Lappland, Finnland. Hier ist der Legende nach der Nikolaus zuhause. Noch bevor er auf seinem Rentierschlitten aufbricht, um die Geschenke zu bringen, starten hier - in Ruka - die Skispringer in die neue Saison. Vieles ist (wieder mal) neu, kein Athlet weiß genau, wo er steht. Und genau das macht den Auftakt auch für ARD-Skisprungexperte Sven Hannawald so spannend.
"Ich finde schön, dass keiner sagen kann, der wird es. Weil wir dann alle wie vor dem Geburtstag oder Weihnachten nicht wissen, was wir auspacken", so der einstige Vierschanzentourneegewinner vor dem Saisonstart am Samstag (25.11., 16.15 Uhr/Livecenter) und Sonntag (26.11., 16.15 Uhr/Livecenter).
Die "üblichen Verdächtigen"? Favoriten schwer auszumachen
Genau kann also nicht mal Sven Hannawald sagen, wer die Favoriten auf die vorderen Plätze im Weltcup und bei den zwei großen Highlights des Winters sind, der Internationalen Vierschanzentournee und der "Raw-Air"-Tour. Zu den "üblichen Verdächtigen" zählen natürlich Weltcup-Titelverteidiger Halvor Egner Granerud aus Norwegen, der Österreicher Stefan Kraft, Dawid Kubacki aus Polen und der Slowene Anze Lanisek.
Dass nach dem durchwachsenen vergangenen Winter auch wieder ein DSV-Adler vorne mitmischt, ist die Hoffnung der deutschen Fans, von Bundestrainer Stefan Horngacher und auch von Hannawald. Zuzutrauen ist dies am ehesten dem Oberstdorfer Karl Geiger und Andreas Wellinger aus Ruhpolding.
Horngacher: Zügig in den Wettkampfrhythmus kommen
"Auf die Veränderungen im Reglement haben wir uns frühzeitig eingestellt und die notwendigen Anpassungen im Materialbereich vollzogen", so Horngacher. "Da wir bis auf die Sommerwettkämpfe wenig internationale Vergleiche hatten, sind wir sehr gespannt auf die ersten Weltcup-Springen. Unser Ziel ist es, von Anfang an wach und präsent zu sein, um möglichst zügig in den Wettkampfrhythmus zu kommen."
Horngacher spricht von einer "großen Dichte" im deutschen Team, ging bei seiner ersten Nominierung aber gnadenlos nach Leistung. Weshalb Markus Eisenbichler, jahrelang einer der besten und konstantesten deutschen Springer, zunächst fehlt im DSV-Kader. Neben Geiger und Wellinger sind in Ruka außerdem Martin Hamann (SG Nickelhütte Aue), Stephan Leyhe (SC Willingen), Pius Paschke (WSV Kiefersfelden) und - Philipp Raimund (SC Oberstdorf) dabei.
"Gutes Bauchgefühl" - aber Karl Geiger sucht noch Stabilität
Karl Geiger ist, wie man das schon kennt, die Ruhe selbst. Und das trotz einer Saison, die ihn ins Grübeln gebracht hat. Zu wenig Konstanz brachte er in seine Sprünge, die zu fehleranfällig waren. Sein Ziel lautet deshalb, mehr Stabilität in die Sprünge zu bringen: "Wir haben versucht, das System aufzubrechen, haben einiges ausprobiert - sowohl springerisch als auch in der Materialabstimmung", so der 30-Jährige.
Hannawald sieht Geiger deshalb auf einem guten Weg zurück in die Weltspitze: "Karl ist weiter der Arbeiter. Er braucht für sich, für seine Körpergröße und die extremen Winkel, die er hat mit seinen langen Beinen, den einen oder anderen Sprung, um sein System einzugrooven. Bei ihm geht es darum, weiter dranzubleiben."
Geiger hat dies den ganzen Sommer über versucht, kann aber nur schwer einschätzen, wo er steht: "Ich habe nur einen Sommer-Grand-Prix mitgemacht. Aber mein Bauchgefühl ist positiv", sagt der Allgäuer. Es seien zuletzt schon Sprünge dabei gewesen, bei denen man sagt: "Es scheint wieder zu funktionieren. Die Stabilität ist noch nicht ganz so da, ich habe aber auch schon einen Probedurchgang gewonnen. Das ist ein Grundniveau, auf dem kann man aufbauen."
Wellinger mit guten Erinnerungen an Finnland
Andreas Wellinger scheint sogar schon etwas weiter zu sein. Im vergangenen Winter hat sich der Ex-Weltmeister wieder an die Besten herangetastet, gewann sogar zwei Weltcupspringen und möchte nun endgültig wieder ganz vorne angreifen: "Ich bin gut vorbereitet, der Körper funktioniert", sagt er. "Ich freue mich extrem auf Finnland. Kuusamo ist ein Ort, den ich sehr gerne mag. Dort habe ich einerseits schon einen sehr unschönen Salto gedreht. Andererseits durfte ich aber auch schon zweimal auf dem Podest stehen, im Einzel, im Team, und 2012 habe ich dort meinen allerersten Weltcup-Sieg gefeiert."
Auch Hannawald traut Wellinger Einiges zu: "Er hat gelernt, sich zu fokussieren, in kleinen Schritten zu denken", lobt der Experte. "Er bleibt dran, er knüpft an das an, was er uns letzte Saison präsentiert hat. Und ist noch einen Schritt weitergegangen. Er macht kleine Schritte nach vorn."
Fokus auf die Vierschanzentournee
Das große Ziel für beide ist aber die Vierschanzentournee. "Die ersten Wochen sind zum Reinkommen, aber wenn's auf Weihnachten zugeht, steht schon die Tournee vor der Tür", freut sich Wellinger. Auch Geiger bestätigt, dass der Fokus auf die vier Springen zum Jahreswechsel gelegt wird: "Die Tournee ist schon das Ziel, seit Jahren schon, wo wir einfach auch mal gewinnen wollen. Das Potenzial ist da. Wir haben auf jeden Fall was vor."
Die Grundlagen dafür werden ab sofort geschaffen. Jeder gute Sprung in Ruka bringt Selbstvertrauen auf dem Weg zum Saisonhöhepunkt. Auf Geschenke vom Nikolaus sollten sich die deutschen Skispringer aber auch in Lappland nicht verlassen.