Das Jahr 2023 wird wohl keiner beim FC Bayern München so schnell vergessen. Nicht die Fans und schon gar nicht diejenigen, die aktiv daran beteiligt waren. In der Jahresmitte prangt die Deutsche Meisterschaft. Zum 32. Mal konnte der FC Bayern die Bundesliga gewinnen, zum elften Mal in Folge - und doch war dieser Titel etwas ganz Besonderes.
Der Kampf um die Schale war spannend wie lange nicht mehr. Es lief die 89. Minute des 34. Spieltags als Jamal Musiala den FCB mit einer Einzelaktion und einem perfekten Abschluss wieder an die Spitze der Tabelle beförderte. Doch die Umstände, unter denen es zu dieser dramatischen Schlussphase kam, sind der eigentliche Grund, dass dieser Titel im Jahr 2023 im kollektiven Gedächtnis bleiben wird.
2023 sollte der endgültige Aufbruch in die Post-Hoeneß-Ära werden
Denn als der FC Bayern das neue Jahr feierte, war der Verein noch ein gänzlich anderer. Vier Punkte betrug der Abstand auf den Tabellenzweiten SC Freiburg, den wohl niemand als Meisterkonkurrenten ernst nahm. Der ewige Rivale Borussia Dortmund hatte mit neun Punkten Abstand mit Müh und Not auf einem Euro-League-Platz überwintert.
Julian Nagelsmann hieß der Trainer, der die Zukunft auf lange Zeit prägen sollte, gemeinsam mit den Funktionären Oliver Kahn und Hasan Salihamidzic, während Jan-Christian Dreesen angekündigt hatte, den Verein zum Saisonende zu verlassen. Der Umbruch an der Säbener Straße, so dachte man, nehme seinen geregelten Lauf. Das Post-Hoeneß-Rummenigge-Zeitalter sollte endgültig beginnen.
Doch es kam alles anders. In der Bundesliga reihte sich nach der Winterpause Unentschieden an Unentschieden. Und später in der Saison kamen die Siege nicht so regelmäßig, wie man es beim FCB gewohnt ist. Dazu fanden regelmäßiger als sonst Interna aus der Kabine ihren Weg in die Öffentlichkeit. Als nach einer Niederlage gegen Bayer Leverkusen der BVB am 25. Spieltag schließlich an den Münchnern vorbeizog, eskalierte die Situation.
Die Nagelsmann-Entlassung und ihre weitreichenden Folgen
Quasi über Nacht entzogen Kahn und Salihamidzic dem Trainer Nagelsmann das Vertrauen und installierten Thomas Tuchel. Das ging so schnell und indiskret vonstatten, dass Nagelsmann von seiner Entlassung und seinem Nachfolger aus der Presse erfuhr.
Doch nicht nur den ehemaligen Trainer überrumpelte diese Entscheidung des Führungsduos. Präsident Herbert Hainer hatte in einem wenige Tage zuvor erschienenen Interview Nagelsmann Unterstützung zugesichert und musste sich nun Spott und unangenehme Fragen gefallen lassen. Von ehemaligen Vereinsgrößen hagelte es Kritik wegen der Art und Weise, wie die Trennung vonstattengegangen war. Und im Hintergrund begann Uli Hoeneß die Fäden wieder zu ziehen, die er eigentlich abgegeben hatte.
Während sich der Rekordmeister ein enges Meister-Rennen mit dem BVB lieferte, arbeitete der alte Klubpatron am großen Umsturz. Nur wenige Minuten nachdem Musiala den FCB zum Titel schoss, während die Spieler auf dem Platz feierten, wurde die nächste Entlassung in München bekannt. Das Duo Salihamidzic/Kahn war Geschichte. Dreesen - eigentlich auf dem Weg, den Verein zu verlassen - übernahm die Nachfolge Kahns und die alte Garde um Hoeneß und Rummenigge übernahm wieder gewichtigere Rollen beim Verein.
Umschwung im Kader: King Kane und viele Löcher
Ruhe kehrte nach der Sommerpause dennoch nicht ein. Die Transferperiode wurde zu einem Thriller. Harry Kane wechselte für gut 100 Millionen Euro von Tottenham Hotspur zum FC Bayern. Doch auf den anderen Positionen gab es kein Happy End. Mit Benjamin Pavard und Lucas Hernadéz erzwangen zwei Defensiv-Stützen den Abschied aus München. Während Talent Josip Stanisic verliehen wurde, verpassten die Münchner es, personell die Verluste auszugleichen. Und Tuchel biss sich nicht auf die Zunge, wenn er zu seiner Meinung zur Kaderbreite befragt wurde.
Der Saisonverlauf sollte ihm recht geben. Von Verletzungsproblemen begleitet, mühte sich der FC Bayern erfolgreich durch die erste Saisonhälfte. Vor allen Dingen der Rekordtransfer hatte daran einen riesigen Anteil. 15 Bundesligaspiele, 21 Tore. Kane ist auf dem besten Weg, den Torrekord von Robert Lewandowski zu brechen (41 Tore). Zudem verteilte er fünf Vorlagen und ist somit an mehr als der Hälfte der Münchner Treffer beteiligt.
Die Suche nach dem lodernden Feuer
Dennoch wirkt der FC Bayern derzeit noch immer wie ein Verein im Umbruch. Dass im Winter neue Defensivspieler kommen müssen, ist mittlerweile wohl allen Beteiligten bewusst. Doch auch in anderen Mannschaftsteilen könnten Veränderungen anstehen. Nach vielen Jahren, die dieser Kern der Mannschaft gemeinsam absolviert hat, wirkt das Team ein wenig müde. Das Feuer, wie man es etwa aus der Triple-Saison 2020 kannte, konnten dem Team weder Nagelsmann noch Tuchel bislang einhauchen.
Und auch auf der Führungsebene könnte sich noch etwas tun. So wird bereits seit längerem darüber spekuliert, dass Max Eberl die Funktion des Sportvorstands übernehmen könnte. Und auch Hoeneß und Rummenigge werden wohl irgendwann die Fäden endgültig aus der Hand geben. Der Umbruch, er wird den FC Bayern wohl auch im neuen Jahr beschäftigen. Doch vielleicht - das wünschen sich zumindest die meisten Beteiligten - wird das neue Jahr ein wenig besonnener sein.
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