Vor gut acht Jahren brachte der Siemens-Konzern seine Tochter Osram an die Börse. Das Münchener Traditionsunternehmen geriet ins Visier des sehr viel kleineren Sensorherstellers AMS aus der Steiermark. Nach einer beispiellosen Übernahmeschlacht, wie es sie selten in Deutschland gegeben hat, hält AMS inzwischen die klare Mehrzeit an Osram. Mit dieser Nachricht waren die Tage an der Börse für Osram gezählt. AMS erklärte dazu: Das Delisting, also der Rückzug von der Börse, sei die entscheidende Voraussetzung, um Osram komplett in das österreichische Unternehmen integrieren zu können.
Abschied von Kosten und Pflichten
Das Delisting, also die Abkehr von der Börse, befreit den neuen Eigentümer (in diesem Fall AMS) von den umfassenden Pflichten, die mit einer Börsennotiz verbunden sind. Es ist nicht nur der Druck, viermal im Jahr Quartalsberichte nach bestimmten Vorgaben zu erstellen. Es geht auch um Kosten, zum Beispiel für die jährliche Hauptversammlung.
Übernahmeangebot nötig
Häufig führt die Übernahme eines Unternehmens also zu einem Delisting. Der neue Mehrheitseigentümer braucht dafür am Ende nur die Zustimmung des Aufsichtsrates und der Finanzmarktaufsicht BaFin. Die betroffenen Aktionäre müssen dazu nicht befragt werden.
Eine Voraussetzung für ein Delisting ist allerdings ein Übernahmeangebot. Laut Gesetz muss dabei mindestens der Durchschnittskurs der vergangenen sechs Monate geboten werden. Dies führt in der Praxis häufig zu großem Unmut bei den betroffenen Aktionären; viele fühlen sich über den Tisch gezogen.
Unmut der Aktionäre
Ob ein Anleger eine Aktie verkaufen sollte, wenn ein Delisting geplant ist; ob angebotene Abfindungen angemessen sind oder nicht – das sorgt regelmäßig für Kontroversen und sogar Gerichtsprozesse. Häufig wird eine Aktie, die nicht mehr im regulierten Handel notiert ist, im Freiverkehr einer Regionalbörse gehandelt. Die Anforderungen dort sind sehr viel niedriger; häufig sind die Umsätze so gering, dass gar kein Handel stattfindet. Dann ist die faire Feststellung eines Kurses ein echtes Problem. Damit schwinden die Chancen für Betroffene, ihre Aktien am Ende doch noch für einen ordentlichen Preis abzustoßen, wenn sie zuvor weder auf das Übernahmeangebot noch auf die angebotene Abfindung eingegangen sind.
Neue Aktionärsstruktur
Geraten börsennotierte Unternehmen in eine schwierige Lage wie etwa eine Insolvenz, dann brauchen sie neue Geldgeber. Diese Investoren können unter bestimmten Bedingungen zu neuen Großaktionären werden, die das Unternehmen lieber ohne öffentliche Aufmerksamkeit neu aufstellen wollen. Auch in solchen Fällen kann aus deren Sicht ein Delisting Sinn machen – die betroffenen Kleinaktionäre dürften das allerdings anders sehen.
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