Computertastatur mit Taste "Klarname".
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Die Diskussion um eine Klarnamenpflicht im Netz wird auch nach dem Facebook-Urteil weitergehen (Symbolbild).

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Nach Facebook-Urteil: Was würde eine Klarnamenpflicht bringen?

Nach Facebook-Urteil: Was würde eine Klarnamenpflicht bringen?

Der Streit um die Klarnamenpflicht im Netz ist fast so alt wie das Internet selbst - und wird auch nach dem Facebook-Urteil weitergehen. Doch was versprechen sich Befürworter davon? Was spricht dagegen? Und welche Alternativen gibt es?

Am 27. Januar hat der Bundesgerichtshof die Klarnamenpflicht auf Facebook gekippt - zumindest für Nutzer, die dort schon vor 2018 ein Konto hatten. Für Facebook ist das eine Niederlage, denn das Netzwerk zählt zu den größten Verfechtern der Klarnamenpflicht.

Facebook: Echte Namen für mehr Zurechenbarkeit

Facebook-Vertreter hatten vor Gericht gesagt: "Wir sind überzeugt, dass Menschen mehr Verantwortung für ihre Aussagen und Handlungen übernehmen, wenn sie ihren echten Namen auf Facebook verwenden."

In den aktuellen Nutzungsbedingungen von Facebook heißt es unter anderem. "Wenn Personen hinter ihren Meinungen und Handlungen stehen, ist unsere Gemeinschaft sicherer und kann stärker zur Rechenschaft gezogen werden."

In der Facebook-Position finden sich die beiden Hauptargumente für eine Klarnamenpflicht wieder: Zum einen soll sie die Hemmschwelle für Hassrede und Mobbing erhöhen. Zum anderen soll sie es den Strafverfolgungsbehörden ermöglichen, Hassrede und andere strafbare Inhalte leichter verfolgen zu können.

Schäuble: Anonymität verleitet zur Hemmungslosigkeit

Für beide Argumente gibt es prominente Befürworter. Vor allem in der CDU - auch wenn man nicht sagen kann, dass die CDU geschlossen für eine Klarnamenpflicht ist.

Im Juni 2019, nachdem Nutzer aus dem rechtsextremen Milieu in sozialen Medien Freude und Häme über den Tod des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke geäußert hatten, sagte die damalige CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer: "Ich möchte wissen, wer hinter solchen Kommentaren steckt".

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zählt zu den bekanntesten Befürwortern einer Klarnamenpflicht. Schäuble zufolge müssten die Regeln und Werte der analogen Welt auch in der digitalen Welt gelten. Im Schutz der Anonymität machten Menschen Dinge, die sie nicht machen würden, wenn sie wüssten, dass sie jemand dabei sieht. Dann würden sie sich nämlich schämen. "Anonymität ist immer die Versuchung zur Hemmungslosigkeit", sagte er 2020 in einem Interview mit der Bild am Sonntag.

Polizeigewerkschafts-Chef: Klarnamenpflicht "kriminalpolitisch richtig"

Auch in der Polizei gibt es Stimmen für die Klarnamenpflicht. So hält der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft Rainer Wendt den Klarnamenszwang bei Social-Media-Angeboten für "kriminalpolitisch richtig". Zwischen Hassbotschaft und Strafbefehl dürfen höchstens drei Wochen liegen, sagte er im Dezember 2021 in einem Interview mit der Bild-Zeitung. Um das durchzusetzen, brauche es 25.000 neue Stellen bei Polizei und Justiz.

Klarnamenpflicht könnte Meinungsfreiheit einschränken

Es gibt auch eine ganze Reihe von Argumenten gegen die Klarnamenpflicht. Eine Zusammenstellung gibt es zum Beispiel auf dem Blog Netzpolitik.org.

Ein besonders häufig genanntes Gegenargument ist die Befürchtung, dass die Klarnamenpflicht die Meinungsfreiheit einschränken würde, da Menschen dann davor zurückscheuen würden, Meinungen zu äußern, die ihnen schaden könnten. Ein oft genanntes Beispiel dafür ist die Kritik am Arbeitgeber. Bürgerrechtler sehen in der Möglichkeit, seine Meinung anonym oder pseudonym äußern zu können, insbesondere in repressiven Regimen einen unverzichtbaren Schutz für Oppositionelle.

Ob Anonymität die Hemmschwelle senkt, ist umstritten

Aber zurück zu den beiden Hauptargumenten für die Klarnamenpflicht. Das eine lautet bekanntlich, dass die Anonymität im Netz eine Enthemmung begünstige und eine Klarnamenpflicht dem entgegenwirken würde.

