Die Schauspielerinnen Elizabeth Olsen, Carrie Coon und Natasha Lyonne (von links nach rechts) sitzen in einem dämmrig beleuchteten Wohnzimmer
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Töchter und Fremde: Elizabeth Olsen, Carrie Coon und Natasha Lyonne, die Hauptfiguren im Familiendrama "Drei Töchter"

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Vom Leben und Sterben: "Drei Töchter" von Azazel Jacobs

Vom Leben und Sterben: "Drei Töchter" von Azazel Jacobs

Seit der Premiere beim Toronto International Film Festival gilt "Drei Töchter" als aussichtsreicher Kandidat für die Award Saison. Das Familiendrama ist neu im Programm von Netflix, zählt aber nicht zu den Filmen, die man nebenbei laufen lässt.

Über dieses Thema berichtet: Bayern 2 Die Welt am Morgen am .

Familien sind schon ein eigenartiges Konstrukt. Man wächst zusammen auf, wird gemeinsam älter, erlebt Höhen und Tiefen – aber nur, weil man jahrelang eine Wohnung geteilt hat, heißt das noch lange nicht, dass man auch zusammen gelebt hat. Katie, Rachel und Christina teilen sich einen Vater – viel mehr Gemeinsamkeiten, so scheint es, haben die jetzt zwischen 30 und 40 Jahre alten Halbwaisen nicht. Katie ist ein Kontrollfreak, Christina eine sensible junge Mutter, Rachel kifft den lieben langen Tag.

Umso anstrengender ist es für die Titelfiguren des Netflix-Dramas "Drei Töchter", dass sie für unbestimmte Zeit wieder ihre alten Kinderzimmer beziehen: Der Vater liegt im Sterben, er hat Krebs im Endstadium. Hospizpfleger kümmern sich um den im Bett dahindämmernden Patienten. Endet ihre Schicht, übernehmen die Töchter.

Eher Fremde als Familie

Der unausweichliche Verlust eines kranken Familienoberhaupts und die Auswirkungen auf seine voneinander entfremdeten Kinder: In der Grundkonstellation erinnert "Drei Töchter" an Matthias Glasners preisgekröntes Berlinale-Highlight "Sterben". Auch US-Regisseur Azazel Jacobs verarbeitet in dem von ihm verfassten Drama persönliche Erfahrungen mit dem Tod. Doch im Gegensatz zu seinem deutschen Kollegen setzt er nicht auf schockierende Leinwandwucht, sondern auf die leise Kraft des Kammerspiels. "Drei Töchter" spielt fast ausschließlich in einem geschlossenen Raum: dem bescheidenen, leicht vollgerümpelten New Yorker Apartment des Vaters. Ihn selbst sieht man nicht, nur ab und an hört man durch die geöffnete Schlafzimmertür das Piepen seines Herzmonitors.

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Natasha Lyonne als Rachel in einer Szene aus "Drei Töchter"

Schauspielkunst und Struktur

Dass seine Töchter durch das tragische Ereignis ihre über Jahre gewachsenen Differenzen nicht plötzlich beilegen, wird ab der ersten Einstellung klar: Katie, die von Carrie Coon gespielte älteste Tochter, hält mit verschränkten Armen und dem Rücken zur Wand einen wütenden und minutenlangen Monolog, der sich an in diesem Moment noch unklare Adressaten richtet. Es sind ihre Schwestern, dargestellt von Elizabeth Olsen und Natasha Lyonne. Auch sie werden durch mehr oder weniger lange Monologe eingeführt und charakterisiert: Olsen ist die emotionale, Lyonne die verpeilte. Die Kameraeinstellung separiert die drei zusätzlich voneinander: Sie sitzen an einem Tisch, sind aber nicht gemeinsam im Bild.

Kein Secondscreen-Eskapismus

Es ist dieses Zusammenspiel aus vollends auf die Person konzentrierter Schauspielkunst und sorgsam durchdachter Struktur, die den Film aus dem Netflix-Portfolio herausragen lässt. "Drei Töchter" ist kein Secondscreen-Eskapismus, sondern Aufmerksamkeit einfordernde Konfrontation mit dem Leben. Denn mit der Zeit lernt das Publikum: Die anfängliche Charakterisierung ist lediglich das Bild, das die Frauen voneinander haben – ihre wahren Persönlichkeiten entdecken sie erst in den folgenden Tagen, wenn sie sich streiten, versöhnen oder versuchen, einen Nachruf auf ihren Vater zu verfassen.

Der Vater ist es dann auch, dem der emotionale Höhepunkt des Films vorbehalten ist: Omnipräsent und doch abwesend, tritt er in den letzten Minuten ins Bild und hält – wie zu Filmbeginn seine Töchter – einen Monolog. Er handelt von der Liebe zu seinen Kindern, zu seiner Stadt und der Erkenntnis, dass man erst weiß, wie jemand war, wenn er nicht mehr da ist. Wie viel davon real und wie viel imaginiert ist, ist nebensächlich. Essenziell ist, dass am Ende aus den Töchtern Schwestern geworden sind – und man einen Film gesehen hat, der nüchtern und nuanciert zeigt, wie schmerzvoll und kathartisch individuelle Trauerarbeit sein kann.

"Drei Töchter" von Azazel Jacobs kann seit dem 20.09. bei Netflix gestreamt werden.

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