Marie Bauhuber kniet auf dem Waldboden und zeigt auf einen kleinen grauen Kasten: Rote, gelbe, grüne und weiße Kabel bilden darin ein Wirrwarr. Die 35-Jährige holt aus ihrem Werkzeugkasten ein Spezialgerät und beginnt, die losen Enden zu fixieren. Damit hofft sie, das Internet in ihrem Ort wieder zum Laufen zu bringen.
Die Eigentümerin einer Golfanlage ist auf ein funktionierendes Netz angewiesen – allerdings ist das in dem kleinen Weiler bei Rosenheim oftmals nicht der Fall. Deswegen greifen Marie Bauhuber und weitere Bewohner von Patting bei Rosenheim bereits seit fünf Jahren selbst zum Werkzeug.
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Bewohner helfen sich selbst
Wenn ein Baum in die Oberleitung gefallen ist, was relativ oft passiere, müssen die Pattinger reparieren. Aktuell sei die Oberleitung komplett heruntergefallen und liege auf der Straße. Wenn Autos das Kabel ein paar Meter mitnehmen und die Leitung dann wieder tot sei, starte sie wieder los mit dem Werkzeugkasten und richte die Verbindungen. Auch andere Bewohner Pattings können die Leitung inzwischen reparieren.
Marie Bauhuber ist von der Situation genervt. Im Wald zeigt sie ein weiteres Kästchen mit Kabeln, das die Pattinger provisorisch mit einem Eimer zugedeckt haben, wegen der Nässe.
Kaputtes Internet schränkt Leben in Patting ein
Wenn Internet und Telefon nicht funktionieren, spürt Marie Bauhuber das deutlich in ihrem Betrieb: Dann bleibt die Kundschaft aus. Wenn die Golfer nicht vorher online buchen könnten, würde gar keiner kommen. Auch das Bezahlen sei schwierig, denn ohne Internet funktioniere die EC-Kartenzahlung nicht und wer habe schon immer Bargeld dabei? Maria Bauhuber schreibt ihrer Kundschaft Rechnungen heraus, der Betrag muss dann im Anschluss überwiesen werden. Wie umständlich für alle, findet die 35-Jährige.
Irgendwann habe ihr ein Bekannter gezeigt, wie das alles geht mit den Kabeln und schwer sei es eigentlich nicht, sagt die Golfplatz-Betreiberin. Inzwischen seien sie "sehr gut angerichtet", was bedeutet, dass sie werkzeugtechnisch alles haben, um sich in Eigenregie selbst zu helfen.
Wochenlang kein Internet – Telekom kommt nicht
Ob das "selbst Hand anlegen" erlaubt ist, weiß die 35-Jährige nicht. Es bleibe ihr und den Pattingern gar nichts anderes übrig, als den Schaden immer wieder selbst zu beheben, sagt sie. Ansonsten könnte sie ja ihren Laden zusperren. Neun Wochen lang habe man versucht, dass jemand von der Telekom vorbeikomme, um den aktuellen Schaden zu reparieren.
Ihre Nachbarin Margarethe Egger ist ebenfalls erbost. Vor allem bei einem Notfall sei man doch auf das Telefon angewiesen, zumal auch das Handynetz schlecht sei. Egger habe am 23. August erstmals Kontakt zur Telekom aufgenommen, seitdem habe sie mehrere SMS erhalten. Darin heißt es unter anderem, dass das Wetter zu schlecht für die Arbeiten gewesen sei, was Margarethe Egger gar nicht verstehen kann. Seit Wochen habe man doch hier das schönste Wetter, empört sich die Pattingerin.
Telekom reagiert und will bald reparieren
Die Telekom hat auf die Anfrage des Bayerischen Rundfunks reagiert. In einer E-Mail teilt ein Sprecher mit, man habe recherchiert und veranlasst, dass in der Woche ab dem 23. Oktober das Provisorium beseitigt und die Leitung wieder hergestellt wird. Für die Unannehmlichkeiten bitte man die Kunden um Entschuldigung. Dass es hier zu tageweisen Ausfällen gekommen sein soll, habe man aus den Systemen nicht ersehen können. Für Marie Bauhuber sind das gute Nachrichten, sie freut sich. Am 25. Oktober teilt sie dem BR per Mail mit, dass die Leitung nun repariert sei.
Breitbandausbau läuft – auch in Patting
Überdies hinaus hofft Patting auf den Breitbandausbau: Dieser laufe in der Gemeinde Rieding, zu der der Weiler gehört, bereits auf Hochtouren und auch Patting bekomme Glasfaser, verspricht Bürgermeister Christoph Vodermaier. Riedering fördere den Breitbandausbau in der Gemeinde mit einer halben Million Euro. Bis Ende 2024 soll der Ausbau abgeschlossen sein. Das bestätigt auch die Telekom, die für den Ausbau zuständig ist.
Derzeit baut das Unternehmen nach eigenen Angaben in rund 500 Kommunen in Bayern gleichzeitig Glasfaser aus. Kein anderes Bundesland profitiere vom Ausbau so stark wie Bayern, heißt es.
Probleme auch beim Glasfaser-Ausbau in Bayern
Allerdings hat das Land auch einiges aufzuholen: Bei den Funklöchern sei Bayern Spitzenreiter, und bei der Internetversorgung sei Bayern bundesweit auf dem viertletzten Platz, heißt es bei der IHK München und Oberbayern. Und auch wenn der Glasfaserausbau derzeit stark vorangetrieben wird, läuft dabei nicht immer alles rund. Neben den großen Unternehmen wie Deutsche Telekom und Deutsche Glasfaser bieten auch zahlreiche teils kleinere Unternehmen ihre Dienste an. Die wachsende Konkurrenz sorgt dabei für zunehmend aggressive Vertriebsmethoden. Kundinnen und Kunden beschweren sich zunehmend über "Drückerkolonnen", die Glasfaser-Verträge an der Haustür verkaufen wollen. Und wenn die Verträge geschlossen sind, dauert es im Extremfall trotzdem noch viele Monate, bis der Anschluss funktioniert - zum Beispiel wegen Ärgers mit den Bauunternehmen, oft Sub- oder Subsubunternehmen der Glasfaser-Anbieter.
Glasfaserleitung in Patting: Endlich aus dem Weg
Die Bürgerinnen und Bürger in Patting wären trotzdem erstmal froh um einen Glasfaser-Anschluss. Denn der würde bedeuten: Die dicke schwarze Oberleitung, die derzeit auf der Straße im Wald liegt, käme dann in den Boden. Marie Bauhuber fällt dazu nur eins ein: "Das wäre ein Traum."
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Im Audio: Kabelwirrwarr - hier legen die Pattinger manchmal selbst Hand an
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