Eines haben Elon Musk und Donald Trump gemeinsam: Sie polarisieren. Musk durch die Art, wie er Twitter umkrempelt, Trump durch seinen Politik-Stil. Wie sehr beides zutrifft, zeigt sich auch am Wochenende: Der neue Twitter-Chef Elon Musk startete eine Umfrage, ob der Account des früheren US-Präsidenten Donald Trump reaktiviert werden sollte.
Die Reaktivierung von Trumps Account ist eine der sensibelsten Entscheidungen, die Twitter zu treffen hat - und eigentlich sollten solche Entscheidungen über ein neues Gremium zur Inhalts-Moderation laufen, das Musk am 28. Oktober angekündigt hatte.
Doch drei Wochen später wollte Musk nichts mehr davon wissen, sondern ließ einfach die Twitter-Nutzenden darüber abstimmen. 15 Millionen Twitterer beteiligten sich von Samstag auf Sonntag an der Umfrage : 51,8 Prozent der Teilnehmenden waren dafür, Trumps Account wieder freizuschalten, 48,2 Prozent dagegen. Das knappe Ergebnis zeigt, wie sehr Trump auch fast zwei Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Weißen Haus noch immer polarisiert.
Musk kommentierte das Umfrageergebnis auf Twitter mit den lateinischen Worten: "Vox Populi, vox dei", was so viel wie "Die Stimme des Volkes ist wie die Stimme Gottes" bedeutet.
Bürgerrechtler zu Musk: "Ihre Müll-Umfrage bedeutet nichts"
Es gab viele empörte Reaktionen auf die Entscheidung - und die Art, wie sie zustande gekommen ist. So wandte sich der Präsident der Schwarzen Bürgerrechtsorganisation NAACP Derrick Johnson auf Twitter direkt an Elon Musk: "Sie schaden unserer Demokratie. Ihre Müll-Umfrage bedeutet nichts. Haben Menschen außerhalb der USA gewählt? " Musks Anhänger würden nicht Amerika repräsentieren: "Wenn Sie Twitter so betreiben, dann helfe uns Gott".
Trump war bei Twitter nach dem Sturm auf das US-Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 gesperrt worden. Die Entscheidung, Trumps Account zu reaktivieren, erfolgte nur fünf Tage, nachdem Trump, seine Absicht bekundet hat, 2024 wieder als US-Präsident kandidieren zu wollen. Also in dem vollen Wissen, dass Trump seinen Twitter-Account vermutlich als Wahlkampfinstrument einsetzen würde. Jahrelang war Twitter Trumps wichtigste und reichweitenstärkste Plattform gewesen.
Trump: Sehe keinen Grund zu Twitter zurückzukehren
Seit Elon Musk Twitter übernommen hat, ist Trump schon mehrmals gefragt worden, ob er auf Twitter zurückkehren wolle. Auch wenn er die Übernahme durch Musk begrüßte, sagte er bislang stets, er plane keine Rückkehr. So auch am Wochenende: Bei einer Rede an die Jewish Republican Coalition sagte Trump, seine eigens gegründete Plattform "Truth Social" sei sehr mächtig, sehr stark, er werde dort bleiben. Er habe von der Umfrage gehört, sehe aber keinen Grund, zu Twitter zurückzukehren.
Der Politikjournalist Jonathan Swan sagte bei CNN, er glaube nicht, dass Trump Twitter lange widerstehen könnte: "Er sagt öffentlich, er will nicht, aber fast jeder, mit dem ich gesprochen habe, glaubt, dass er es doch tun wird, wenn er glaubt, dass es ihm nützlich sein wird.”
Musk sieht reaktivierten Account als Versuchung für Trump
Und offenbar sieht auch Elon Musk den reaktivierten Twitter-Account als Versuchung für Donald Trump an. Am Sonntag postete er eine Zeichnung, auf der ein Geistlicher mit geschlossenen Augen neben einer Frau mit entblößtem Hinterteil zu sehen ist und kommentierte das mit den Worten “Und führe uns nicht in Versuchung”.
Die Versuchung könnte für Trump allein schon in der Reichweite liegen. Sein reaktivierter Twitter-Account hat mehr als 87 Millionen Follower, auf seinem eigenen Netzwerk "Truth Social" sind es nur rund vier Millionen.
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Auch Rapper Kanye West darf wieder twittern
Auch der umstrittene Rapper Kanye West alias Ye darf wieder twittern. "Test, Test, ich schaue, ob mein Twitter wieder entsperrt ist", schrieb West am Sonntag. Musk kommentierte das mit den Worten "Töte nicht, was Du hasst. Rette, was Du liebst". Wests Account war am 4. November wegen eines antisemitischen Tweets gesperrt worden. Das Gleiche war ihm bereits im Oktober passiert - noch vor der Übernahme Twitters durch Musk.
Der neue Twitter-Chef gilt als expliziter Anhänger freier Meinungsäußerung, so lange sie nicht gegen Gesetze verstößt. Die Entscheidungen, die Accounts von Trump und West zu reaktivieren, müssen vor diesem Hintergrund gesehen werden.
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