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Kate Bush

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Selbstbestimmter Star: Kate Bush wird 60

Ihre Landsleute nennen sie ehrfurchtsvoll "La Bush": Sie ist einer der ersten unabhängigen und selbstbewussten weiblichen Popstars mit einem ausgeprägten Hang zur englischen Literatur. Das macht sie zum "role model" für Jüngere. Von Markus Mayer

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

Auch wenn sich es hierzulande noch nicht rumgesprochen hat, aber Songschreiber sind große Leser, regelrechte Literatur-Aficionados, gens des lettres eben. Dass sich die junge Kate Bush für ihren ersten Hit den Roman "Wuthering Heights", auf Deutsch Sturmhöhe, ausguckt und die Konstellation vom ungestümen Heathcliff und der stolzen Cathy in einem stimmungsvollen Song abbildet, ist insofern nicht verwunderlich.

Kate, eigentlich Catherine, Bush wächst in einem Vorort von London auf, was eher dem ländlichen Charakter des Romans entspricht.

Dave Gilmour war ihr Förderer

Die Popsongautorin hat sich auch später immer für außergewöhnliche Frauenfiguren interessiert, für starke Charaktere wie Catherine alias Cathy aus "Wuthering Heights", eine Art Alter ego von Kate Bush. Die Sängerin stammt jedenfalls aus einem bildungsbürgerlichen Elternhaus. Der Vater, ein Mediziner, spielt Klavier, die Mutter interessiert sich für irische Folklore, der Bruder schreibt Gedichte. Da liegen Autorinnen wie Emily Bronte, eine Begründerin der modernen englischen Literatur, nahe - es müssen ja nicht immer Americana sein, Werke, die um typisch amerikanische Themen kreisen. Protegiert wurde die noch minderjährige Kate übrigens von keinem Geringeren als Dave Gilmour, seines Zeichens Gitarrist von Pink Floyd - auch das englische Rockmusiker, deren Potential sich nicht im Nachspielen bereits existierender, amerikanischer Musikstile erschöpfte. 

Kein "Pop-Hascherl"

Angeblich ist der Popsong Wuthering Heights übrigens die allererste Single, die von einer Frau geschrieben, komponiert und mit verwegener Melodieführung vorgetragen wird und die es auf Platz Eins der englischen Charts schafft.  Überhaupt ist Kate Bush, auch wenn sie ihre ersten Songs mit regelrechter Pieps-stimme intoniert, keines von den üblichen Pop-Hascherln, keine Interpretin, deren Repertoire von anderen ausgewählt wird. Nicht nur deswegen nennen ihre Landsleute sie ehrfurchtsvoll La Bush. Schließlich ist sie einer der ersten selbstbestimmten, weiblichen Popstars: Sie nutzt nicht nur Kostümierungen, Modern Dance und theatrale Inszenierungen. Für ihre Songs wählt sie modernste Sounds, setzt allerneueste Klangerzeuger wie den Fairlight CMI ein, einen Synthesizer, der mit Samples von Geräuschen gefüttert werden kann.

Glühender Fan ist "Johnny Rotten"

Begeistert von diesem Gespür für brandaktuelle Technologien klopfen deshalb Pop-Größen wie Peter Gabriel und Prince bei der Kollegin an, um mit ihr zusammen zu arbeiten. Einer ihrer erklärten, glühendsten Fans ist übrigens Johnny Lydon ehemals Johnny Rotten, der großartige Texterfinder und Textdarsteller der Sex Pistols. Wer die Arbeiten und Alben jüngerer Songschreiberinnen wie Tori Amos, Dear Reader oder Bat For Lashes kennt, dem dürfte klar sein, dass Kate Bush weit mehr ist als bloß eine Songschreiberin. Die Frau, die heute am 200. Geburtstag von Emily Bronte ihren 60. feiert, ist ein Vorbild für klugen Pop, ein rolemodel, wie man heute sagt, für jüngere Kolleginnen.

Verwirr-Spiel mit Weiblichkeit

Aus gutem Grund, denn ähnlich wie Madonna, betreibt Bush bei Auftritten und in Videos ein virtuoses Verwirr-Spiel mit ungewöhnlichen Bildern von Weiblichkeit, ohne sich auf eine einzige Rolle festzulegen: Mal Elfe, Rachegöttin, mal Muse oder Fee - feminine Rollenbilder, die nicht in eine einzige, von Patriarchen geschreinerte Schublade passen. Siehe auch: die Frau als Opfer ihrer Emotionen. "Aerial und 50 Words For Snow", ihre letzten Konzept-Alben, zeigen Kate Bush als gereifte Künstlerin von hohem Rang, als Popsong-Autorin und Textdichterin überaus ansprechender Kunstlieder. In diesem Sinne ist sie durchaus vergleichbar mit Emily Bronte, der ihr wahlverwandten Schriftstellerin und femme des lettres.