Harry Kane beim Pflichtspieldebüt mit dem FC Bayern
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Harry Kane beim Pflichtspieldebüt mit dem FC Bayern

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Teamcheck: Der FC Bayern nach dem Kane-Transfer

Mit Harry Kane hat der FC Bayern den Grundstein für den Kader-Umbruch gelegt. Mit dem Mittelstürmer haben die Münchner wieder einen Anker in ihrem Spiel. Doch kurz vor Saisonbeginn sind noch viele Baustellen offen.

Über dieses Thema berichtet: BR24Sport am .

Beim Debüt hat noch nicht richtig viel zusammengepasst. Unter Ovationen betrat Harry Kane beim Super-Cup-Duell gegen RB Leipzig den Rasen der Münchner Arena zum ersten Mal offiziell als FC-Bayern-Spieler. 27 Minuten lang mühte sich der kostspielige Neuzugang ab, wurde allerdings von seinen Mitspielern nicht wirklich mit guten Pässen gefüttert und konnte auch seine Spielmacher-Qualitäten nicht unter Beweis stellen.

Kane spielt immer

In der Pressekonferenz nach der 0:3-Niederlage erdreistete sich ein Journalist, Thomas Tuchel die Frage zu stellen, ob Kane erstmal aufgebaut werde und die Mannschaft noch kennenlernen müsse. "Was für Aufbau?", lautete die gereizte Antwort Tuchels. "Wir müssen ihn kennenlernen, nicht er uns. Er ist unsere Nummer neun. Er spielt. Jedes Spiel."

Die Stimmung des Trainers des FC Bayern München war nach der herben Niederlage ohnehin nicht gut. Doch an Tuchels ungläubiger Reaktion zeigt sich schon sehr deutlich: Kane ist ab Tag eins ein absoluter Schlüsselspieler. Er ist der Grundstein für eine erfolgreiche Saison, die wichtigste Korrektur in der Kaderplanung. Nach der turbulenten Saison des FC Bayern München deutete nicht nur Trainer Thomas Tuchel mehrfach an, dass er mit der Zusammensetzung seines Kaders unzufrieden sei. Trotz der polternden Pressekonferenz dürfte er nach dem Kane-Transfer ein ganzes Stück entspannter auf die kommende Spielzeit schauen, die mit dem Auswärtsspiel bei Werder Bremen beginnt (Freitag, 18. August, ab 20.30 Uhr live in der Radioreportage).

Harry Kane - der vermisste Lewandowski-Nachfolger

Denn mit Kane bekommt der FC Bayern das, was er vor gut einem Jahr in Robert Lewandowski verloren hat. Der englische Nationalspieler ist ein absoluter Topstürmer: Innerhalb des Sechzehners ist er schwer zu bewachen und absolut zielsicher. Eine Qualität, die den Münchnern in der vergangenen Saison wohl das ein oder andere Spiel gerettet hätte. Doch vor allen Dingen außerhalb des Strafraums besitzt er die Qualitäten, die man im Münchner Spiel in der vergangenen Saison so sehr vermisst hat. Kane ist ein mitspielender Stürmer. Er lässt sich tief fallen, hat ein überragendes Spielverständnis, ein gutes Auge für freie Mitspieler und die spielerischen Fähigkeiten, diese auch mit einem Pass zu finden. Bei Tottenham nahm er den Ball häufig noch im Mittelfeld auf und schlug lange, präzise Pässe auf seine Mitspieler und öffnete so auch selbst den Weg zum Tor.

Ein neuer Fixstern für den FC-Bayern-Angriff

Ausgenommen von Eric Maxim Choupo-Moting und Mathys Tel, den direkten Konkurrenten auf der Stürmerposition, wird wohl jeder FC-Bayern-Spieler unmittelbar von Kanes Ankunft profitieren. Die gegnerischen Verteidigungen werden sich nur selten den Luxus erlauben, nicht mindestens einen Spieler als designierten Kane-Bewacher auf das Feld zu schicken. Jeder Laufweg des Mittelstürmers wird zumindest für einen kleinen Moment für Verunsicherung sorgen, was besonders "Raumdeuter" Thomas Müller und den schnellen Außenspielern mit Drang zum Tor deutlich mehr Freiheiten auf dem Feld geben wird, als es in der vergangenen Saison der Fall war, als Choupo-Moting sich meist im generischen Strafraum aufgehalten und außerhalb nur selten zu spielerischen Lösungen beigetragen hatte.

Auch die zentralen Mittelfeldspieler um Joshua Kimmich dürften sich über einen Angreifer mit hervorragender Technik und starken Laufwegen, der gierig auf die Chipbälle aus dem Halbraum wartet, freuen. Für Thomas Tuchel, der in der vergangenen Saison immer wieder Positionierung und Laufwege im Offensiv-Verhalten kritisiert hatte, wird der Kane-Transfer ein Schlüssel für die Umstrukturierung des Angriffsspiels werden. Ob er auch mit Kane, wie im Vorjahr, deutlich mehr auf Flügelspieler setzt als sein Vorgänger Julian Nagelsmann, bleibt abzuwarten. Dennoch wird Kane mit seiner Ankunft der Fixstern in den Attacken der Münchner sein.

