Die Orgel sei eine Verwandlungskünstlerin, erklärt Anna Lapwood im Interview. "Wenn du sie spielst, spielst du auch die Streicher, die Oboe, die Trompete, das Horn." Das sei der entscheidende Grund dafür gewesen, wieso sie sich in dieses Instrument verliebt habe, so die 29-Jährige.
Pop auf der Orgel? Kein Problem für Anna Lapwood
Das dürfte vielen Organistinnen so gehen. Aber wenige reizen das Verwandlungstalent der Orgel derart aus, wie Anna Lapwood es tut. Dass man den Pfeifen so gut wie jede Klangfarbe entlocken kann, das beweist sie nämlich nicht nur im klassischen Repertoire, sondern auch in der Popmusik.
Mit ihrer Landsfrau, der britischen R&B-Sängerin Raye, hat Anna Lapwood schon live in der Royal Albert Hall in London performt. Und Rayes Hit "Escapism" gewann durch ihren Orgelsound nochmal eine Extraportion Dramatik dazu.
Ähnlich wie ihr amerikanischer Kollege Cameron Carpenter ist auch Anna Lapwood eine Grenzgängerin an ihrem Instrument. Und eine Pionierin.
Als Frau in einer Männerdomäne
Als erste Frau überhaupt bekam sie am Magdalen College in Oxford ein Orgelstipendium. Und mit gerade mal 21 Jahren wurde sie Musikdirektorin am Pembroke College in Cambridge. Dass ihr Weg als Musikerin sie einmal auf die Orgelbank führen würde, war aber nicht von Anfang an klar.
Sie habe schon immer ein Faible dafür gehabt, neue Instrumente auszuprobieren, erzählt sie. Und normalerweise sei ihr das auch ziemlich gut gelungen. Nur die Orgel, ja, ausgerechnet die Orgel, erwies sich als echte Herausforderung. "Das war so frustrierend! Es hat schon so vier Jahre gedauert, bis ich fließender spielen konnte."
Das Durchhalten hat sich gelohnt. Heute ist Lapwood eine von nur wenigen Frauen in einer Männerdomäne. Noch immer ist die Orgel ein eher männlich konnotiertes Instrument. Bei einem Orgelwettbewerb meinte ein Juror mal zu ihr, er habe ihr Spiel sehr gemocht, aber sie solle doch mehr wie ein Mann spielen.
Die Organistin als Social-Media-Star
Anna Lapwood reagierte darauf auf ihr Weise. Auf Instagram rief sie den Hashtag "playlikeagirl" ins Leben. Fast 600.000 Follower hat sie dort inzwischen. Auch ihr TikTok-Kanal zeigt, wie gut sie bei jüngeren Leuten ankommt: über 900.000 Fans begeistert sie dort mit ihren Videos.
Sie möge die Vorstellung, dass die Orgel weiblich sei, sagt Lapwood. "Das ist natürlich bei jedem Instrument etwas anders. Bei der Orgel in der Royal Albert Hall denke ich mir aber: Jap, die ist weiblich! Andere würden vielleicht widersprechen: Sie nennen sie dann die Stimme Jupiters."
Ihr erstes Album hat Lapwood den Vergleich mit Taylor Swift eingebracht
Und diese Stimme hat ganz schön kräftige Stimmbänder. Einmal im Monat bringt Anna Lapwood die 9.999 Orgelpfeifen in der Royal Albert Hall in London zum Klingen - meistens nachts, wenn sie niemanden stört.
Eine Nachteule sei sie, sagt sie. Passend dazu hat Sie ihr Debütalbum auch "Luna" genannt (nach dem Mond). Musik aus aus dem Film "Peter Pan" trifft hier auf Bach, Hans Zimmer auf Claude Debussy. In gewisser Weise die wohlig-warme Klassikantwort auf Taylor Swifts Album "Midnights".
Nicht zu Unrecht also wird Anna Lapwood die "Taylor Swift der klassischen Musik" genannt. "Unglaublich" findet sie diesen Vergleich. Und das im positivsten Sinn des Wortes. "Jeden Vergleich mit ihr nehme ich dankend an!"
Am Dienstag, den 17. Dezember, spielt Anna Lapwood in der Würzburger Augustinerkirche. Online gibt es leider keine Karten mehr. Ein spontaner Versuch könnte sich dennoch lohnen: Frei gebliebene Plätze werden an Wartende vergeben.
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