Wer Immobilienbesitz in der Familie hat, der wird dieser Tage einige Meldungen mit Schrecken gelesen haben. Das Vererben von Immobilien, auch innerhalb der Familie, wird voraussichtlich im neuen Jahr höher besteuert. Zwar wird nicht die Erbschaftssteuer selbst angehoben – das würde alle Erben in der Republik betreffen – aber die Maßstäbe, nach denen zu vererbende Immobilien bewertet werden, verändern sich.
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Und zwar erheblich: Für ein freistehendes Einfamilienhaus am Stadtrand Münchens mit knapp 100 Quadratmetern Wohnfläche und einem relativ großen Grundstück wurde bisher einen Verkehrswert von zwei Millionen Euro angesetzt. Dafür würde eine Erbschaftssteuer von etwa 290.000 Euro fällig. Nach der neuen Bemessung wird davon ausgegangen, dass Haus und Grundstück etwa 2,8 Millionen Euro wert sind. Damit würde die Erbschaftssteuer auf knapp 400.000 Euro ansteigen.
Politische Diskussion um Erbschaftssteuer ist in vollem Gange
Von einer "Steuererhöhung durch die Hintertür" ist da zum Beispiel bei der Union die Rede. Die Angst geht um, dass Erben wegen der Steuern Kredite aufnehmen müssen, die sie jahrelang abbezahlen müssen – oder dass sie Omas Häuschen gleich an Investoren verkaufen müssen.
Es ist also verständlich, dass deshalb jetzt viele Familien noch schnell einen Rat und am besten auch gleich eine Lösung beim Notar suchen. Aber es kann hilfreich sein, sich einmal genauer anzuschauen, woher diese Änderung kommt und welche Fallstricke bei einer spontanen Überschreibung lauern. Außerdem ist aktuell eine politische Diskussion zum Thema entbrannt, die noch Auswirkungen auf die geplante Gesetzesänderung haben könnte.
Warum werden die Steuerzahlungen denn überhaupt angepasst?
Grund für die Anpassung ist eine Neuregelung der sogenannten Immobilienwert-Verordnung aus dem Jahr 2021. Die sollen in das Jahressteuergesetz übernommen werden. In einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2006 hatten die obersten Richter festgelegt, dass jedes vererbte Gut gleichermaßen mit dem sogenannten Verkehrswert bewertet werden muss. Das bedeutet: Wer eine Immobilie vermacht bekommt, muss deren Wert genauso schätzen lassen und versteuern wie diejenigen, die beispielsweise ein Aktiendepot oder ein Schweizer Schließfach per Testament zugeschrieben bekommen. Ziel ist es, das Erben möglichst gerecht zu gestalten.
Mit den bisherigen Bewertungsmaßstäben für Immobilien ist diese Gerechtigkeit nach Auffassung von Expertinnen und Experten allerdings schon länger nicht mehr gegeben. Denn mit dem enormen Preisanstieg für Immobilien in den vergangenen Jahren wurden die tatsächlich erzielbaren Preise nicht wiedergegeben, sondern 'nur' ein 40 bis 50 Prozent unter dem Verkehrswert liegender Wert – genau das soll mit dem neuen 'Regionalfaktor' und dem erhöhten 'Sachwertfaktor' ausgeglichen werden.
Laut dem Rechtsexperten Heribert Anzinger, der zum Thema eine Stellungnahme im Sachverständigenausschuss des Bundestages abgegeben hat, ist dieser Schritt verfassungsrechtlich notwendig: "Sonst könnte jemand mit einem geerbten Aktiendepot daherkommen und sich darüber beschweren, dass das nicht die gleiche Bewertung bekommt wie ein Immobilienerbe." Stand jetzt würde die Person hier womöglich Recht bekommen.
Wen genau betrifft denn die neue Regelung zur Erbschaftssteuer?
Die neuen Schenkungs- und Erbschaftssteuerreglungen betreffen alle Menschen, die eine Immobilie vererbt bekommen, welche sie nicht selber bewohnen möchten. Denn bis 200 Quadratmeter Wohnfläche ist die selbst genutzte Erb-Immobilie immer komplett steuerfrei.
Wird die Immobilie nicht selbst genutzt, dann profitieren die Erbenden nach wie vor von einem steuerlichen Freibetrag: 400.000 Euro pro Elternteil und pro Kind. Wenn also zwei Elternteile einem Kind ihr Haus vererben oder zu Lebzeiten schenken, dann hat das Kind 800.000 Euro Freibetrag – erst, wenn die Immobilie darüber hinaus bewertet wird – also 'mehr wert ist' – fällt die Steuer an. Zusätzlich fällt für Erben die Grunderwerbssteuer weg.
Welche politischen Stellschrauben gibt es noch?
Die wichtigste Stellschraube sind genau diese Freibeträge. Die Union lässt durchblicken, dass sie im Bundesrat dafür plädieren will, diese Grenze anzuheben. Zudem fordert die CSU, dass die Länder selbst über die Freibeträge entscheiden können. Die Höhe soll sich dann je nachdem bemessen, in welcher Region sich die zu vererbende Immobilie befindet. Bei sehr großen Immobilien, zum Beispiel Mehrparteienhäusern, die also entsprechend viel wert sind, wäre so eine Anhebung allerdings nicht wirklich hilfreich. Bei einem Immobilienwert von 10 Millionen Euro macht es kaum einen Unterschied, ob der steuerliche Freibetrag bei 400.000 oder 600.000 Euro liegt.
