Dass nach den Absagen von Xabi Alonso, Julian Nagelsmann, Ralf Rangnick und zuletzt Oliver Glasner der Trainermarkt langsam aber sicher abgegrast ist, zu dieser Erkenntnis sind offensichtlich nun auch die Verantwortlichen des FC Bayern gekommen. Glaubt man übereinstimmenden Medienberichten haben sich die Münchner intern geeinigt, doch die Rolle rückwärts zu machen und Trainer Thomas Tuchel von einem Verbleib zu überzeugen.
Spieler sprechen sich für Tuchel aus
Eigentlich hatte man im Februar dieses Jahres die vorzeitige Trennung zum Sommer beschlossen, doch diese könnte nun rückgängig gemacht werden. Ausschlaggebend für die Kehrtwende sollen demnach die jüngsten Leistungen des FCB um Trainer Tuchel in der Champions League gewesen sein. Und: Auch die Spieler sollen hinter Tuchel stehen. Laut Medienberichten soll eine Delegation um Thomas Müller und Manuel Neuer bei den Bayern-Bossen vorstellig geworden sein und um eine Weiterbeschäftigung Tuchels geworben haben.
Daraufhin kam es offenbar zu einem ersten Gespräch mit Tuchels Berater Olaf Meinking. Knackpunkt soll wohl die Vertragslaufzeit sein. Die Tuchel-Seite fordert wohl einen Kontrakt bis 2026. Der 50-jährige Fußballlehrer wolle nicht die Übergangslösung sein, bis 2025 Jürgen Klopp oder Xabi Alonso verfügbar sind, heißt es.
Sollte es tatsächlich mit Tuchel weitergehen und er die Münchner auch in der neuen Saison trainieren, wäre es nicht das erste Mal, dass die Mannschaft über die Zukunft des Trainers (mit)entscheidet. In der Vergangenheit ging es dabei aber eher um die Absetzung eines Coaches.
Max Merkel: Der Unerwünschte und die Revolution
Die erste Kabine verloren die Bayern-Bosse im März 1979 und später der von ihnen geforderte neue Trainer Max Merkel. Die Chefetage stellte die Mannschaft vor die Wahl: Wenn sie die nächsten beiden Spiele nicht verlöre, dürfte Pal Csernai weitermachen. Doch schon ein 0:0 gegen Braunschweig reichte den Verantwortlichen, um den als harten Hund bekannten Merkel hinter dem Rücken der Mannschaft zum neuen Trainer zu machen.
Die Mannschaft um die Rädelsführer Sepp Maier und Paul Breitner erfuhr es auf dem Rückflug aus Braunschweig und war erzürnt. Die Spieler weigerten sich, unter Merkel zu trainieren und Präsident Wilhelm Neudecker, der die Profis zunächst noch als "Anarchisten" und "Gewerkschaftsbosse" bezeichnet hatte, sah sich zum Rücktritt gezwungen. Es war die erste Revolution beim FC Bayern.
Rehhagel im Kreuzfeuer: Der Star sind die Spieler
"König Otto" wurde bei den Bayern nicht glücklich. Nach nur 294 Tagen endete seine Amtszeit in der bayerischen Landeshauptstadt schon wieder. Mit Rehhagels Losung "Der Star ist die Mannschaft" konnten die Profis um Mario Basler und Mehmet Scholl wenig anfangen. Sie fürchteten aufgrund der häufigen Rotation eher um ihre Marktwerte. "Ich ziehe das konsequent durch: Rehhagel oder ich. Jetzt tut’s einen Schlag. Und wenn sie mich rausschmeißen, ist es mir auch wurscht. Dann gehe ich. […] Fakt ist, wir spielen seit acht Wochen und haben noch immer keine Taktik. Wir stehen doch nur so gut da, weil wir so gute Einzelspieler haben", polterte Scholl 1995 im "Kicker".
Seine Generalkritik blieb ungestraft. Mannschaft und Trainer entfremdeten sich in der Folge zunehmend. Ende April 1996 hatte die Vereinsführung genug gesehen und trennte sich von Rehhagel. Präsident Franz Beckenbauer sagte später der "Bild": "Die Spieler beschwerten sich über Otto. Alles Negative, was du dir vorstellen kannst."
Magaths Ende trotz zweier Doubles
Auch Felix Magath bekam die Münchner Mannschaft nicht gebändigt. Sein ärgster Widersacher war Mittelfeldmann Mark van Bommel. Im November 2006 kritisierte Magath sein Team auf Schalke in der Halbzeitpause wegen mangelnden Siegeswillens und fehlenden taktischen Verständnisses. Der Niederländer entgegnete: "Welche Taktik?" Es war der Anfang vom Ende für Magath in München, der in den beiden Vorsaisons noch das Double aus Meisterschaft und Pokal geholt hatte.
Von seiner Entlassung kurz nach dem Jahreswechsel 2007 erfuhr Magath aus dem Radio, als er gerade auf dem Weg zum Trainingsgelände war. Zudem gab es von Uli Hoeneß noch die Abschiedsworte: "Er muss sich schon mal die Frage stellen, wenn er irgendwo Erfolg hat, warum anschließend eine Party unter den Spielern gefeiert wird, wenn er weg ist."
