Wiegand Glas im oberfränkischen Steinbach am Wald
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Für die Glasindustrie wäre ein Gas-Stopp eine wirtschaftliche Katastrophe.

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Energiekosten: Droht dem Mittelstand eine Pleitewelle?

Energiekosten: Droht dem Mittelstand eine Pleitewelle?

Gefährdete Lieferketten, Angst um Arbeitsplätze: Durch den drohenden Gas-Stopp eskaliert die Lage, die sich schon seit Monaten immer weiter zugespitzt hat. Stehen ganze Branchen bald vor dem Aus?

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Spediteure kämpfen um ihre Existenz. Energieintensive Unternehmen befürchten einen Produktionsstopp, zugleich haben sie mit enorm gestiegenen Kosten zu kämpfen.

"Viele Unternehmen beliefern weitere Unternehmen, sind also in Wertschöpfungsketten integriert", erklärt der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München, Clemens Fuest. "Der Ausfall bei dem einen Unternehmen kann eine ganze Wertschöpfungskette stilllegen. Das heißt, die Produktion fällt dann aus, selbst in Unternehmen, die das Gas gar nicht brauchen, die aber die Vorprodukte brauchen. Deshalb ist ein Gasausfall so gefährlich."

Die Bundesregierung hat in der vergangenen Woche ein Entlastungspaket für private Haushalte verabschiedet. Sobald es in Kraft tritt, wird Sprit billiger. Verbraucher müssen dann etwa für einen Liter Diesel 14 Cent weniger bezahlen. Für die Spediteure reicht das bei weitem nicht aus, um wieder profitabel wirtschaften zu können.

  • Zum Artikel: Energiepreise: Keine pauschalen Hilfen für Unternehmen

Transportbranche ächzt unter hohen Spritpreisen

Spediteur Rainer Albers in Schmallenberg im Hochsauerland macht sich Sorgen um seine Firma. Seit dem Krieg in der Ukraine verzweifeln er und seine Berufskollegen am hohen Dieselpreis. 60 Lkw fahren täglich für Albers Spedition. Der aktuelle Dieselpreis verursacht Mehrkosten von rund 120.000 Euro pro Monat.

"Ich werde mir das nächste Woche noch angucken und werde nächste Woche nochmals mit unseren Kunden sprechen, ob die bereit sind, etwas davon aufzunehmen", sagt der Spediteur. Dass man dieses Jahr keine Gewinne erzielen werde, sei allen schon klar. Doch nun drohten auch Kurzarbeit und Entlassungen.

Nach Schätzungen des Bundesverbandes Logistik und Verkehr sind derzeit rund zehn Prozent der Transportunternehmen in Deutschland akut von Insolvenz bedroht. "Wenn wir aber nicht mehr klarkommen, kommt gar keiner mehr klar", mahnt Spediteur Gerd Fischer. "Wenn wir stehen, steht Deutschland. Punkt. Ganz einfach."

Energieintensive Unternehmen unter Druck

Als Controller bei Wiegand Glas im oberfränkischen Steinbach am Wald hat Lukas Neubauer auch die Energiekosten im Blick – und die sind mittlerweile existenzgefährdend, wie er sagt: "Wir erleben eigentlich seit Juni letzten Jahres, also Juni 2021, eine konstante Zunahme der Energiepreise für Erdgas und natürlich auch für Strom – unsere beiden primären Energieträger hier. Und ja, natürlich, die Ukraine-Krise hat noch einmal ein Übriges dazu getan, dass wir aktuell in einer völligen Preisexplosion auf diesen Märkten unterwegs sind."

Energiekosten um 600 Prozent gestiegen

150 Millionen Euro mehr an Ausgaben im Jahr nur für Gas und Strom. Die Energierechnung des Unternehmens ist um ganze 600 Prozent angestiegen. Dreieinhalb Milliarden Flaschen produziert Wiegand Glas pro Jahr – jede vierte in Deutschland verkaufte Flasche. Die Auftragsbücher sind voll. Und trotzdem könnten hier bald die Bänder stillstehen, falls aus Russland kein Gas mehr kommt.

Die Bundesregierung hat die Frühwarnstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Wiegand Glas wartet noch auf die Entscheidung, ob ihr im Ernstfall der Gashahn abgedreht wird. "Die Stimmung der Belegschaft ist momentan angespannt", berichtet Betriebsleiter Knut Ludwig. "Wir kommen aus einer Corona-Phase, sind in eine kriegerische Auseinandersetzung gekommen und hier spürt man natürlich den Impakt auf uns als Glasindustrie, da wir ein hoher Energieverbraucher sind." Kein Gas mehr – für die Glas- und Keramikindustrie wäre das eine wirtschaftliche Katastrophe.

  • Zum Artikel: Bei Lieferstopp: Bayerns Wirtschaft hat Gas für einige Wochen

Automobilzulieferer in Sorge

Der Automobilzulieferer Hehnke in Thüringen ist ein Familienbetrieb mit 130 Beschäftigten. Hier werden Kunststoffteile für Autos hergestellt: für Gaspedale von Mercedes zum Beispiel oder für Temperatur-Sensoren von BMW. Schon seit der Corona-Krise funktionieren die Kunststoff-Lieferketten nicht mehr zuverlässig. Ein logistisches Problem, das der Betrieb inzwischen ganz gut im Griff hat. Die Produktion wird davon nicht mehr beeinträchtigt.

"Viel schlimmer sind eben die steigenden Preise bei Rohstoffen und Energie", sagt Geschäftsführer Torsten Herrmann. "Das ist das, was uns zurzeit am meisten zu schaffen macht – vor allem, wenn es dann darum geht, diese gestiegenen Kosten in irgendeiner Weise an die Kunden weiterzugeben. Viele unserer Kunden wollen keine höheren Teilepreise akzeptieren. Sie sagen: 'Das ist Euer Problem.'"

Von einer Krise in die nächste?

Binnen eines Jahres haben sich die Stromkosten hier verdoppelt. Der Krieg dreht die Preisspirale weiter hoch. Rico Chmelik leitet ein Branchen-Netzwerk. Er sorgt sich um die Zukunft der Automobilzulieferer.

"Stürzen wir von einer Krise in die nächste?" fragt Chmelik und fügt hinzu: "Von der Umsatzkrise in die Chipkrise, in die Metallkrise, in die Rohstoff-Krise. Jetzt in die Sanktionskrise. Und dann stellt man sich schon die Frage: 'Kann man hier eigentlich noch wettbewerbsfähig anbieten?'"

Sorge um Mittelstand und Wettbewerbsfähigkeit

Deutsche Unternehmen zahlen mit den höchsten Strompreis in ganz Europa. Das schwächt die Konkurrenzfähigkeit auf dem internationalen Markt. "Wir brauchen endlich mal eine Politik, die die Rahmenbedingungen für den Mittelstand verbessert", sagt Ökonom Daniel Stelter.

"Es hat natürlich etwas zu tun adhoc, Thema Energiepreise. Unsere Stärke ist der Mittelstand – und wenn wir den nicht erhalten, dann verlieren wir unsere Wettbewerbsfähigkeit und letztendlich auch unseren Wohlstand." Mehr als 50 Prozent aller Beschäftigten arbeiten in mittelständischen Betrieben. Ein Job-Motor, der aber immer weiter ins Stottern gerät.

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