Die Europäische Zentralbank (EZB) um Chefin Christine Lagarde stemmt sich mit einer historischen Zinserhöhung gegen die Rekordinflation im Euroraum. Erstmals in der Geschichte der Notenbank beschloss der EZB-Rat eine Zinsanhebung um 0,75 Prozentpunkte. Damit steigt der Leitzins, zu dem sich Geschäftsbanken frisches Geld bei der EZB leihen können, auf 1,25 Prozent, wie die Notenbank am Donnerstag in Frankfurt mitteilte.
Kredite werden voraussichtlich erneut teurer
Die Geschäftsbanken werden die jüngsten Steigerungen wohl zeitnah an ihre Kunden weitergeben, d.h. unter anderem, dass Kreditzinsen weiter steigen. Zuletzt sind unter anderem die Bauzinsen auf den höchsten Stand seit zehn Jahren geklettert und der Trend durfte anhalten. Denn die Notenbank stellte weitere Zinserhöhungen in den nächsten Monaten in Aussicht. Auf der anderen Seite durften sich aber auch die Sparzinsen erhöhen. Die Zeit der Negativzinsen für Tages- und Festgeld scheint vorbei zu sein. Real haben die Sparer davon aber nichts, da die aktuell sehr hohe Inflationsrate die mickrigen Sparzinsen auffrisst, der Realzins bleibt also auch weiter im Minus.
Zinserhöhung absehbar
Signalisiert hatte der EZB-Rat für seine September-Sitzung bereits frühzeitig eine weitere Zinserhöhung um 0,5 Prozentpunkte. Doch weil die Teuerungsrate zuletzt weiter anzog, nahm der Druck auf die Euro-Währungshüter zu, einen größeren Schritt zu beschließen. Höhere Zinsen können steigenden Teuerungsraten entgegenwirken.
Ende der Phase der Negativzinspolitik
Nach langem Zögern hatte der EZB-Rat bei seiner Sitzung am 21. Juli erstmals seit elf Jahren die Zinsen im Euroraum wieder angehoben. Zur Freude von Millionen Sparern beendete die Notenbank die Phase der Negativzinspolitik: Geschäftsbanken müssen seither nicht mehr 0,5 Prozent Zinsen zahlen, wenn sie Geld bei der Notenbank parken. Viele Banken nahmen dies zum Anlass, sogenannte Verwahrentgelte für ihre Kunden abzuschaffen. Der sogenannte Einlagensatz steigt nach der EZB-Entscheidung vom Donnerstag auf 0,75 Prozent.
Die EZB hatte die hohe Inflation lange als vorübergehend interpretiert und hat deutlich später als andere viele andere Zentralbanken die Zinswende eingeleitet. Die US-Notenbank Fed beispielweise hat ihre Leitzinsen bereits mehrfach nach oben geschraubt, dabei zweimal um jeweils 0,75 Prozentpunkte.
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EZB-Chefin Lagarde: Konjunktur im Euro-Raum droht Stagnation
Die Konjunkturaussichten für die Euro-Zone sind laut EZB düster. Die Wirtschaft werde sich deutlich verlangsamen, sagte Präsidentin Lagarde nach der Zinssitzung. Es sei mit einer Stagnation im späteren Jahresverlauf und dem ersten Quartal 2023 zu rechnen. Dieser Ausblick spiegelt sich auch in den jüngsten von Fachleuten der EZB erstellten Projektionen für das Wirtschaftswachstum wider.
Viele Volkswirte halten es inzwischen für möglich, dass die Wirtschaft im Euro-Raum aufgrund der anhaltenden Energiekrise in Folge des Ukraine-Kriegs und der noch nicht ausgestandenen Lieferkettenprobleme im Herbst in eine Rezession rutschen könnte. Jüngste Wirtschaftsdaten untermauerten zuletzt diese Befürchtung.
Mit Material von dpa und Reuters.
Inflation im August auf Rekordhöhe
Ein Ende der Preissteigerungen im Euroraum ist nicht in Sicht: Im August kletterte die Inflation im Währungsraum der 19 Länder getrieben von steigenden Energie- und Lebensmittelpreisen auf die Rekordhöhe von 9,1 Prozent. Volkswirte rechnen für die nächsten Monate mit einem weiteren Anstieg. Die EZB strebt für den gemeinsamen Währungsraum mittelfristig ein stabiles Preisniveau bei einer Jahresteuerung von zwei Prozent an - die Inflationsrate liegt damit inzwischen mehr als vier Mal so hoch.
Im laufenden Jahr wird die Teuerungsrate im Euroraum nach EZB-Einschätzung noch deutlich höher ausfallen als vor drei Monaten erwartet. Die Notenbank rechnet inzwischen mit 8,1 Prozent Inflation im Gesamtjahr 2022. In ihrer Juni-Prognose hatte die EZB noch eine Teuerungsrate von 6,8 Prozent für das laufende Jahr vorhergesagt.
Bundesbank-Präsident: "Ist mit weiteren Zinsschritten zu rechnen"
Für immer mehr Menschen werde die hohe Inflation zu einer enormen Belastung, sagte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel jüngst. Nagel, der im EZB-Rat über die Geldpolitik mitentscheidet, sprach sich für eine "kräftige Zinsanhebung" im September aus und erklärte: "Und in den folgenden Monaten ist mit weiteren Zinsschritten zu rechnen." Die Geldpolitik müsse die hohe Teuerung entschlossen bekämpfen.
Zugleich gibt es unter Währungshütern Sorge, mit einer zu schnellen Normalisierung der zuvor jahrelang ultralockeren Geldpolitik die Konjunktur zu bremsen, die ohnehin mit Lieferengpässen und den Folgen des Ukraine-Krieges etwa auf dem Energiemarkt zu schaffen hat. Die EZB behält sich daher vor, über Anleihenkäufe hochverschuldeten Euro-Staaten unter die Arme zu greifen.
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