Alle Euroländer sind EU-Mitgliedstaaten. Es gibt die gemeinsame Geldpolitik der Europäischen Zentralbank EZB und der mit ihr verbundenen nationalen Notenbanken im Eurosystem, wie die Bundesbank. Es gibt jedoch keine gemeinsame Fiskalpolitik für Haushalt und Steuern.
Euro sollte viele Vorteile bringen und möglichst wenig Einschränkungen
Die Rechte der einzelnen Länder wurden kaum eingeschränkt, abgesehen vom Verzicht auf eigenes Geld und eigene Geldpolitik. Die war bei der Bundesbank schon in Zeiten der D-Mark unabhängig von der Regierung. Durch den Euro sollte es einen wirtschaftlichen Schub für den europäischen Binnenmarkt geben durch den Wegfall von Wechselkursen und mit dem neuen gemeinsamen Zahlungsraum SEPA (Single European Payment Area). Das hat insgesamt gut funktioniert und den Euroländern unterm Strich mehr Wachstum und Wohlstand gebracht.
Der Euro Zahlungsraum SEPA sollte grenzübergreifende Bank- und Finanzgeschäfte erleichtern bis hin zu privaten Überweisungen. Der Euro sorgt darüber hinaus für eine europaweite Preistransparenz, von Waren und Dienstleistungen, die vorher kaum vergleichbar waren. Dieser Preiswettbewerb kann mit Hilfe des Internets voll genutzt werden von Unternehmen und Verbrauchern. Das drückt die Inflation und erhöht die Stabilität des Geldwerts. In diesem Sinn ist der Euro sogar härter als die D-Mark. Ihn ihrer Zeit war die Inflation die Deutschland nämlich meist höher als in den letzten 21 Jahren mit dem Euro.
Harte Euro-Beitrittskriterien werden zur weichen Verhandlungsmasse
Da die Euro-Mitgliedstaaten wenig alte Rechte abgeben und sich möglichst wenig neue Pflichten einhandeln wollten, einigten sie sich wenigstens auf strenge Beitrittskriterien für die Währungsunion. Dazu gehörten ein möglichst ausgeglichener Staatshaushalt mit maximal 3 Prozent Defizit (= mehr Ausgaben als Einnahmen) und einer Gesamtverschuldung von höchsten 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (= jährliche Wirtschaftsleistung).
Diese Kriterien wurden aber vor und nach ihrem Beitritt von einigen Mitgliedsländern nicht erfüllt, vor allem nicht von Griechenland und Italien. Inzwischen erfüllt sie wegen Corona zumindest zeitweise eigentlich niemand mehr.
Finanzkrise und Corona führen zum Umdenken bei Euro-Schulden
Seit der Finanz- und Euro-Schuldenkrise, spätestens jedoch seit der Corona-Pandemie gelten die alten Schuldenregeln vielen als überholt. Einige Ökonomen hatten vorher schon Zweifel gehabt.
So sind andere Volkswirtschaften wie in den USA, China oder Japan mit einer höheren Verschuldung durchaus erfolgreich unter tatkräftiger Mithilfe ihrer Notenbanken. Die haben nicht nur die Zinsen bis auf null gesenkt, sondern auch Wertpapiere gekauft wie Staatsanleihen, Unternehmensanleihen (und in Japan sogar Aktien).
Geldpolitik der EZB hilft Euro-Ländern und Wirtschaft aus der Krise
Nach der Bank of Japan nutzten auch die US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank verstärkt solche außerordentlichen Maßnahmen. Einen spektakulären Fall gab es in der Euro-Schuldenkrise, als an den Märkten auf ein Auseinanderfallen der Währungsunion spekuliert wurde. Es gab Wetten darauf, dass geschwächte Krisenländer wie Griechenland oder Portugal ihre Staatsschulden nicht mehr würden bezahlen können. Doch dazu kam es nicht.
Der damalige EZB-Präsident Mario Draghi drohte damit, notfalls so lange Anleihen der Krisenländer zu kaufen, bis den Spekulanten das Geld ausgeht. (Draghi: "Do whatever it takes to save the Euro." 2012)
Euro-Rettung umfasst neben Banken noch vieles mehr
In der Finanzkrise nach dem Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers ging es ab 2008 der EZB vor allem darum, die Banken im Euroraum zu retten und dafür zu sorgen, dass der Zahlungsverkehr in Euro nicht zusammenbricht. Dafür wurden hohe Milliardenbeträge in den Geldkreislauf gepumpt und den Banken viele Sonderkredite gewährt.