Deshalb gibt es die Forderung vom Eigentümerverband Haus und Grund, die Erbschaftssteuer so anzusetzen, dass sie auch sozialen Vermieterinnen und Vermietern zugutekommt. Das würde bedeuten, dass die Bewertung nach dem tatsächlich möglichen Ertragswert der Immobilie stattfindet.
Eine andere Idee ist, die Erbschaftssteuer umzubauen. Denn bisher ist dieser Steuersatz progressiv, passt sich also der Höhe an. Stattdessen könnte man die Freibeträge wegfallen lassen und einen einheitlichen Erbschaftssteuersatz ansetzen. Im Gespräch sind hier fünf oder auch zehn Prozent.
Was spricht gegen eine schnelle Überschreibung der Immobilie bis zum Jahresende?
Der größte Unterschied zwischen einem Aktiendepot und einer Immobilie liegt vermutlich in den Emotionen, die damit verbunden sind. Während Aktien die Herzen ihrer Besitzer eher nicht höherschlagen lassen, sind mit Häusern und Wohnungen oft ganze Familiengeschichten verbunden. Gerade deshalb sollte damit nichts übers Knie gebrochen werden.
Denn mit so einer Überschreibung müssen viele Fragen beantwortet werden: Was passiert mit den aktuellen Bewohnern des Hauses im Pflegefall? Was ist, wenn die Familie sich zerstreitet? Was geschieht bei Trennung und Scheidung? Wer gehört zur Erbengemeinschaft? Wie funktioniert ein Nießbrauchrecht – und so weiter. Jeder Fall ist verschieden, jede Familie ist verschieden, deshalb braucht so ein Prozess Zeit. Entsteht durch voreilige Entscheidungen innerfamiliärer Streit, können die gesparten Kosten für die Erbschaftssteuer im Zweifel am Ende wieder bei Notaren und Rechtsanwälten landen.
Eine schnelle Überschreibung, noch vor Jahresende, empfiehlt sich also eher für Betroffene, bei denen der Erbfall bereits eingetreten ist und die soweit alle Besitzverhältnisse geklärt haben – nur bisher die offizielle Überschreibung durch einen Notar noch versäumt haben.
Welche Möglichkeiten gibt es, um Immobilien schon zu Lebzeiten möglichst steuerarm zu überschreiben?
Zu diesem Thema gibt es viele verschiedene Ratgeber von den Verbraucherzentralen oder anderen Verbraucherschützern. Und auch jeder Steuerexperte oder Rechtsanwältin mit Erbschafts-Schwerpunkt kann hierzu Auskunft geben.
Beliebt ist beispielsweise die häppchenweise Schenkung zu Lebzeiten. Denn alle zehn Jahre erneuert sich der Freibetrag, so können zwei Eltern (2 mal 400.000 Euro) ihrem Kind innerhalb von 20 Jahren 1,6 Millionen Euro steuerfrei überschreiben. In vielen Regionen ist das weit mehr als der tatsächliche Wert der Immobilie. Mit ‚steuerlicher Gestaltung‘ kann es also relativ einfach sein, eine Immobilie komplett steuerfrei zu übertragen.
Allerdings ist bei all diesen Konstruktionen wichtig, die eigenen Bedürfnisse nicht zu vergessen. Wer beispielsweise bis zum Lebensende im eigenen Haus wohnen bleiben möchte – auch wenn das inzwischen rein formal den Kindern gehört – sollte sich entsprechend ein Nießbrauchrecht sichern. In so einem Fall fällt wiederum die Schenkungssteuer weg.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Jahressteuergesetz?
Das Jahressteuergesetz 2023 ist aktuell in den parlamentarischen Beratungen und die Stellungnahme des Bundesrates ist bereits eingeholt. Es ist also damit zu rechnen, dass es noch dieses Jahr im Bundestag verabschiedet wird und letztlich auch in Kraft tritt. Das bedeutet: Ab dem 1.1.2023 vorgenommene Schenkungen und dann eintretende Erbfälle werden höchstwahrscheinlich nach dem neuen Berechnungskonzept der Immobilienwert-Verordnung besteuert.
Der Experte Anzinger von der Universität Ulm sagt dazu: "Was man da für Folgerungen draus zieht, diese Frage muss man im Steuersystem beantworten." Im Raum steht hierzu laut Anzinger, beispielsweise die Freibeträge anzupassen, die Steuer-Stundungs-Regelungen anzupassen oder auch gleich die Erbschaftssteuer im Ganzen anzugehen. Allerdings gibt Anzinger zu bedenken, dass die Staatskasse aktuell sehr belastet ist und es fraglich ist, ob ausgerechnet bei den Erbschaften die Steuern gesenkt werden können.
- Zum Artikel "Erbrecht: Antworten auf wichtige Fragen zum Testament"
BR24live: Erbschaftssteuer wird für viele steigen - Wie gerecht ist das?
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