Hätte voller sein können: Der Zuschauerraum bei der Eröffnungsrede der Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger zum Bildungsgipfel am Montag in Berlin.
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Hätte voller sein können: Der Zuschauerraum bei der Eröffnungsrede der Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger zum Bildungsgipfel.

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Geld? Personal? Wertschätzung? Wo es in der Bildung fehlt

Geld? Personal? Wertschätzung? Wo es in der Bildung fehlt

Bildungsgipfel, KMK, erstmals wieder steigende Schülerzahlen wegen Zuwanderung. Aktuell zeigt sich deutlich, wie viele verschiedene Akteure im Bildungsbereich unterwegs sind. Welche Verbesserungsvorschläge haben sie?

Über dieses Thema berichtet: Notizbuch am .

"Irgendwie hat man in unserem Bildungssystem immer das Gefühl, man muss perfekt sein", sagt eine, die es wissen muss. Sandra Paßreiter aus Straubing hat erst ihren Realschulabschluss gemacht, dann eine Lehre zur Chemielaborantin und ist dann nochmal weiter zum Abitur und an die Uni gegangen. Sie sagt, die Schule mache den Kindern und Jugendlichen viel zu viel Perfektions-Druck: "Wenn man das halt nicht weiß, oder einem das nicht gesagt wird, dann muss man das herausfinden. Und manche tun das früher und manche später."

Zum Bildungsgipfel kommt niemand - die KMK ist gut besucht

Dass Kinder und Jugendliche das besser früher als später herausfinden – in dem Ziel dürften sich alle Beteiligten der Bildungspolitik einig sein. Und doch funktioniert die Kommunikation der verschiedenen Akteure im Bildungswesen nur allzu oft nicht, wie es vergangene Woche viele Beobachterinnen und Beobachter – teils kopfschüttelnd – zur Kenntnis nehmen mussten.

Als die Bildungsministerin des Bundes, Bettina Stark-Watzinger (FDP), zum Bildungsgipfel nach Berlin geladen hatte, kam fast niemand. Als allerdings tags drauf die Kultusministerkonferenz zur turnusmäßigen Sitzung lud, wollten alle Kultusministerinnen und –minister erscheinen. Inhaltlich soll es hier wie dort um dieselben Fragen gehen: Wie können wir Bildung verbessern? Was können wir gegen den Lehrerinnen- und Lehrermangel tun?

Bildungsföderalismus sorgt für Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern

Beim einen kooperiert man nicht, beim anderen bringt man sich bereitwillig ein – dass das überhaupt geht, dahinter steckt der Bildungsföderalismus. Und der sei einer der wichtigsten Hemmschuhe für die deutsche Bildungspolitik, sagt Werner Klein. Der gelernte Pädagoge ist inzwischen pensioniert und war lange für die Qualitätssicherung in Schleswig-Holsteins Schulen zuständig. Er kennt das Bildungssystem in Deutschland sehr gut.

Klein sagt aber auch, es ist nicht nur die strikte Trennung der Zuständigkeit zwischen Bundesländern und Bund. Es sind mehrere Punkte, die dazu führen, dass Kinder strukturell benachteiligt werden – obwohl Deutschland künftig dringend angewiesen sein wird auf jedes Kind und alle Jugendlichen, die nach mindestens zehn Schuljahren die Ärmel hochkrempeln und Lust darauf haben, ihren Teil zum "Aufrechterhalten des Wohlstands" beitragen, wie Klein es formuliert.

Zu wenig Geld, zu wenig Personal, zu viel Demotivation

Da ist auch noch das Problem der chronischen Unterfinanzierung: Im internationalen Vergleich liegt Deutschland bei seinen Ausgaben fürs Bildungssystem prozentual konstant unter dem Durchschnitt der OECD und der EU. Hinzu kommt der in vielen Bundesländern frühe und strenge Übertritt: In Bayern lernen alle Kinder gemeinsam bis sie zehn Jahre alt sind. Ab dann gilt es, den vorgemerkten Abschluss zu erreichen – sofern man nicht zu den Auf- oder Absteigern gehören möchte, die im vollen Lauf ihr soziales Umfeld zurücklassen und die Schule wechseln.

Denn statistisch gesehen steigt von drei Kindern, die in Bayern die Schule wechseln, eines auf, während zwei absteigen. "Und das ist eine solche Demütigung", findet Klein. "Den sozialen Raum verlassen zu müssen, weil meine Leistungen nicht ausreichen." So etwas dürfe es in einem modernen Schulsystem eigentlich nicht mehr geben, findet er.

