The Penguin (Sky und WOW)
Ausgerechnet der hinkende, alternde Kleinganove Oswald "Oz" Cobblepot, wegen seines Ganges verspottet als Pinguin, ist der beste Bösewicht des Jahres - und stiehlt selbst dem Joker die Show.
Die Serie "The Penguin" erzählt von seinem Aufstieg: Skrupellos, intrigant, eiskalt spielt der Pinguin alle gegeneinander aus, die ihn einst verspottet und erniedrigt haben. Eine doppelte Verwandlung: Denn auch Schauspieler Colin Farrell ist unter den Schichten von Makeup, Maske und Fatsuit nicht mehr zu erkennen. Seine Stimme, sein Akzent sind bis zur Unkenntlichkeit verändert. Genau das macht die Hauptfigur attraktiv.
Batman-Fans kennen Colin Farrell als Pinguin bereits aus dem Film "The Batman" von 2022, die Serie ist das gelungene Spin-off zum Film - ähnlich düster, dystopisch und ästhetisch wie inhaltlich anspruchsvoll, produziert vom Batman-Reggiseur Matt Reeves. Sie erinnert an godfathergleiche Mafia-Epen, und an den gefeierten ersten "Joker"-Film, der als Gegenwartsanalyse und Charakterstudie überzeugte. So lernen wir jetzt also auch den Pinguin besser kennen: als brutalen Klassenkämpfer, als impulsiven Zyniker, als berechnenden Opportunisten mit Mutterkomplex. Die Serie "The Penguin" ist auf Sky und WOW zu sehen.
Rentierbaby (Netflix)
Die bissigste Serie des Jahres handelt von einer Stalkerin – und ihrem Opfer, dem Komiker Donny. Der fühlt sich von seiner Verehrerin, die tagtäglich zu ihm in die Kneipe kommt und ihn "Rentierbaby" nennt, nicht nur verfolgt, sondern irgendwie auch zu ihr hingezogen: "Stockholm Syndrome". Damit hat Donny schon in der Vergangenheit Erfahrung machen müssen.
Die Serie glänzt durch abgrundtief-schwarzen, typisch britischen Humor und seinen Hauptdarsteller Richard Gadd, der hier tatsächlich seine "wahre" Geschichte erzählt, verkörpert und produziert hat.
Dass Gadd selbst Komiker ist, merkt man: Die Serie ist schnell, witzig, traurig, tragisch, selbstkritisch, sie fasst Themen wie Missbrauch und Manipulation extrem persönlich und vorurteilsfrei an – und verzichtet auf einfache Täter-Opfer-Zuschreibungen.
Disclaimer (Apple TV+)
Der beste Serientwist des Jahres kommt vom oscarprämierten Regisseur Alfonso Cuarón. In seiner Serie "Disclaimer" erzählt er ein und dieselbe Geschichte aus zwei verschiedenen Perspektiven.
Die eine ist die der Journalistin Cathrine Ravenscroft. Ihr wird ein Italienurlaub mit der Familie zum Verhängnis, und zieht eine Reihe heftiger Anschuldigungen nach sich. Die andere Perspektive ist die des Rentners Stephen Brigstocke. Er startet Jahre später eine Rufmordkampagne gegen Cathrine und will sich durch die Veröffentlichung eines Buches an ihr für ein vermeintliches, vergangenes Verbrechen rächen.
Der Plot im Buch, die Gegenwart und die Ereignisse aus der Vergangenheit verschmelzen. Was ist Fiktion? Was ist Realität? Diese Frage verhandelt die Serie so überraschend wie gekonnt. Zu Beginn mit viel Nostalgie und Sexappeal, später dann mit Gebrochenheit und Reue.
Die Zweiflers (ARD-Mediathek)
Die beste deutsche Serie des Jahres erzählt von einer jüdischen Familie in Frankfurt und hat bereits mehrere Preise abgeräumt. "Die Zweiflers" bringt die große Welt- und Verbrechensgeschichte mit den alltäglichen Sorgen, Freuden, Streitereien, Freund- und Liebschaften zusammen.
Über drei Generationen hinweg erzählt die Serie von Fragen der Identität, der Religion, des Zusammenlebens, der Heimat und Schuld. Zwischen Frankfurt und Berlin. Sie erzählt vom Familienpatriarch Symcha und seinem Feinkost-Unternehmen bis hin zu dessen Enkeln Samuel und Dana, die das Geschäft übernehmen sollen, aber nicht wirklich wollen. Das Trauma der Vergangenheit prägt die Älteren, die Jungen wollen es hinter sich lassen - so zeigt es die Serie mit schnellen Dialogen, einfühlsamer Bildsprache und jiddischem Witz.
"Die Zweiflers" ist ein großes Familienporträt. Vielleicht das deutsche "Succession", mit dem Unterschied, dass die Protagonisten hier echte Sympathieträger sind – mit denen man gerne am Esstisch sitzt, im Bett liegt oder durch die Straßen zieht.
La Mesias (ARTE-Mediathek)
Die kreativste und verrückteste Serie des Jahres kommt aus Spanien. "La Mesias" erzählt über drei Jahrzehnte hinweg von der gescheiterten Frau Montserrat und ihren beiden Kindern Irene und Enric, die vernachlässigt und missbraucht aufwachsen.
Die psychisch instabile Mutter wendet sich eines Tages dem gläubigen Pep und mit ihm Gott zu. Sie gründen eine christliche Sekte, die später mit trashigen Internet-Videos viral geht und um Anhänger wirbt.
"La Mesias" ist nicht nur ein packend-schockierendes Familiendrama mit vielen innovativen Einstellungen und Szenenbildern, sondern auch ein Porträt der Spannungen im Post-Franco-Spanien zwischen Patriarchat, Religion und Erneuerung. Vom jungen spanischen Shootingstar-Regiepaar Javier Ambrossi und Javier Calvo. Mit den Almodóvar-Stars Rossy de Palma und Lola Dueñas. ¡Caramba!
Ripley (Netflix)
"Mr. Ripley" ist die am schönsten fotografierte Serie des Jahres. Eine Serie wie ein antikes Fresko. Einstellung um Einstellung meißelt Serienmacher Steven Zaillian seinen Ripley und dessen Verbrechen aus dem brökelnden Putz eines sonnengegerbten Italiens der 1960er Jahre. In perfekten Schwarz-Weiß Aufnahmen lässt er uns eintauchen in diesen ja schon legendären Kriminalfall, auf der Grundlage des Romans von Patricia Highsmith.
Nochmal kurz rekapituliert: Tom reist an die Amalfiküste, um Richard zu finden - im Auftrag von dessen reichem Vater. Statt ihn von der Heimkehr in die USA zu überzeugen, nistet sich Betrüger Tom bei Lebemann Dickie ein - und ermordert ihn schließlich, um seine Identität anzunehmen. Danach führt er die Polizei sowie Dickies Familie und Freundin an der Nase herum.
Ein Versteck- und Identitätsspiel, das die Serie mit viel Grandezza - elegant, kunstvoll - und mindestens so gut wie die beiden Filme von 1960 und 1999 aufführt. Teilweise auch schockierend schön. Ripley ist eine Hommage an die italienischen Filmgrößen und das Dolce Vita. Federico Fellini hätte den Stoff kaum besser filmen können.