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Das US-Repräsentantenhaus will einen Zwangsverkauf von TikTok erzwingen - und die App andernfalls in den USA verbieten

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TikTok-Bann in den USA: Schachzug im Repräsentantenhaus

Das US-Repräsentantenhaus hat abermals für einen Zwangsverkauf von TikTok gestimmt. Der Vorsitzende Mike Johnson griff zu einem Abstimmungs-Trick, um den App-Bann auch dem Senat schmackhaft zu machen. TikTok ist empört über dieses Manöver.

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Am Samstag hat das US-Repräsentantenhaus zum zweiten Mal für einen Zwangsverkauf von TikTok in den USA gestimmt. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass sich TikTok innerhalb von 270 Tagen von seinem chinesischen Mutterkonzern ByteDance lösen muss. US-Präsident Joe Biden könnte diese Frist um 90 Tage verlängern. Sollte TikTok nicht innerhalb dieser Frist verkauft sein, würde TikTok in den USA verboten werden.

USA verdächtigen TikTok der Spionage

Die TikTok-App müsste dann aus allen App-Stores entfernt werden. Das würde aber nur neue Downloads verhindern. Mehr als 170 Millionen Menschen in den USA haben die App bereits auf ihren Smartphones installiert. Um sie daran zu hindern, TikTok weiterzunutzen, bräuchte es massive Eingriffe ins Internet.

Die insbesondere bei jungen Menschen beliebte Video-App steht unter dem Verdacht, es der kommunistischen Regierung Chinas zu ermöglichen, die 170 Millionen TikTok-Nutzenden in den USA auszuspionieren und zu manipulieren. Das Unternehmen weist dies zurück.

Über den TikTok-Bann wird im Paket mit Militärhilfe abgestimmt

Das Anti-TikTok-Gesetz wurde im Paket mit einer 95 Milliarden-Dollar umfassenden Militärhilfe für die Ukraine, Taiwan und Israel gebilligt. Das gilt als politischer Schachzug von Mike Johnson, dem republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses. Das Kalkül dahinter: Im Verbund mit den Militärhilfen könnte der Senat dem TikTok-Bann eher zustimmen.

Bereits im März hatte das Repräsentantenhaus für das Anti-TikTok-Gesetz gestimmt. Aus dem US-Senat waren damals kritische Stimmen zu hören: Manche Senatoren hatten Bedenken geäußert, ob ein erzwungener Verkauf oder ein Verbot verfassungsgemäß wären. Der Senat hatte damals nicht über das Gesetz abgestimmt, nun wird aber damit gerechnet, dass der Senat schon sehr bald, möglicherweise noch diese Woche über das Gesetz abstimmt.

TikTok: Recht auf Meinungsfreiheit wird mit Füßen getreten

TikTok kritisierte diesen Schachzug auf X: "Es ist bedauerlich, dass das Repräsentantenhaus wichtige außenpolitische und humanitäre Hilfe als Deckmantel benutzt, um ein Gesetz durchzusetzen, das das Recht auf Meinungsfreiheit von 170 Millionen Amerikanern mit Füßen tritt." Mit der Schließung der Plattform würden sieben Millionen Unternehmen vernichtet, die jährlich 24 Milliarden Dollar zur US-Wirtschaft beitragen würden. TikTok-Chef Shou Chew will sich gegen das Gesetz wehren. Das Unternehmen werde alles Mögliche unternehmen und rechtliche Mittel einsetzen, um die Plattform zu verteidigen, sagte er.

Beobachter rechnen mit Klagen gegen das Gesetz

Dass ein Zwangsverkauf oder ein Verbot gegen das in der US-Verfassung garantierte Recht auf Meinungsfreiheit verstoßen könnte, sehen auch einige US-Senatoren und Beobachter so.

Wenn das Gesetz verabschiedet werden sollte, rechnen Beobachter mit Klagen dagegen. Schon frühere TikTok-Verbotsversuche scheiterten vor Gericht: einmal im Bundesstaat Montana. Bundesrichter kassierten 2020 den Versuch des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, TikTok per Dekret zu blockieren.

TikTok-Bann wird vermutlich Wahlkampfthema in den USA

Trump, der im November wieder für das Amt des US-Präsidenten kandidiert, ist inzwischen von den Verbotsforderungen abgerückt. TikTok sei ein wichtiges Gegengewicht zu Facebook, das er als einen "Feind des Volkes" betrachte, sagte der Ex-Präsident in einem Interview. Es gilt als wahrscheinlich, dass das TikTok-Verbot zu einem Wahlkampfthema wird. Im Gegensatz zu Trump hat US-Präsident Biden seit Februar einen TikTok-Account – und das, obwohl er als Befürworter des Anti-TikTok-Gesetzes gilt und ankündigte, das Gesetz umgehend zu unterzeichnen für den Fall, dass auch der Senat zustimmt.

Das zeigt das TikTok-Dilemma für US-Politiker: Weil es dort 170 Millionen Nutzende gibt, viele davon unter 30 Jahren, ist TikTok ein wichtiger Kanal, um junge Wählerinnen und Wähler zu erreichen. Auf der anderen Seite gibt es die politischen Bedenken: neben Spionage werfen US-Politiker TikTok vor, gezielt Falschinformationen zu verbreiten oder China-kritische Nachrichten zu zensieren.

Bundeskanzler Scholz ist seit April auf TikTok

Parallelen gibt es in Deutschland: Bundeskanzler Olaf Scholz startete vor wenigen Wochen einen eigenen TikTok-Kanal. Noch Ende 2022 hatte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann erklärt, TikTok sei "nicht ein geeigneter Kanal für einen Bundeskanzler-Account".

Doch auch in Deutschland mehren sich die Bedenken. TikTok sei "eine Gefahr für unsere Demokratie" und ein wichtiges Instrument der hybriden Kriegsführung Chinas und Russlands, sagte der Vize-Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestags, Roderich Kiesewetter (CDU), im März. Falls eine schärfere Regulierung nicht effizient umsetzbar sei, halte er die Überlegung für ein grundsätzliches Verbot von TikTok für nötig, so Kiesewetter.

In den USA sind diese Überlegungen schon sehr viel weiter gediehen. Ob der Zwangsverkauf oder das Verbot kommen, darüber muss als nächstes der US-Senat befinden.

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