Eigentlich sah alles gut aus. Das neue Arbeitspapier zwischen dem FC Bayern München und Alphonso Davies war schon weitestgehend ausgearbeitet. Nur noch kleinere Absprachen und die finale Unterschrift des hoch veranlagten Linksverteidigers fehlten unter einem Vertrag, den Davies wohl bis 2028 an den FC Bayern gebunden hätte. Doch dann begannen die Chaos-Tage beim FC Bayern. Die Entlassung von Sportvorstand Hasan Salihamidžić, der die Verhandlungen geführt hatte, machten dieses Vorhaben zunichte.
Real Madrid vor Einigung mit Davies?
So erzählte zumindest Davies-Berater Nick Huoseh im Mai die Geschichte: "Wir hatten bisher viele gute Gespräche mit Hasan Salihamidžić. Wir waren fast am Ziel. Doch dann bin ich aufgewacht, habe die Nachrichten erhalten, dass alle weg sind bei Bayern", sagte er. Seitdem gibt es kaum Fortschritte. Diese und weitere öffentliche Äußerungen des Beraters wirkten wie Tropfen frischen Blutes im Haifischbecken des europäischen Spitzenfußballs. Und so nahmen die Raubtiere Witterung auf. Insbesondere das wohl größte Exemplar, das existiert: Real Madrid.
Erst lauernd näherten sich die Heerscharen um Real-Präsident Florentino Pérez an den Spieler an. Vereinzelte Gerüchte kamen auf, von einem Interesse war die Rede. Doch je mehr Zeit ins Land strich, desto konkreter wurden die Berichte der spanischen "Marca", der "AS" und anderen Madrid-nahen Medien, dass es Gespräche geben und diese positiv verlaufen würden. Von der Säbener Straße hörte man kaum Neues. Nun heißt es: Madrid habe zugeschnappt. Eine Einigung mit dem Spieler sei getroffen, spätestens 2025 wolle er zu Real Madrid wechseln. Auch in deutschen Medien wird über eine solche Einigung berichtet, bestätigt ist aber noch nichts.
Kroos und Alaba: Zweimal verlor der FC Bayern das Tauziehen mit Real
Das Vorgehen erinnert an zwei prominente Präzedenzfälle. 2012 spielte ein junger Mittelfeldspieler im Santiago Bernabéu, der Heimstädte Real Madrids, Pässe derart präzise durch das Mittelfeld des FC Bayern, dass er sogleich auf der Wunschliste der "Blancos" landete. Auch bei Toni Kroos begannen die Avancen Madrids langsam und wurden schnell konkreter. Als in München - ähnlich wie bei Davies - die Gehaltsforderungen von Kroos als zu hoch erachtet wurden, stockten die Gespräche mit dem FC Bayern. Und Madrid nutzte die Gelegenheit. Weil man Kroos nicht ablösefrei verlieren wollte, wechselte er 2014, ein Jahr vor Vertragsende nach München für 25 Millionen Euro.
In jüngerer Vergangenheit war es David Alaba, dessen Vertrag auszulaufen drohte. Zu den - in den Augen des FC Bayern - überzogenen Gehaltsforderungen, kam Alabas Wunsch, im zentralen Mittelfeld aufzulaufen. Mit dem Champions-League-Sieg im Rücken und dem Status des Publikumslieblings, wähnten sich die Münchner in Sicherheit, im letzten Vertragsjahr doch noch irgendwie eine Einigung mit dem Österreicher zu erzielen. Vergeblich. Real Madrid hatte sich schon längst herangepirscht und einen Deal mit Alaba abgewickelt. Ablösefrei wechselte Alaba 2021 in die spanische Hauptstadt.
Ablösefreier Abgang? "Möchte kein Klub", sagt Eberl
In welche Richtung es mit Davies gehen wird, ist aktuell unsicher. Beim FC Bayern gibt man sich derzeit noch zuversichtlich, den Spieler zu halten. Zuletzt bestätigte Jan-Christian Dreesen, dass es kürzlich Gespräche zwischen dem FC Bayern und Berater Huoseh gab. Der neue Sportvorstand Max Eberl soll nach seiner Ankunft diese Gespräche nun übernehmen. Doch geht es nach ihm, wird es auf keinen Fall einen zweiten Fall Alaba geben: "Spieler ablösefrei zu verlieren, möchte kein Klub. Das möchte auch der FC Bayern nicht. Wenn man wirklich keine Verlängerung erreichen könnte, müsste man vorher natürlich agieren."
Eine Aussage, die auch im Hinblick auf die 2025 auslaufenden Verträge von Joshua Kimmich und Leon Goretzka aufhorchen lässt. Der FC Bayern möchte nicht noch einmal auf viel Geld verzichten, das ist klar. Doch am liebsten möchte man mit Davies verlängern. Schließlich sind junge Außenverteidiger mit großer Erfahrung und viel Drang in die Offensive das vielleicht rarste Gut im Fußball.
Alphonso Davies: Offensiv europäische Spitzenklasse
Zwar tritt Davies seit gut einem Jahr speziell in der Defensive nicht mehr so sicher, so dominant auf wie in seinen ersten beiden Jahren in München und leistet sich, ähnlich wie seine Verteidigerkollegen, immer wieder folgenschwere Patzer. Doch besonders in der Vorwärtsbewegung ist Davies eine Ausnahmeerscheinung. Laut Opta-Daten gehört der 23-jährige Kanadier dort zur absoluten Weltspitze: Seine Passquote (87,7 Prozent) war im vergangenen Jahr besser als die von 97 Prozent der Verteidiger aus Europas fünf Topligen. Kaum einer macht mit dem Ball am Fuß so viel Raum gut (98 Perzentil), mit 3,17 gewonnen Offensivzweikämpfen pro 90 Minuten ist er einsame Spitze.
Kein Wunder, dass Real Madrid bereit sein soll, bis zu 50 Millionen Euro auszugeben, um Davies schon im kommenden Sommer in die spanische Hauptstadt zu lotsen. Der FC Bayern wird dennoch viel versuchen, um Davies zu halten. Würde man den Kanadier verlieren, würde der Umbruch im Kader noch größer werden. Und erst recht, wenn die Vertragsgespräche von Goretzka und Kimmich ähnlich verlaufen würden. Max Eberls Aufgabenliste mag zwar nur eine "Din-A-5-Seite lang sein", wie der neue Sportvorstand bei seiner Vorstellung sagte, doch jeder einzelne Punkt darauf ist von großer Bedeutung für die Zukunft seines neuen Arbeitgebers.
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