Kane behebt viele Probleme - aber nicht alle

Viele Sorgen aus der vergangenen Saison wird Kane tatsächlich beheben können. Doch alle Probleme der Münchner Kaderplaner wird auch dieser 100-Millionen-Euro-Transfer nicht lösen. Wenige Tage vor Bundesliga-Start suchen die Münchner noch immer verzweifelt nach einem Neuer-Vertreter oder gar -Nachfolger, sollte sich die Heilung des Stammtorhüters noch weiter verkomplizieren.

Auch auf der Rechtsverteidigerposition wird nach der Absage von Wunschspieler Kyle Walker weiter fieberhaft nach einer Verstärkung gesucht. Noussair Mazraoui hat es bislang nicht geschafft, Tuchel von sich restlos zu überzeugen. Auch Josip Stanisic traut man in München nicht zu, über die Rolle des soliden Back-ups herauszuwachsen. Benjamin Pavard soll nach seinem Wechselwunsch ungemütlicher werden und sich zunehmend weigern, auf der ungeliebten Postion rechts im Abwehrverbund aufzulaufen. Er sieht sich ausschließlich als Innenverteidiger.

Tuchels Wunsch: Kommt noch ein neuer Sechser?

Sollten die Münchner den Franzosen tatsächlich noch verkaufen, hätten sie wohl auch in der Abwehrzentrale Nachholbedarf, denn mit nur drei nominellen Innenverteidigern wird der FC Bayern wohl kaum Jagd auf Titel in drei verschiedenen Wettbewerben machen. Und Tuchels zweiter großer Wunsch ist ebenfalls noch offen: ein echter Sechser. Tuchel sieht sein Team als zu konteranfällig an und ärgerte sich wiederholt über leichte Fehler des Abwehrverbundes. Das soll nicht nur Innenverteidiger-Neuzugang Min-jae Kim beheben, sondern auch am liebsten ein Zweikampf- und spielstarker Defensivspezialist im Mittelfeld.

Weder Leon Goretzka noch Konrad Laimer oder Ryan Gravenberch traut er diese Rolle vollumfänglich zu. Und auch Raphael Guerreiro, den Tuchel schon als möglichen Sechser-Kandidaten nannte, ist die Wunschlösung des Trainers. Ein Mann wie Javi Martínez soll wieder her. Ein unermüdlicher, uneitler Arbeiter mit einem hervorragenden Blick für gegnerische Angriffe - und bestenfalls mit einer Kämpfer-Mentalität, die eine verunsicherte Mannschaft in einer schwierigen Situation wachrütteln kann.

Doch konkrete Gespräche und Wunschspieler scheint es derzeit nicht zu geben, seitdem Wunschspieler Declan Rice zum FC Arsenal gewechselt ist. Casemiro scheint glücklich in Manchester zu sein, Rodri ebenfalls beim Stadtrivalen, Fabinho zog es jüngst nach Saudi-Arabien - und der FC Chelsea kaufte gleich doppelt auf dieser Position ein und gab für Moisés Caicedo und Enzo Fernández binnen eines halben Jahres circa 240 Millionen Euro aus. Ein Indiz dafür, dass der komplizierte Transfersommer für den FC Bayern noch lange nicht vorbei ist.

Wie wirkt sich Kane auf die Teamchemie aus?

Es wäre nicht die größte Überraschung, wenn die Führungsriege sich entscheiden würde, zumindest bis zum Winter auf die vorhandenen Spieler zu setzen, um zu testen, ob das Konstrukt nicht doch stabil genug ist. Schließlich würde der FC Bayern nicht nur eine Menge Geld sparen, wenn man nicht unter Zeitdruck einen neuen Mittelfeldspieler von internationalem Format verpflichten muss. Es würde vielleicht auch der Teamchemie ganz guttun, wenn ein geschätzter Kollege wie Goretzka seine Rolle im Team nicht gänzlich verliert. Denn klar ist nicht, wie die Mannschaft den neuen Star menschlich aufnehmen wird. Zwar gilt Kane als absoluter Musterprofi und hat von Thomas Müller, traditionell das Gute-Laune-Begrüßungskomitee von hochdekorierten Star-Verpflichtungen, schon eine Einladung zum Golfspielen bekommen. Doch ein Neuzugang als Spitzenverdiener ist eben nicht immer gerne gesehen.

Zumal die Stimmung in der Kabine des FC Bayern München nach den jüngsten Äußerungen ihres Trainers ohnehin nicht allzu gut sein dürfte. Sollte kein Kane direkt einschlagen und seinen Ansprüchen ("Ich werde hier ein Führungsspieler sein") auch Taten folgen lassen, dürfte sich auch das Problem mit der Teamchemie von selbst ein wenig entspannen. Denn eines ist in München noch immer wichtiger als alles andere: Der Erfolg.

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