Mann und Frau sitzen auf einem Mofa, er vorn, sie mit Kopftuch hinten.
Bildrechte: Verleih

Das iranische Liebesdrama "Leere Netze" erzählt von zwei Menschen, die wegen ihrer Standesunterschiede als Paar nicht zusammenkommen können.

Per Mail sharen
Artikel mit Audio-InhaltenAudiobeitrag

Verschlüsselte Welt? Iranisches Kino bei Fünf-Seen-Filmfestival

Das iranische Kino gilt als künstlerisches Sprachrohr der Kritik und Opposition, Filmschaffende erzählen in poetischen Bildern oft von fremdbestimmtem Leben. Jetzt widmet das Fünf-Seen-Filmfestival dem iranischen Kino eine Film-Reihe.

Über dieses Thema berichtet: kulturWelt am .

"Die Sirene" heißt der Film, der schon bei der Berlinale zu sehen war – er beginnt mit ein paar Jungs, die 1980 in der Ölmetropole Abadan, der größten Hafenstadt im Iran, neben einer Raffinerieanlage Fußball spielen. Der Ball schlägt ein ins Tor und im Hintergrund ist zu sehen, wie sich ein paar Raketen vom Himmel herabsenken auf die Docks mit den Öltanks. Eine Explosion folgt, ein riesiger Feuerball steigt auf …

"Die Sirene" ist ein mitreißender Animationsfilm, der vom Ausbruch des Iran-Irak-Kriegs erzählt. Abadan versinkt in kürzester Zeit im Chaos. Der 14-jährige Omid rennt nach Hause und sieht noch, wie sein älterer Bruder in einen Transporter steigt, der Kämpfer an die Front bringt. Die Familie verlässt die Stadt – nur der Halbwüchsige und sein Großvater bleiben vorerst zurück. Omid ist zu jung, um selbst zur Waffe zu greifen, so wird er zum Versorger einer in der Not vereinten Gruppe von Menschen, die nicht fliehen können oder wollen.

Im iranischen Kino ist Repression allgegenwärtig

Regisseurin Sepideh Farsi wurde 1965 im Iran geboren, die islamische Revolution erlebte sie als Teenager, damals 14 Jahre alt – genauso wie ihr Protagonist in "Die Sirene". Abadan kannte sie schon als Kind als die Stadt ihres Großvaters.

"Ich wuchs in einem bunt gemischten Viertel in Teheran auf – da waren Juden, Armenier, Muslime und andere Gruppen“, erzählt Sepideh Farsi. "Was ich sagen will, ist: Im Vergleich zum heutigen Iran, der sehr strikt und eng und limitiert wirkt, wo alles weggeschnitten wird, was stört, war auch Abadan damals noch eine Art Big Apple, ein kosmopolitischer Mikrokosmos. Daran möchte ich mit meinem Film erinnern – dass der Iran sehr viel komplexer war, immer noch sein kann, als uns das als Europäern erscheinen mag."

Von Vergangenheit erzählen, um Gegenwart zu kommentieren

Sepideh Farsi verließ den Iran 1984 und studierte in Paris Mathematik. Danach fing sie an, sich für visuelle Kunst und Fotografie zu interessieren. Vor allem Fragen der Identität treiben sie um. "Die Sirene" ist ein gutes Beispiel für Filme, die von der Vergangenheit erzählen, aber voller Bezüge zur Gegenwart sind, auch formal:

"Wir haben die Farbpalette reduziert, im Spiel mit den unterschiedlichen Bildebenen und mit dem Licht – so entsteht bei den Zuschauern ein Eindruck der Enge, der Beklemmung, was durchaus dem heutigen Lebensgefühl entspricht."

Filmemacher im Exil behalten Duktus der Eingeschlossenen bei

Die sieben Filme beim Fünf Seen Film Festival wollen die aktuelle Situation im Iran ins öffentliche Bewusstsein zurückholen. Durch den gewaltsamen Tod von Mahsa Amini ziemlich genau vor einem Jahr und die folgenden Proteste wurde viel berichtet über den totalitären Gottesstaat, aktuell ist er aus den Medien wieder weitgehend verschwunden. Für die Menschen aus dem Iran, ob nun im Exil oder im Land, ist es ungemein wichtig, weiterhin so etwas wie Interesse, Wertschätzung oder Solidarität zu spüren. Dieses Gefühl, nicht vergessen zu werden.

Künstlerinnen und Künstler führen den Kampf gegen das Regime weltweit fort. Die, die im Iran Filme drehen, sind es gewohnt, das Leben dort in verschlüsselten Bildern zu reflektieren, in einem Land, in dem eine freie Existenz nicht möglich ist. Der in Deutschland lebende Behrooz Karamizade hat sein Liebesdrama "Leere Netze" in der ehemaligen Heimat gedreht – unter schwierigen Bedingungen. Der Film, der von zwei jungen Menschen erzählt, die wegen ihrer Standesunterschiede als Paar nicht zusammenkommen können, handelt viel vom Alltag – und das eben nicht offen kritisch, sondern metaphorisch überhöht, wie das auch Karamizades große Vorbilder schon taten – Dariush Mehrjui und Abbas Kiarostami.

Iran-Schwerpunkt beim Fünf-Seen-Film-Festival - 22.- 30.08.2023.

Mit Podiums-Diskussion über Film & Politik im Iran / 26.08.2023 / 13:00 Uhr Kino Gauting.

Mit Arman T. Riahi - Regisseur, Behrooz Karamizade - Regisseur (Leere Netze) & Raphael Ghobadloo - Regisseur (Alles auf Germania)

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!