom Löschel setzt in dieser Frage auf die Selbstständigkeit der Verbraucher: "Die Preisbremse ist keine eigentliche Bremse. Es ist eine Pauschalzahlung an Kunden, basierend auf alten Verbräuchen. Die Kunden zahlen immer ihren aktuellen Preis und wenn der hoch ist, dann zahlen sie einen hohen Preis, weil sie eine Pauschalzahlung bekommen haben auf ihren alten Konsum. Das heißt: Wenn sie die Möglichkeit haben, in günstigere Verträge zu gehen, dann sollten sie das jetzt machen." Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen rät: Verbraucher sollten prüfen, ob sich ein Vertragswechsel für sie finanziell lohnen könnte.
Mit Informationen von dpa
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!