Auch Simone Fleischmann sieht das Schulsystem als solches kritisch: "Wir demotivieren Kinder in diesem Schulsystem", konstatiert die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands. "Das ist strukturell bedingt, dass wir sie demotivieren. Und da müssten wir eigentlich aufräumen." Allerdings sei das nicht so einfach.

Gerade reiche Eltern blockieren oft den Reformwillen

Gerade, weil aus den sozioökonomisch gut aufgestellten Elternhäusern viel Widerstand komme. Dort gebe es viele Vorbehalte gegenüber Konzepten wie dem gemeinsamen Lernen bis zu zehnten Klasse: "Wir haben eine Geschichte hier mit dem Schulsystem und die Geschichte heißt: Derjenige, der am Gymnasium die besten Chancen hat, ist der bessere Mensch."

Auch Waltraud Eder sieht das Problem. Sie ist nicht nur die Sprecherin der Bildungsallianz des Mittelstands, sondern auch Schulleiterin der Realschule in Plattling in Niederbayern. Der grundsätzlichen Kritik von Simone Fleischmann will sie sich aber nicht anschließen: "Es muss sich nicht grundlegend etwas ändern", sagt sie gegenüber BR24. Stattdessen fordert sie: "Lasst Lehrkräfte und Schulen endlich für sich in Ruhe arbeiten."

Eder: Schulsystem muss nicht grundlegend reformiert werden

Dazu gehöre auch, dass nicht ständig an dem Grundkonstrukt des Bildungsföderalismus gerüttelt werde. Stattdessen solle man in Bayern die guten Ergebnisse der Leistungsstudien wie Pisa anschauen und dort nachhaken, wo es fehlt. Das sei dann vor allem bei den Fachkräften von außen der Fall, für die Systembetreuung oder die Leitungsfunktionen.

Den frühen Übertritt und damit auch die frühe Trennung in leistungsstarke und nicht so leistungsstarke Kinder verteidigt Eder. Die Kinder seien einfach zu verschieden. Solange es zu wenig Personal gebe, sei es wichtig, dass Gymnasiallehrer früher auf die Bedürfnisse der leistungsstärkeren Kinder eingehen - gerade, um sie individuell fördern zu können.

Und noch etwas ist Eder wichtig: "Mit Jammern und Schlechtreden gewinnen wir keine einzige neue Lehrkraft", glaubt sie. Weil die jungen Abiturientinnen und Abiturienten sich nicht auf einen Beruf einließen, der einen derart schlechten Ruf habe.

Mehr Wertschätzung für Bildung wäre erster Schritt

Womit man wieder zurück bei Werner Klein wäre, dem Pädagogen aus Schleswig-Holstein. Er hat den Eindruck, dass es in Deutschland ganz grundsätzlich an der Wertschätzung für den so kostbaren Rohstoff Bildung gebe. Dabei müsse "alles getan werden, um den Kindern ein gutes Bildungsangebot zu machen."

Als Beleg zieht Klein die Gehälter heran: In Finnland würden Lehrerinnen und Lehrer etwa halb so viel Geld verdienen wie in Deutschland. Und trotzdem würden sich dort achtmal so viele Menschen auf ein Lehramtsstudium bewerben, wie es Plätze gibt.

Während die Erwachsenen sich darüber streiten, was das Bildungssystem wahlweise stärken oder retten könnte, gehen die Kinder und Jugendlichen weiter in die Schule. Viele zeigen laut Untersuchungen zunehmend Erschöpfungssymptome. Auch, weil nach der Pandemie einfach so weitergemacht werde wie davor.

Paßreiter: "Wenn man es von sich aus will, dann geht das auch"

Notendruck, Leistungsanreize und Versagensängste machen sich in vielen Klassen und Jahrgangsstufen breit. Dagegen helfen könnte ein gemeinsames Konzept für mehr vernetzte und kooperative Schule. Und vor allem ein wertschätzenderer Umgang mit allen ins Bildungssystem Involvierten.

Sandra Paßreiter, die Chemielaborantin, die inzwischen an der TU in München promoviert und Antikörpertests für verschiedene Infektionskrankheiten herstellt, konstatiert: "Heutzutage hat man so viele Möglichkeiten." Was oft fehle, seien aber nicht die Befähigungen, sondern der Mut, der Wille und der Ansporn von außen, um die individuellen Möglichkeiten auch auszuschöpfen. Und es sei ja wie immer im Leben: "Wenn man es von sich aus will, dann geht das auch."

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