So gesehen ist die Geschichte des Euro mit der Erinnerung an viele Krisen verbunden, die dank der EZB gemeistert wurden. Ohne die Gemeinschaftswährung und ohne ihre starke Notenbank hätte vieles so nicht bewältigt werden können.
EZB musste Euro-Austritt von Griechenland verhindern
Ein Euro-Austritt Griechenlands war für die EZB in der Staatsschuldenkrise keine praktikable Möglichkeit. Das hätte die Währungsunion als Ganzes gefährdet und neue Spekulationen darüber genährt, welches Land nach einem "Grexit" wohl als nächstes austreten würde. Portugal und Italien wurden genannt oder zeitweise auch Spanien, das zeitweise in einer tiefen Immobilienkrise steckte. In Brüssel wurde unterdessen über einen Grexit diskutiert, den vor allem einige deutsche Politiker gefordert hatten.
Ob es dem damaligen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wirklich ernst damit war, oder ob er nur politischen Druck auf die griechische Regierung ausüben wollte, ist unklar. Draghi sagte dazu nur, der Euro sei unumkehrbar, niemand werde die Währungsunion rückgängig machen, zu der alle Euroländer gehören, solange die EZB das verhindern könne.
Die Euro-Geldpolitik in der Kritik vor allem in Deutschland
Im Rahmen ihrer Krisenbekämpfung und Verteidigung des Euro gegen alle Unwägbarkeiten weitet die EZB ihre Geldpolitik ständig aus. Strittig ist, ob sie dabei ihr Mandat überzieht, das eigentlich nur auf die Bewahrung von Preisstabilität zielt. Kritiker werfen ihr zum Beispiel unerlaubte Staatsfinanzierung mit den Anleihekäufen vor.
Neben Banken- und Finanzhilfen für Staaten und Unternehmen, deren Anleihen sie ebenfalls kauft, bietet die Notenbank ihre niedrigen Zinsen der gesamten Wirtschaft an. Das soll für Wachstum und Beschäftigung sorgen und die Konjunktur in möglichst allen Euro-Ländern ankurbeln. Sie wirkt mit ihrem negativen Einlagenzins massiv auf Sparguthaben ein und drückt sämtliche Renditen auch in der privaten Altersvorsorge wie mit Kapitallebensversicherungen.
Euro-Streit des Bundesverfassungsgerichts mit dem EuGH
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe übte mehrfach offen Kritik am geldpolitischen Kurs der EZB zur Stabilisierung des Euro. Der Europäische Gerichtshof, der die EZB-Politik ausdrücklich billigt, verlangte ein Einlenken des Bundesverfassungsgerichts. Das deutsche Verfassungsgericht hatte auch den EuGH kritisiert für sein positives EZB-Urteil.
Auch Bundestag und Bundesregierung wurden von den Karlsruher Richtern zu einer Stellungnahme aufgefordert zu den Anleihekäufen, die ähnlich wie der EuGH zu einer positiven Bewertung kamen. Die EU hat nun ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet. Geprüft wird, ob das Verhalten des Bundesverfassungsgerichts ein Verstoß gegen das EU-Recht darstellt, insbesondere die offene Kritik am EuGH.
Der Euro soll nun auch noch für Klimaschutz stehen
EZB-Präsidentin Christine Lagarde geht mit ihrer Geldpolitik sogar noch weiter und hat sich auch die Bekämpfung des Klimawandels auf die Fahne geschrieben. Sie will mit der Notenbank verstärkt grüne Anleihen (Greenbonds) kaufen.
Dabei soll die Umweltverträglichkeit von staatlichem Handeln und von Unternehmen eine Rolle spielen. Die Bundesbank stemmt sich zwar nicht dagegen. Sie befürchtet aber, dass es zu einer Verzerrung des Marktgeschehens kommen kann, wenn die Notenbank nachträglich neue Kriterien beschließt wie den Klimaschutz für die Auswahl von bestehenden Anleihen.
