Johannes Lochner hat vier der sechs Weltcup-Rennen in dieser Saison gewonnen und geht als Top-Favorit in die Bob-WM in Winterberg. Doch die Vorbereitungen auf das Wochenende laufen anders, als es der Weltklasse-Athlet geplant hatte: Statt mit seinen Kollegen zu trainieren, musste der 33-Jährige in den vergangenen Tagen zum Rehabilitationstraining und zur Physiotherapie.
Lochner war im Training vor dem Bob-Weltcup in Altenberg zu Sturz gekommen. Der Zweierbob-Weltmeister kam glimpflich davon, sein Anschieber Erec Bruckert verbrachte mit einer leichten Gehirnerschütterung eine Nacht im Krankenhaus. Der Unfall steckt ihm noch in den Knochen, doch der Berchtesgadener sagt im Exklusiv-Interview mit BR24Sport: "Ich bin auf einem guten Weg."
"Das war ein Sturz, den habe ich überhaupt nicht kommen sehen", schildert Lochner den Vorfall. "Normalerweise, wenn du merkst, dass du falsch bist, kannst du noch reagieren und es etwas korrigieren. So war es in dem Fall aber nicht." Lochner habe ein paar Sekunden gebraucht, um zu realisieren: "Oh kacke, wir liegen jetzt."
"Komplett dem Eis ausgeliefert"
Noch schlimmer erwischte es den Schweizer Bob, der an der gleichen unteren schwierigen Passage wie Lochner stürzte. Anschieber Sandro Michel wurde aus dem Bob geschleudert und musste später mit einem Hubschrauber in die Dresdner Uniklinik geflogen werden. Er zog sich Verletzungen am Brustkorb sowie im Becken- und Oberschenkelbereich zu, die operiert werden mussten.
In der Eisbahn zu stürzen, fühle sich ähnlich an wie ein Autounfall, erzählt Lochner, "nur, dass ein Autounfall meistens nach dem Einschlag vorbei ist. Bei uns geht’s, wenn’s blöd kommt, eine Minute lang." In der Zeit sei man dem Eis komplett ausgeliefert, müsse im Bob bleiben, sich verstecken, sich möglichst klein machen. "Du bist da echt in einem kleinen Überlebenskampf, dass du so klein wie möglich in dem Bob bleibst und irgendwie nicht mit irgendeinem Körperteil aufs Eis kommst", so Lochner.
Ziel: Titelverteidigung
Wieder in den Kanal zu gehen, die Szenen des Sturzes aus dem Kopf zu bekommen, sei für ihn mental kein Problem: "Das musst du einfach ausblenden, weil wenn du das nicht kannst, ist es auch Zeit, dass du gar keinen Leistungssport mehr machst, weil du das Vertrauen zu dir selber verlierst."
Für die anstehende WM hat der Bayer große Ziele: Der amtierende Zweierbob-Weltmeister will seinen Titel verteidigen und "im Vierer ist das Mindestziel eine Medaille, aber eigentlich will ich da auch Gold." Sein größter Gegner: Francesco Friedrich. Die Dauerrivalen lieferten sich über die Saison hinweg Hundertstel-Krimis und auch die WM verspricht - sofern Lochner starten wird - spannende Duelle.
Auf Biegen und Brechen zu starten, nur um seine Karriere mit einem weiteren Edelmetall zu krönen, das komme für Lochner jedoch nicht in Frage: "Ich würde nicht einsteigen, wenn ich Zweifel hätte. Selbst wenn die Ampel schon grün ist, müsste ich dann halt sagen 'Ne, es geht nicht'", sagt er.
Auf die Frage, wie es mit seiner Bob-Zukunft aussieht, sagt Lochner: "Es kommt drauf an, wie jetzt die WM läuft, ob wir das nächstes Jahr nochmal machen. Aber bis jetzt schaut es ja ganz gut aus, dass wir das aus eigener Kraft gewinnen können. Und dann kann ich mir auch vorstellen, dass das noch länger so geht."
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