"Wall of Death" : So heißt der Fotoband von Florian Holzherr über die Artisten
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Donald Ganslmeier, der Boss des Motodrom.

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"Wall Of Death": Spektakuläres Entertainment auf der Wiesn

100 Runden gegen die Schwerkraft und gegen jede Vernunft – ohne Helm und ohne Unfallversicherung. "Todeswand" ist nicht übertrieben, die Motorradfahrer riskieren hier täglich ihr Leben. Jetzt in dem Fotoband festgehalten: "Wall of Death".

Über dieses Thema berichtet: Capriccio am .

Zehn Uhr morgens. Oide Wiesn. Arbeitsbeginn für die Steilwandfahrer. Bevor es gleich gefährlich wird, prüft Donald Ganslmeier ein letztes Mal seine alte Maschine. Er macht die Reifen sauber, denn "irgendwie verlierst immer bissl Öl irgendwo. Beim Putzen findest du die meisten Fehler". Und Öl an der Steilwand ist ganz blöd. Nicht bloß einen Unfall hat der Steilwandfahrer schon gehabt. Das ist Berufsrisiko. "Oft genug. Gehört dazu."

Todesmutige Artisten

Es sind die letzten todesmutigen Artisten – hier im Motodrom. Sie bieten eine Show auf einer der zwei letzten aktiven Wände des Landes: 100 Runden kann eine Fahrt mit ihren Tricks dauern, 100 Runden gegen die Schwerkraft und gegen jede Vernunft, ohne Helm und ohne Unfallversicherung. Steilwandfahren an der "Wall of Death" ist ein Anachronismus der Unterhaltung. Aus der Zeit gefallen und geblieben.

"'Wir sind alle ein bisschen Haudegen', sagen die Leute. Ich find nicht. Wir machen halt einen Beruf, der nicht so gewöhnlich ist. Es ist halt jetzt kein Pflasterer, hab ich auch schon gemacht, auch ein super Job", so Ganslmeier. Aber die Show, das ist nur der kleinste Teil von dieser ganzen Steilwandfahrerei. Der andere heißt: Aufbau. Allein 18 Kesselsegmente, jedes tonnenschwer, müssen von Hand aufgestellt werden. Eine falsche Schraube kann später das Leben kosten. Seit knapp 100 Jahren zieht das Motodrom schon durch Europa.

"Die riskieren jeden Tag ihr Leben"

Fotograf Florian Holzherr hat das Motodrom eine Zeit lang begleitet. Ihn überrasche am meisten, wie körperlich anstrengend dieser Aufbau ist. "Der Kessel ist, was weiß ich, fünf, sechs Meter hoch, oben vielleicht 20 Zentimeter breit, und der läuft da einfach oben entlang. Da kriege ich schon Zustände, wenn ich nur hinschauen muss." Holzherr hat für seinen Bildband alte Analogkameras verwendet. Kein doppelter digitaler Boden. Alles soll authentisch sein – wie in der "Wall Of Death" selbst.

"Mich fasziniert dieses Archaische und das ist kein fauler Rummelzauber, das ist echt. Die fahren wirklich und die riskieren jeden Tag ihr Leben." Das Motodrom ist die Kirmes-Attraktion des vergangenen Jahrhunderts. Seit 1911 nutzen Wagemutige die Fliehkräfte, um der Gravitation eins auszuwischen. In den USA setzen die Artisten noch eins drauf: Dort gibt es sogar Löwen in der "Wall Of Death". Mehr Adrenalin geht kaum.

Im Video: Archaisches Spiel mit der Endlichkeit

Kulturmagazin Capriccio
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"Respekt vor der Sache ist megawichtig"

Holzherr ist ganz gebannt von dem riskanten Spektakel: "Sobald die Leute Motorrad gefahren sind, haben sie sich so etwas einfallen lassen. Das hat ihnen nicht gereicht, auf was zu sitzen, das mit Motorkraft durch die Gegend fährt. Die haben angefangen, an steilen Wänden damit zu fahren". Ganslmeier macht das einfach Spaß. Seit fast 30 Jahren arbeitet er an der Steilwand, gefangen im Banne der Motoren. Sein Team: Drei bis vier Fahrer, ein paar Helfer, die Motorräder. Reich wird hier keiner. Doch wer bemisst schon Glück in Geld? Hier im Motodrom zählen offenbar andere Werte. Gegenseitiges Vertrauen etwa. Das ist eminent, wo jeder falsche Schlenker ins Unglück reißen kann.

"Angst darfst nicht haben", sagt Ganslmeier. Angst sei das Schlimmste, was man haben könne. "Megawichtig" sei Respekt vor der Sache, "weil, wenn du den verlierst, dann kommt eine Routine rein". Orchestriert hat Ganslmeier hier in der "Wall Of Death" immerhin schon zigtausende Kilometer. Stets mit absoluter Konzentration auf den Augenblick. Und nach ein paar Tagen zieht die Karawane dann weiter. Wie Nomaden zwischen Oasen des Thrills.

Ganslmeier sagt, dass man so schon ein bisschen bewusster lebe, nichts auslasse. Ein Leben – an die Wand gefahren. Hier wirkt er noch, der Zauber des ewig Gleichen. Jede Runde kann die letzte sein.

Im Video: Lebenslinien - Der Akrobatikfahrer Donald Ganslmeier

Lebenslinien: In der Steilwand
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Lebenslinien: In der Steilwand

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