Sieben Brüder und sieben Schwestern hatte er einst, erzählt der Musiker und Musikkabarettist Stofferl Well BR24 am Telefon, gestern ist eine seiner Schwestern gestorben: Burgi, die mit Moni und Bärbi als "Wellküren"-Trio auf der Bühne stand.
"Die Burgi war in der Mitt'n, die war der Übergang zwischen der älteren und der jüngeren Generation in unserer Familie", erzählt Stofferl Well, "sie war das Bindeglied der Generationen".
Erster Auftritt bei der Hochzeit des Bruders
Den ersten Auftritt hatten die Wellküren auf seiner ersten Hochzeit, erzählt Stofferl Well: Alte Lieder mit einem neuen Text hätten sie damals im Kreis der Gäste und Familie vorgetragen. Burgi sei überhaupt ein Familienmensch gewesen: Mit ihren Nichten und Neffen habe sie 15 Jahre lang das Weihnachtsspiel ihres Vaters einstudiert, die Kinder hätten dann immer zu ihr kommen dürfen und dort ein Übungswochenende gehabt und viel Gemeinsamkeit erlebt.
Händchen auch fürs Büro
Burgi archivierte die Texte ihres Vaters, der Lehrer und Musiker war, und führte die Buchhaltung für die Musikgruppe der Well-Brüder und ebenso die der Schwestern - auch für die Steuer, erinnert sich Stofferl Well: "Sie war praktisch die einzige von uns Geschwistern, die Bürokauffrau können hat, ohne dass sie es gelernt hat", sagt Stofferl.
Zehn Jahre lang hatten Burgis Brüder aus der Familie Well schon Erfolg gehabt als "Biermösl Blosn", da schlossen sich auch die drei Well-Schwestern Burgi, Moni und Vroni als Trio zusammen, später wurde noch Schwester Bärbi für Vroni eingewechselt. Sie nannten sich die "Wellküren" und machten sich damit zugleich über ihre irgendwie germanische Herkunft lustig - der Name der "Walküren" aus der germanischen Sagenwelt schwang mit - als auch über ihre bajuwarische Herkunft aus einer kinderreichen Volksmusikantenfamilie aus Günzlhofen im katholischen Land bei Fürstenfeldbruck.
Zusammenarbeit mit Maria Peschek
Der Erfolg gab ihnen Recht: Ein Jahr nach der Gründung eroberten die Wellküren mit der "Münchner Ratschn", der Kabarettistin Maria Peschek, die Münchner Lach- und Schießgesellschaft in der Ursulastraße und damit quasi den Parnass des zeitgenössischen Kabaretts. Titel ihres ersten Programms: "Jetz schau ma mal, na seng' ma's scho". Die Dramaturgie war einfach wie bei den Biermösl-Blosn: Dort erzählte der Gerhard Polt etwas und die Brüder musizierten dazwischen, bei den Wellküren erzählte die Peschek und die Well-Schwestern sangen und spielten.
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"Mit das erste Frauenkabarett Bayerns"
"Sie waren mit das erste Frauenkabarett in Bayern", sagt Stofferl Well. Das war damals, als der Rhein-Main-Donau-Kanal in Bayern projektiert wurde, der vielen Kabarettisten ein dankbares Ziel bot. Und es war die Zeit der atomaren Katastrophe von Tschernobyl. Die Wellküren starteten damals ihr Programm damit, die Cäsium-Wolken aus dem sowjetischen Tschernobyl vom bayerischen Himmel zu blasen.
Sie begleiteten Bayern später durch 9/11, durch die Lehman-Pleite und sprangen den Naturschützern bei zum Volksbegehren "Rettet die Bienen!" Je apokalyptischer die Welt draußen aussah, desto vertrauter klangen die Stimmen der Wellküren, die uns in den Krisen zur Seite standen.
Aber die Wellküren boten immer gleichzeitig noch eine weitere, eine weibliche Weltsicht. "Wir können ja nicht über Frauenthemen", sagt Stofferl Well. "Großartig, was die da auf die Bühne gebracht haben: Alles, was sie betroffen hat als Menschen, als Frauen und als Bürgerinnen, haben die thematisiert!"
Zum Video: Lebenslinien | Die Wellküren - Schwestern im Dreiklang
Mit Posaune und "Nonnentrompete"
Berühmt wurden die Wellküren für ihre süchtig machende Stubenmusi, angesiedelt zwischen bayerischer Folklore und immer wieder neuen Experimenten - idealerweise mit den Instrumenten Harfe, Gitarre und Hackbrett, doch auch mit Tuba und Posaune. Kaum ein Instrument war vor der Vielseitigkeit der Wellküren sicher. Obwohl die Schwestern zunächst kein Blasinstrument lernen durften, habe die Burgi schließlich Posaune gelernt, aber auch Akkordeon und "Nonnentrompete", ein absurd anzusehendes Streichinstrument mit einem Trichter - "da waren die drei Wellküren berüchtigt dafür", erinnert sich Stofferl.
Schrill, rotzfrech, frivol
Dazu kam im Wortanteil eine zutiefst bayerische, also in der Seele anarchische Lust am Witz: "erfrischend, respektlos, hinterkünftig, manchmal auch schrill, rotzfrech und mitunter ein wenig frivol", so charakterisierte die "Süddeutsche Zeitung" die musikalischen Schwestern. "Stugida" nannten sie einmal ihre Stubenmusi: "Stubenmusi gegen die Idiotisierung des Abendlandes". Gedichtet wurde zu dritt von allen drei Frauen zusammen, sodass Außenstehende kaum sagen konnten, wer welchen Anteil hatte. Burgi sorgte dafür, dass die Gruppe zusammenhielt: "Die hat etwas unglaublich Ausgleichendes gehabt, wenn wer gestritten hat", sagt Stofferl Well. "Da war Burgi eigentlich immer der ausgleichende, ruhende Pol."
Von Strauß und Streibl bis Söder und Aiwanger
Strauß, Streibl, Stoiber und auch der Franke Beckstein betraten die politische Bühne und gingen wieder, die Wellküren aber blieben - und sie blieben sich treu in ihrem Kampf für Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit, Anständigkeit und Schwesterlichkeit - auch in der Ära Söder und Aiwanger.
Mehr als ein Dutzend Programme legten die Wellküren im Lauf der Jahre bis 2021 auf die Kleinkunst-Bretter, die die Welt bedeuten - und die andere manchmal vor dem Kopf haben. Immer wieder standen sie in den letzten zehn Jahren zusammen mit ihren Well-Brüdern auf der Bühne.
Letzter Auftritt bei Ludwig Thomas "Heiliger Nacht"
Burgis letzter Auftritt war Ludwig Thomas "Heilige Nacht" im vergangenen Dezember. "Den Auftritt habe ich besonders genossen, weil sie so schön gesungen haben", erinnert sich Stofferl.
Burgi Well starb am Freitag an Leukämie, umsorgt von ihren beiden Bühnen-Schwestern Moni und Bärbi. "Die Verbundenheit auf der Bühne ist auch im Privaten sehr gut gewesen", sagt Stofferl. Burgi Well wurde 71 Jahre alt.
Zum Video: Ludwig Thomas "Heilige Nacht"
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