Klinsmann: Störgeräusche an allen Fronten
Zur Saison 2008/09 übernahm Jürgen Klinsmann das Traineramt beim FC Bayern. Der Saisonstart war schlecht, im Oktober rangierte der Rekordmeister nur auf Platz elf. Bis zur Winterpause stabilisierte man sich zwar und war erster Jäger der TSG Hoffenheim, doch in der Rückrunde geriet die Champions-League-Qualifikation in Gefahr. Nach einem 0:4 beim FC Barcelona und dem damit verbundenen deutlichen Aus im Viertelfinale der Königsklasse war Klinsmann angezählt. Auch bei den Spielern soll er nicht beliebt gewesen sein. Mark van Bommel machte er zum Reservisten. Auch sein Trainerteam kam nicht gut an. Nach Meinung der Spieler fehlte Klinsmanns Assistenten die Qualität, in der Bundesliga zu coachen.
"Ich bin hier seit Tag eins empfangen worden, als der, der bei der Nationalelf den Sepp (Maier) ersetzt hat und der den Oliver (Kahn) vor der WM auf die Bank setzte", sagte Klinsmann drei Wochen vor seiner Entlassung. Nach dieser Aussage war die Trennung nur noch eine Frage der Zeit und nach einer 0:1-Niederlage gegen Schalke im April 2009 beschlossene Sache.
Carlo Ancelotti: Spieler veranstalten eigenes Training
Dass Carlo Ancelotti beim FC Bayern nicht funktionierte, zählt vermutlich zu den größten Rätseln des Weltfußballs. Der Coach, der mit Real Madrid am 1. Juli nach seinem fünften Champions-League-Titel greift, blieb keine zwei Spielzeiten. In seiner ersten Saison 2016/17 gewann er die Meisterschaft. Mehr Trophäen sollten es nicht mehr werden. Nach einem 0:3 in der Champions League im Pariser Prinzenpark wurde der Italiener in der Folgesaison freigestellt.
Spieler um Thomas Müller und Arjen Robben sollen sich zuvor mehrfach bei der Führungsetage über das zu lasche Training beschwert haben. Der Niederländer soll gesagt haben, selbst in der D-Jugend seines Sohnes in Grünwald werde härter trainiert. Die Konsequenz: Die Spieler organisierten ihr eigenes Training. Als dann auch der sportliche Erfolg ausblieb, war die Trennung unumgänglich. "Hätte er das heutige Team damals schon gehabt, würde er wahrscheinlich heute noch (den FC Bayern) trainieren", kommentierte Uli Hoeneß im Februar 2023 Ancelottis Zeit in München rückblickend.
Der Italiener selbst befand vor dem Aufeinandertreffen der Madrilenen mit dem FC Bayern vor wenigen Wochen: "Am Ende müssen wir Trainer die Unterstützung des Vereins haben, das ist fundamental. Und wenn es die nicht gibt, muss man sich trennen, um Probleme zu verhindern." Das sei die "Wahrheit in wenigen Worten", er habe aber ein "tolles Verhältnis zu Hoeneß und Rummenigge".
Niko Kovacs PS-Vergleich kommt nicht gut an
Der Ex-FCB-Profi wurde 2018 von Eintracht Frankfurt geholt, nachdem die Hessen den FC Bayern im Pokalfinale geschlagen hatten. In München holte Kovac in seiner ersten Saison das Double. In seiner zweiten Saison war dann schon im November Schluss. Kovac hatte sich bei seinen Spielern unbeliebt gemacht, indem er in Bezug auf die Mannschaft öffentlich feststellte: "Man kann nicht versuchen, 200 km/h auf der Autobahn zu fahren, wenn man nur 100 schafft."
Vereinslegende Müller degradierte Kovac zum Bankdrücker. Das kam nicht gut an, bestätigte auch Uli Hoeneß im ZDF-Sportstudio wenige Tage nach der Entlassung. "Es hat sicherlich Strömungen innerhalb der Mannschaft gegeben, die den Trainer weghaben wollten."
Auch Nagelsmann verliert die Kabine
Auch Julian Nagelsmann sagte man nach, er habe "die Kabine verloren". Ex-Sportvorstand Hasan Salihamidžić sah das zumindest so. Spieler wie Joshua Kimmich und Leon Goretzka widersprachen öffentlich vehement. Zumindest ein Teil der Spieler war mit Nagelsmann aber nicht mehr zufrieden, weshalb dieser im März 2023 gehen musste. Zuvor war es zum Zerwürfnis von Nagelsmann und Manuel Neuer gekommen. Der FC Bayern hatte sich auf Nagelsmanns Wunsch von Torwarttrainer Toni Tapalovic getrennt. Tapalovic war der Trauzeuge Neuers und galt als enger Vertrauter des Kapitäns. Nach einer 2:3-Niederlage in Leverkusen war Nagelsmanns Zeit beim FC Bayern abgelaufen. Wie schon 16 Jahre zuvor erfuhr der Coach von seiner Entlassung aus den Medien.
Sein Nachfolger wurde Thomas Tuchel, bei dem nun die Mannschaft zu einer Weiterbeschäftigung beitragen könnte.
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