EZB erhebt weitere Forderungen im Interesse des Euro
Christine Lagarde mischt sich viel offener in das politische Tagesgeschäft ein als ihr Vorgänger Mario Draghi, der inzwischen italienischer Regierungschef ist. So wollte die EZB-Präsidentin Einfluss nehmen auf die Bekämpfung der Pandemie, indem sie die Staaten aktiv zum Handeln aufforderte: zu mehr Corona-Hilfen, Sonderkrediten, Kurzarbeitergeld und einer breit angelegten Investitionsförderung.
Für solche Mehrausgaben verspricht Lagarde eine Art geldpolitisches Backup: Keine Regierung solle finanzielle Probleme bekommen durch die neuen Corona-Schulden und auch nicht die EU, wenn sie einen Wiederaufbaufonds mit bis zu 750 Milliarden Euro auflegt für einen wirtschaftlichen Neuanfang nach Corona. Für alle wichtigen Vorhaben sollen stets genug Euro bereitstehen.
Gemischte Bilanz nach gut 20 Jahren Euro
Lagardes Befürchtung ist, dass Europa angesichts massiver Konjunkturhilfen wie in den USA ins Hintertreffen gerät. Dort plant US-Präsident Joe Biden für einen vergleichbar großen Wirtschaftsraum bereits mehreren Billionen Dollar ein, um die Folgen der Pandemie zu überwinden. Das ist mehr als die EU bereitstellt und die europäischen Länder mit ihren Staatshaushalten zu leisten vermögen. Die Erfahrung in Deutschland hat jedoch gezeigt, dass viele Milliarden nur im Schaufenster stehen und dass die Hilfen häufig an der praktischen Umsetzung scheitern.
Der Euro ist mehr als Geld, er ist von Anfang an ein ambitioniertes politisches Großprojekt für ganz Europa. Mit ihm sind hohe Erwartungen verbunden wie eine stärkere wirtschaftliche Integration und eine neue gemeinsame Stärke aller Euroländer. Er soll neben der Währungsunion auch eine Bankenunion bringen mit einem echten gemeinsamen Kapitalmarkt, wovon wir immer noch weit entfernt sind.
EU-Corona-Fonds erster Schritt zur Fiskalunion
Durch die Corona-Hilfen wird nun der erste Grundstein für eine Fiskalunion gelegt. Indem die EU erstmals selbst Staatsanleihen in größerem Umfang am Kapitalmarkt platzieren darf, die viel diskutierten Eurobonds, beschreitet sie völlig neue Wege. Sie heißen zwar vorerst noch Corona-Bonds, sind aber im Grund nichts anderes. Zuvor kam das Geld für den EU-Haushalt ausschließlich von den Mitgliedstaaten und mussten von ihnen genehmigt werden. Eine stärkere steuerliche Harmonisierung ist auf dem Weg, die der EU erstmals auch eigene Steuereinnahmen sichern soll. Der Wiederaufbaufonds ist der Versuch, aus einer Krisensituation heraus Chancen für neue Formen der Europapolitik zu gewinnen.
Ähnlich wie die Bundesbank bei den Anleihekäufen der EZB kann man auch hier der Meinung sein, dass die EU ihr Mandat überschreitet, wenn sie zur Fiskalunion wird. Auf der anderen Seite stellt sich die Frage, wie die ärmeren und weniger finanzstarken EU- und Euroländer sonst zu einer ausreichenden Finanzierung ihrer Corona-Hilfen kommen sollen.
Euro verschärft wirtschaftliche Ungleichgewichte
Was man dem Euro und der Währungsunion als Ganzes bisher vor allem negativ anlasten muss, ist die Verschärfung der wirtschaftlichen Ungleichgewichte. Deutschland als größtes und stärkstes Euroland hat von der Entwicklung am meisten profitiert, vor allem durch seine Exporte in die Partnerländer. In den schwächeren Südländern ist die Wirtschaft nach einem anfänglichen Boom in den letzten Jahren deutlich zurückgefallen. Das Nord-Süd-Gefälle in der EU ist trotz gemeinsamer Währung größer geworden, insbesondere in Italien.
Doch dafür kann man den Euro allein nicht verantwortlich machen. Italien ist auch ein Verlierer der Globalisierung und hat mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Chinas viele Märkte verloren. Auf der anderen Seite hat die Jugendarbeitslosigkeit in vielen Euroländern dramatisch zugenommen. Ohne alle Beispiele zu nennen, bleibt festzuhalten, das Euro-Projekt ist keineswegs vollendet, es steht mit Corona mal wieder vor einem Neuanfang.
Darüber spricht Bayern": Der neue BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!