Auf einer längeren Zugfahrt Geschäftliches zu regeln oder auch nur einen Film zu streamen kann ein – nun ja - unerfreuliches Erlebnis sein. Nahtlose Datenverbindungen über einen längeren Zeitraum hinweg sind unterwegs auf der Schiene eher die Ausnahme.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Fragt man bei der Bundesnetzagentur nach, so bekommt man dort eine vielleicht unerwartete Antwort. Es liegt nicht an den Mobilfunkkonzernen – zumindest nicht nur. Die Aufsichtsbehörde verzeichnet inzwischen in Bayern eine Mobilfunk-Netzabdeckung entlang der Gleise durch Telekom, O2 und Vodafone von 98 Prozent.
Bahn blockiert Mobilfunker
Wenn es sich für Zugreisende manchmal eher nach zehn Prozent anfühlt, dann liegt es weniger an den Mobilfunkunternehmen als vielmehr an der Bahn. Die hat in der Vergangenheit häufig einfach nicht mitgespielt, wie der Sprecher der Bundesnetzagentur Fiete Wulff erklärt. So ließ der Konzern die Mobilfunker angeblich nicht in die Tunnel, um dort ebenfalls Sendetechnik aufzustellen. Folge bis heute: Funkabrisse, wenn ein Zug durch eine längere Röhre fahren muss.
Der Handyempfang ließe sich durch sogenannte Repeater - kleine Kästchen im Zuginneren - verstärken. Auch dafür wäre aber die Mitwirkung von Bahnunternehmen nötig, wie es von der Netzagentur heißt. Die Behörde würde gerne mehr Kooperation anordnen, aber dafür fehlen ihr die Kompetenzen. Immerhin hat die Bahn laut Wulff das Problem jetzt erkannt. Sie hat sich mit mehreren Partnern zusammengetan, um das Projekt Internetempfang in den Zügen anzugehen.
Was den Internet-Empfang in Zügen ausbremst
Einer guten Verbindung stehen drei grundsätzliche Probleme im Weg. Zum Ersten sitzen in einem Zug oft so viele Menschen mit Handy, dass die Bandbreite in die Knie geht – die Daten-Kapazität des Handymasten, an dem man gerade vorbeifährt, muss nämlich geteilt werden. Zum Zweiten sind Züge wie Käfige, bestehend aus Stahl und besonders beschichteten Glasscheiben. Beides ist nicht gut durchlässig für Mobilfunksignale. Und Drittens ist man als Reisender oft mit hoher Geschwindigkeit unterwegs, im ICE manchmal sogar mit über 300 Stundenkilometern. Das macht den Handyempfang zur Herausforderung, denn das Signal muss ständig von einem Masten zum nächsten weitergereicht werden.
Die drei Probleme bestanden schon beim alten LTE-Netz. Beim neuen 5G-Standard in seiner superschnellen Gigabit-Variante kommt ein Viertes hinzu: Dieses Netz funkt auf deutlich höheren Frequenzen, wodurch das Signal aus rein physikalischen Gründen nicht so weit reicht. Folge: für einen guten Empfang braucht es deutlich mehr Masten.
Alle vier Hürden versucht die Deutsche Bahn jetzt gemeinsam mit dem Netzwerkausrüster Ericsson, dem Telekommunikationsanbieter O2 Telefónica und dem Funkmastbetreiber Vantage Towers zu überwinden. Seit einem Jahr läuft das Projekt mit dem Namen "Gigabit Innovation Track". Mit von der Partie auch: das Bundesverkehrsministerium, das rund 6,4 Millionen Euro zuschießt.
Neuartige Masten, die sich schnell aufstellen lassen
Nötig sind neue Antennen entlang der Bahnstrecke und zwar viele. Für superschnelles 5G braucht es im Schnitt jeden Kilometer einen Masten. Vantage Towers hat neuartige Funkmasten entwickelt, die sich schnell herstellen und auch aufbauen lassen. Man braucht dafür keine Baustellen mehr, an denen erst ein Betonfundament gegossen wird, um die Antenne zu verankern. Selbst auf schrägen Böschungen lassen sich die neuartigen Masten angeblich problemlos fixieren. Ein Bautrupp kann mehrere Masten an einem Tag aufstellen.
Scheiben werden mit Lasern behandelt
Die vier Partner haben bisher eine 12 Kilometer lange Teststrecke in Mecklenburg-Vorpommern aufgebaut, um zu sehen, wie gut alles klappt. Über die Strecke fährt ein mit Messinstrumenten ausgestatteter ICE als Testzug. In einigen Wagen wurden dabei die Scheiben mit Laser so bearbeitet, dass sie Mobilfunksignale besser durchlassen. Künftig sollen andere Arten von Scheiben, die durchlässiger für Mobilfunksignale sind, in den Zügen verbaut werden. Auch das sogenannte Hand-Over der Signale von einem Masten zum nächsten wird geprüft und verbessert. Das Urproblem soll sich mit 5G ebenfalls sozusagen von alleine lösen: Das neue Mobilfunknetz ist nicht nur superschnell, sondern verfügt auch über eine viel größere Bandbreite. Mehrere hundert Menschen auf einmal mit Internet zu versorgen, ist deshalb zumindest besser möglich.
Die ersten Tests sorgen für Zufriedenheit
Erste Messungen der Datenübertragung sind offenbar so gut ausgefallen, dass man damit jetzt an die Öffentlichkeit geht. Die Ergebnisse würden optimistisch stimmen, heißt es in der Pressemitteilung. Der Speedtest steht allerdings noch aus. In den kommenden Monaten wird der Laborzug erst mit bis zu 140 Stundenkilometer über das Gleis geschickt. Von Tempo 300 ist noch keine Rede. Und wann es soweit ist, dass auf deutschen Bahnstrecken wirklich schnelles 5G verfügbar ist, dazu konnte ein Sprecher von O2 Telefonica auf Anfrage nichts sagen.
Immerhin aber haben alle Partner - inklusive Bahn - jetzt ein gemeinsames Ziel: Die Kundschaft soll in Zukunft unterwegs kommunizieren, arbeiten oder sich beim Kinofilm entspannen können, ganz wie zu Hause. Das wäre in der Tat schön und würde Bahnfahren auf ein ganz neues Erlebnislevel heben.
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