Anstelle einer Gefühlsexplosion verbarg Franziska Preuß ihre Freude über den Sieg im Sprint von Hochfilzen hinter einmal breiten Lächeln. "Es ist echt überraschend, dass ich heute gewonnen habe", sagte die Wasserburgerin zurückhaltend im ZDF-Interview und schob dann noch stolz nach: "Das freut mich voll!"
Biathlon: Preuß gewinnt dank starker Laufleistung
Eine absolut berechtige Freude, denn: Preuß ist über die 7,5 Kilometer am verschneiten Grießenpass nicht nur ganz oben aufs Podest, sondern auch direkt ins Gelbe Trikot gesprintet. Ihr erst zweiter Weltcup-Sieg überhaupt, der erste seit 2019. "Ich habe es heute auf der Strecke gewonnen, ich habe mich heute anscheinend ganz gut gefühlt und gute Beine gehabt."
Dank schneller Beine und schneller Ski machte Preuß einen Schießfehler wett und gewann vor dem fehlerfreien Duo Sophie Chauveau (+7,7 Sekunden) und Karoline Offigstad Knotten (+10,1s)
Kann Preuß endlich ihren Konjunktiv abschütteln?
So schnell und kraftvoll ihre Leistung am Freitagmittag auch daherkam, so zermürbend und kräftezehrend war der Aufstieg von Preuß bis hierher in ihrer Karriere. Denn die Bilanz der 30-Jährigen ist ein einziger großer Konjunktiv: Was wäre alles möglich gewesen, wenn Preuß nicht immer und immer wieder von Verletzungen und krankheitsbedingten Ausfällen zurückgeworfen worden wäre?
Nicht nur im vergangenen Jahr galt die Oberbayerin mindestens als Geheimfavoritin auf Weltcup-Siege, vielleicht sogar auf den Gesamtweltcup. Doch bevor sie ihren Namen überhaupt richtig in den Top drei festigen konnte, spielte der Körper nicht mit. Schon im vergangenen Jahr war sie vom Weltcup-Auftakt in Östersund mit dem Gelben Trikot nach Hause gefahren, insgesamt fünfmal lief Preuß im letzten Winter in Einzel- oder Staffelrennen auf das Podest.
Weltcup-Jahre voller Rückschläge
Doch zwischen diesen Erfolgen gab es in großer Regelmäßigkeit gesundheitliche Rückschläge: allein in der vergangenen Saison zunächst ein Corona-Infekt, der ihr das Gelbe Trikot kostete. Danach folgten nicht näher erläuterte Infektionssymptomatiken und am Saisonende noch ein chirurgischer Eingriff. All das führte zum vorzeitigen Saison-Aus, wie schon ein Jahr zuvor. Damals musste Preuß ebenfalls gesundheitsbedingt ihre Teilnahme an der Heim-WM im thüringischen Oberhof zurückziehen.
Doch der Eingriff an den Nasennebenhöhlen im vergangenen Winter scheint nun endlich die Infektionen zu bremsen - und Stabilität zu bringen bei Preuß. "Ich hätte schon gerne auf viele Leiden verzichtet. Die Entscheidung, den Eingriff machen zu lassen und einen Entzündungsherd wegzuhaben, war einfach der Schlüssel", sagte Preuß in Tirol. Sie habe den ganzen Sommer "einfach ihr Ding trainiert und wenig Kompromisse gemach". "Ich habe auf meine Erfahrung gehört. Ich weiß, was mir guttut, das habe ich versucht umzusetzen", erzählte Preuß: "Jetzt wird man für die ganze harte Arbeit im Sommer belohnt. Das ist schön, wenn es so bestätigt wird."
Preuß' besonderer Familiengruß
Doch ihre Klasse scheint Preuß trotz all der Probleme auch im elften Weltcup-Jahr nicht verloren zu haben. Schon vor einer Woche beim Saisonauftakt im finnischen Kontiolahti legte sie stark los mit den Plätzen fünf, vier und drei. Es war das Fundament für das Gelbe Trikot, welches sie nun am Samstag bei der Verfolgung zum dritten Mal in einem Weltcup-Rennen tragen darf. Als Fünfte geht dann Selina Grotian auf die Jagd nach Preuß. Das 20 Jahre alte Talent aus Garmisch-Partenkirchen überzeugte mit ihrem zweitbesten Karriere-Ergebnis.
Bis dahin hat Preuß noch andere wichtige persönliche Verpflichtungen zu leisten. "Mein Bruder hat Geburtstag, liebe Grüße in die Heimat", sagte Preuß nach der letzten Interview-Frage am Freitag: "Ich melde mich später noch. Und Flo, die Medaille geht auf dich."