Locker, flockig, aufgeräumt - und das, obwohl er das Abschlussspiel verloren hatte. "Früher habe ich mich schon mehr von Sieg oder Niederlage abhängig gemacht", sagte Joshua Kimmich nach dem DFB-Mannschaftstraining am Mittwoch. Und tatsächlich, von Frust war keine Spur beim einst so verbissenen Bayern-Star. Seit September 2024 ist er der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, auch, weil er über die nicht immer einfachen Jahre hinweg viel gelernt hat.
DFB-Kapitän Kimmich zum Scherzen aufgelegt
"Es ist jetzt immer noch nicht so, dass ich glücklich vom Platz gehe, wenn ich ein Spiel verliere. Aber ich kann alles ein bisschen besser einordnen. Das liegt natürlich auch an meinen Kids und meiner Familie Zuhause. Das hilft mir extrem", sagte der vierfache Familienvater. Geduldig und ausführlich stand er über 30 Minuten lang Rede und Antwort. Strebsam wie eh und je, mit klarer Kante - und neuerdings auch gerne einmal mit einem selbstironischen Spruch.
Zum Beispiel hier: "Wir wollen den Weg dorthin (Richtung WM 2026, Anm. d. Red.) so positiv wie möglich gestalten." Eine eindeutige Fußballer-Floskel, die Kimmich selbst direkt als solche enttarnte, kurz abstoppte, und mit einem Grinser in Richtung Reporter gestand: "Ja, das kostet."
Vom "absoluten Tiefpunkt" zum neuen DFB-Gerüst
Die neue Lockerheit, sie ist auch Teil des neuen Selbstverständnisses beim DFB. Seit seinem Debüt im Mai 2016 musste der Nationalspieler Kimmich zahlreiche Krisen durchschreiten: Die WM-Blamagen 2018 und 2022, dazwischen das 0:6 gegen Spanien, im letzten November die Doppel-Niederlage gegen die Türkei und Österreich.
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Letztere "war ein absoluter Tiefpunkt", zog Kimmich vor dem vorletzten Länderspiel des Jahres Bilanz. Die Wende kam beim Lehrgang im März 2024: "Dann hat das Trainerteam sehr gute Entscheidungen getroffen. Wir haben einige Dinge verändert, die dann zum Glück auch funktioniert haben." Das deutsche Team hatte nach Jahren der Personaldebatten endlich "wieder ein Gerüst, wieder eine Achse, wieder Spieler auf dem Platz, die verantwortlich für Gewinnen und Verlieren waren."
Die Kimmich-Generation ist am Zug
Gerade noch rechtzeitig vor der Heim-EM im Sommer. Die magischen Euro-Nächte waren die letzten, bei denen die WM-Helden Müller, Neuer und Kroos sowie der bisherige Kapitän Gündogan in der ersten Reihe standen. Nun sind es die lange gescholtenen Jahrgänge 1995/96, darunter Jonathan Tah, Serge Gnabry, Leroy Sané und nicht zuletzt Joshua Kimmich, die nun gefragt sind.
"Hier in der Nationalmannschaft merkt man, dass uns das extrem geholfen hat. Für die Menschen ist es einfacher, sich mit einem Team zu identifizieren, was gewinnt", zog Kimmich sein EM-Fazit, um sich dann selbst noch einmal zu korrigieren.
"Wobei ich auch sagen muss, es hat mich nach der Euro sehr überrascht, wie positiv das Ganze wahrgenommen wurde. Obwohl wir nicht das große Ganze gewonnen haben, haben die Menschen trotzdem gemerkt, dass die Art und Weise eine andere war. Das steht dann vielleicht sogar noch über dem Gewinnen, weil ich glaube, dass das immer nur kurzfristig anhalten würde." Joshua Kimmich, DFB-Kapitän
Neuer Stil beim DFB - aber Kimmich bleibt vorsichtig
Die Quintessenz: In der Öffentlichkeit geht es nicht mehr nur um das "Was", sondern auch um das "Wie". Die neuen DFB-Gesichter wie Aleksandar Pavlovic, Angelo Stiller oder Deniz Undav kommen gut an - in der Mannschaft und bei den Fans. "Man merkt schon, dass viele Jungs dabei sind, die sich reinhauen. Aber auf der anderen Seite muss man natürlich auch Spiele gewinnen."
Denn ganz blauäugig ist Kimmich trotz der geselligen Stimmung nicht. "Wenn wir jetzt vier Spiele in Folge verlieren würden, dann würdet ihr auch nicht schreiben: 'Ja, die Jungs haben sich trotzdem reingehauen und alles ist gut.'" Dafür stand Kimmich selbst oft genug Zentrum des Sturms "Jeder geht mal durch Höhen oder Tiefen, ob nun in der Arbeitswelt oder Zuhause. Da geht man auch mal durch Täler."
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