Amateursportler Jens bereitet sich gerade für einen Ironman vor. Dazu gehört für ihn auch ein Mittel, das er ganz selbstverständlich im Kühlschrank lagert: Erythropoetin, kurz Epo. Ein Mittel, bekannt durch prominente Dopingfälle wie dem des ehemaligen Radsportlers Jan Ullrich.
"Warum starte ich mit einem Nachteil, wohingegen alle anderen Profisportler bis zum Limit mit Epo oder mit anderen Methoden ihr Blut optimieren?", rechtfertigt Jens sein Doping. Er habe schlechte Blutwerte, die er auf Normalniveau bringen will, nur um Chancengleichheit herzustellen.
Eigentlich heißt Jens anders. Er hat sich auf eine Recherche des BR gemeldet und war unter der Bedingung, anonym zu bleiben, bereit, vor der Kamera über sein Doping zu sprechen. Er ist Ende 50 und seit Jahren aktiver Amateursportler. Das Epo verschreibt ihm ein befreundeter Arzt. Medizinisch notwendig ist das alles nicht.
Verbotene Dopingmittel in Online-Shops
Wenn Amateursportler an leistungssteigernde Substanzen kommen wollen, brauchen sie aber nicht unbedingt einen Mediziner im Freundeskreis. In der Regel reicht schon eine einfache Google-Suche. Im Zuge der Recherche finden wir zahlreiche Onlineshops, die Workout-Booster mit DMAA (Dimethylamylamin) anbieten.
Diese Booster versprechen eine intensivere Trainingsleistung und dadurch einen gesteigerten Trainingseffekt. Jedoch ist DMAA in Europa seit Jahren als Stoff in Nahrungsergänzungsmitteln verboten. Die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) führt DMAA zusätzlich in den im Wettkampf verbotenen Stimulanzien. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) warnt vor Produkten mit DMAA. Sogar zu Todesfällen sei es wegen der Blutdruck steigernden Wirkung bereits gekommen.
Dennoch schickt uns ein Online-Shop mit deutschem Impressum unaufgefordert ein Probierpäckchen eines DMAA-Boosters. Auf Nachfrage heißt es: "Die von Ihnen angesprochenen Proben mit DMAA-Inhalt sollten als Reklamation an unseren Lieferanten zurückgehen, wurden aber versehentlich in einem Paket vermischt und in die von Ihnen getätigte Bestellung beigelegt."
Doping im Amateursport: keine Einzelfälle
Die BR-Recherche zeigt: Doping ist im Amateursport keine Seltenheit. Um zu belegen, wie viele Hobbysportler so ihre Leistung optimieren, kooperieren wir mit der Universitätsmedizin Mainz. Dopingexperte Professor Pavel Dietz erstellt für uns einen Fragebogen, der anonymisiert abfragt, ob Sportler in den letzten zwölf Monaten leistungssteigernde Substanzen genommen haben.
Diesen Fragebogen verteilen wir beim Challenge Roth, einem der größten Triathlon-Events der Welt. Im Gespräch vor Ort ist Renndirektor Felix Walchshöfer optimistisch: "Also ich wäre tatsächlich überrascht, wenn da herauskommen würde, dass unsere Altersklassenathleten illegale Substanzen nehmen."
Erschreckende Zahlen beim Kult-Triathlon Challenge Roth
Während des Challenge Roth füllen knapp 800 Amateursportler den Fragebogen aus. Mehr als genug, um ein statistisch valides Ergebnis zu berechnen. In Mainz wertet Professor Dietz das Ergebnis aus. Elf Prozent der Amateure haben angegeben, dass sie in den letzten zwölf Monaten gedopt haben. Das sind hochgerechnet rund 500 Athleten und damit 500 mehr als Renndirektor Walchshöfer erwartet hat.
Walchshöfer will der deutschen Anti-Doping-Agentur NADA das Ergebnis vorlegen. Die hat zwar beim Challenge Roth 14 Kontrollen durchgeführt, davon aber lediglich vier bei Amateursportlern - vier bei über 5.000 Teilnehmenden.
So haben wir gefragt
Die konkrete Frage lautete: "Haben Sie zur Steigerung Ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit in den letzten zwölf Monaten Substanzen eingenommen, die es nur in der Apotheke, beim Arzt oder auf dem Schwarzmarkt gibt (z.B. Anabole Steroidhormone, EPO, Wachstumshormone, Aufputschmittel)?"
Der Fragebogen wurde so auch schon für eine Studie 2011 eingesetzt, dabei wurden knapp 3.000 Triathletinnen und Triathleten beim Ironman in Regensburg, Frankfurt und Wiesbaden befragt. Damals gaben 13 Prozent der Befragten Doping zu.
Kontrollen schrecken Doper nicht ab
Epo-Doper Jens erzählt uns, dass er wegen solch geringer Quoten keine Dopingkontrollen fürchtet. Er setzt sich vor unseren Augen die erste seiner sechs Epo-Spritzen. Das Epo regt im Knochenmark die Bildung roter Blutkörperchen an, wodurch das Blut mehr Sauerstoff transportieren kann.
Gleichzeitig verdickt das Blut - gerade bei älteren Sportlern wie Jens ein erhebliches Herzinfarktrisiko. Ein Risiko, mit dem sich Jens bisher nie wirklich auseinandergesetzt hat. Er hat sein Blut nach der Epo-Kur nie untersuchen lassen, weiß nicht, wie sehr sein Blut tatsächlich verdickt. Immerhin das will er nach unsere Recherche kontrollieren.
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