Der Name Kiwi Farms klingt harmlos, er hat jedoch gar nichts mit dem berühmten Vogel aus Neuseeland zu tun. Im Gegenteil: Mitglieder des Internet Forums machen Menschen, die sie nicht als "normal" empfinden, das Leben schwer: Das können Angehörige der LGBT-Community sein oder Personen, deren Aktivitäten im Netz sie als "cringe" einstufen, als Inhalte zum Fremdschämen wie den bayerischen YouTuber "Drachenlord".
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Kiwi Farms-Mitglieder schicken ihren Opfern die Polizei ins Haus
Das Spektrum der Troll-Aktionen ist weit gefächert: von Spott, über persönliche Attacken auf das Opfer und dessen Freunde und Familie, Doxxing (also das Veröffentlichen von persönlichen Daten wie der Adresse) bis hin zu "Swatting": Dabei wird eine Person einer Straftat, die sie gar nicht begangen hat, beschuldigt und die Polizei alarmiert. Das ist jüngst der transsexuellen kanadischen Twitch-Streamerin Clara Sorrenti passiert. Kiwi Farms-Mitglieder meldeten der Polizei eine angebliche Massenschießerei und brachten Sorrenti damit in Verbindung: Daraufhin stürmte die Polizei Sorrentis Haus und bedrohte sie mit der Waffe. Sorrenti war gezwungen, mehrmals ihren Aufenthaltsort zu wechseln, wurde aber immer wieder von Kiwi Farms-Trollen aufgespürt.
Cloudflare sieht durch Kiwi Farms Gefahr für Menschenleben
Deswegen startete Sorrenti die Online-Kampagne #DropKiwiFarms mit dem Ziel, Kiwi Farms vom Netz zu bekommen. Mit Erfolg. Am Sonntag verkündete der Internet-Infrastruktur-Dienst Cloudflare, dass er ab sofort die Kiwi Farms-Website blockiert.
"Die Rhetorik auf der Kiwi Farms-Website und spezifische, gezielte Drohungen sind in den letzten 48 Stunden so eskaliert, dass wir glauben, dass ein noch nie dagewesener Notfall und eine unmittelbare Bedrohung für Menschenleben vorliegt", begründete Cloudflare-CEO Matthew Prince die Entscheidung auf dem Cloudflare-Blog.
Sinneswandel innerhalb einer Woche
Prince dementierte zwar einen Zusammenhang mit Sorrentis #DropKiwiFarm-Kampagne, sprach aber davon, dass im Zuge der Kampagne auch die Rhetorik auf Kiwi Farms eskaliert sei bis hin zu "unmittelbaren Bedrohungen für menschliches Leben". Man habe zwar auch die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet, das brauche aber seine Zeit. Deswegen habe man sich entschieden, Kiwi Farms zu blockieren. Cloudflare bietet für Kiwi Farms Sicherheitsdienste an, hostet die Website aber nicht. Dennoch ist Kiwi Farms nun nicht mehr aus der Cloudflare-Infrastruktur heraus abrufbar.
Noch vergangene Woche hatte Cloudflare geschrieben, keine Absichten zu haben, Kiwi Farms zu sperren. Doch der Druck auf das Unternehmen nahm in den letzten Tagen zu: Auch wegen einiger Suizide, die durch Attacken aus dem Kiwi Farms-Kosmos ausgelöst worden waren.
Cloudflare-Chef rechnet mit Rückkehr von Kiwi Farms
Prince rechnet damit, dass Kiwi Farms zu einem anderen Dienstleister wechselt und bald wieder online sein wird. So ist es auch gewesen, nachdem Cloudflare 2017 die Neonazi-Seite "The Daily Stormer" und 2019 dann das radikale Imageboard 8chan blockiert hatte.
Kiwi Farms-Gründer gilt als "White Supremacist"
Auch Josh Moon, der Kiwi Farms 2013 unter dem Namen CWCWiki gegründet hat, war einst auf dem bei Anhängern des Verschwörungskultes QAnon beliebten 8chan als Forenadministrator aktiv. Der 29-Jährige gilt als "White Supremacist", eine Form von Rassismus, die Weiße als überlegen ansieht und ihre Vorherrschaft in der Gesellschaft anstrebt. Die Blockade durch Cloudflare soll laut Moon "ohne jede Diskussion" erfolgt sein, wie er auf Telegram schrieb.
Auch Cloudflare-CEO Prince hat erkennbare Bauchschmerzen mit seiner Entscheidung. Die Kiwi Farms-Blockade “löst auf gar keinen Fall das grundlegende Problem”. Damit meint er die Frage, wie mit akuten Fällen von Hassrede umgegangen werden soll. Die Antwort auf diese Frage zu finden, sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.
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