Ob es bei anonymen Meinungsäußerungen zu einer Enthemmung kommt, darüber gibt es in der wissenschaftlichen Diskussion kein eindeutiges Ergebnis, heißt es in einem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages zur Klarnamenpflicht.

Einige Studien und Aufsätze kommen zu dem Ergebnis, "dass die Anonymität des Internets Nutzer zu Aussagen verleitet, die sie sonst nicht tätigen würden". Denn im Netz würden sie nicht mit den Auswirkungen ihres Handelns auf andere konfrontiert. Die Empathiefähigkeit sei durch die Unsichtbarkeit im Netz erheblich gesenkt. Man kann das mit fehlenden Augenkontakt bei der Kommunikation im realen Leben vergleichen.

Dagegen kommt eine 2016 veröffentlichte Studie des Instituts für Soziologie der Universität Zürich zu dem Ergebnis, dass bei "online firestorms" nicht-anonyme Personen aggressiver sind als anonyme Personen.

Südkorea führte Klarnamenpflicht ein - und schaffte sie wieder ab

Gegner der Klarnamenpflicht verweisen häufig auf das Beispiel Südkorea, wo die Klarnamenpflicht gescheitert sei. Die südkoreanische Regierung führte 2007 eine Identifikationspflicht ein. Wer im Netz mitkommentieren wollte, musste zuerst seine richtigen Daten angeben. Kurz nach Einführung des Gesetzes gingen die Hasskommentare zwar leicht zurück. Bald darauf wurde der Ton aber wieder härter. Dezidierte Schimpfworte wurden zwar weniger verwendet, aber dafür nutzten User andere, kreativere Beleidigungen, wie Netzexpertin Ingrid Brodnig auf ihrem Blog schreibt. Letzten Endes erklärte das südkoreanische Höchstgericht das Gesetz für verfassungswidrig und hob es auf.

Ob es die Strafverfolgung erleichtern würde, wenn es eine generelle Klarnamenpflicht gäbe, könnte man erst untersuchen, wenn sie tatsächlich eingeführt werden sollte.

Identifizierungspflicht als Alternative zur Klarnamenpflicht

Schon jetzt werden aber auch Alternativen zur Klarnamenpflicht diskutiert - auch in der Strafverfolgung. Zum Beispiel die Identifizierungspflicht. Nutzer könnten zwar weiterhin unter Nicknames aktiv sein, müssten aber bei der Registrierung in sozialen Netzwerken ihren richtigen Namen, Anschrift und Geburtsdatum angeben.

Strafverfolgungsbehörden könnten diese im Falle einer Ermittlung beim Betreiber abrufen. Befürworter wie der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (SPD) versprechen sich davon, leichtere und schnellere Ermittlungen, Straftaten könnten effektiver verfolgt werden.

Doch selbst in der SPD gibt es da unterschiedliche Ansichten: Bremens Justizsenatorin Claudia Schilling lehnte den niedersächsischen Vorschlag im Bundesrat als "Klarnamenpflicht durch die Hintertür" ab. Eine Identifizierungspflicht schränke das Recht aller Nutzerinnen und Nutzer auf informationelle Selbstbestimmung ein und sei geeignet, die freie Meinungsäußerung im Internet zu beeinträchtigen.

Login-Falle: Tatverdächtige über die IP-Adresse ermitteln

Ein weiterer Vorschlag, um Täter bei Bedarf identifizieren zu können, ist die so genannte Login-Falle. Damit kann eine Plattform die IP-Adresse eines Tatverdächtigen erfassen und an die Polizei übermitteln. Die Polizei kann mit der IP-Adresse beim zuständigen Telekommunikationsanbieter Namen und Anschrift des Tatverdächtigen ermitteln und dann ein Verfahren einleiten.

Die neue Bundesregierung hat das Konzept der "Login-Falle" in den Koalitionsvertrag aufgenommen und sieht darin ein "grundrechtsschonendes und freiheitsorientiertes Instrument, um die Identifizierung der Täterinnen und Täter zu erreichen".

Allerdings gibt es auch gegen die Login-Falle Einwände. So lässt sie sich zum Beispiel umgehen, wenn jemand einen VPN-Dienst nutzt. Und noch ist sie auch nicht Gesetz. Klar ist: Die Diskussion über die Frage, ob man sich im Netz weiter anonym äußern darf, wird weitergehen.

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