Eine Gemeinde im oberpfälzischen Landkreis Regensburg
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Im Speckgürtel von Regensburg wird kräftig gebaut

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Köfering – die am schnellsten wachsende Gemeinde in Bayern

1960 war Köfering noch das kleinste Dorf im Landkreis Regensburg. Heute ist es die Gemeinde mit dem größten Wachstum in ganz Bayern. Die Zahl der Einwohner könnte bis 2030 auf mehr als 5.000 anwachsen und sich damit fast verdoppeln.

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Die Gemeinde Köfering im Speckgürtel von Regensburg war lange ein Bauerndorf. Doch das ändert sich. Denn es wird kräftig gebaut: Allein im Norden der Gemeinde entstehen mehr als 600 neue Häuser. Doch das Wachstum schafft auch Probleme.

Der Verkehr in der 2.700-Einwohner-Gemeinde Köfering stößt schon jetzt an seine Grenzen. Rund 12.000 Lkw und Pkw passieren jeden Werktag einen Kreisverkehr direkt neben ihrem Haus, wie Hedwig Wimmer sagt. "Das beeinträchtigt mich insofern, dass ich nicht mehr in den Garten gehen kann. Auch wegen der Abgase, die entstehen. Der Reifenabrieb und der Lärm sind nicht zum Aushalten." Eigentlich will die 70-Jährige ihren Ruhestand genießen. Zusammen mit ihrem Mann hat Hedwig Wimmer eine Gärtnerei betrieben. Doch seit über zwei Jahren findet sie keine Ruhe mehr.

Lärmschutz: Alt- und Neubürger werden nicht gleich behandelt

Gleich nebenan wird ein Mehrfamilienhaus mit 50 Wohnungen gebaut. Die neuen Anwohner bekommen eine dreieinhalb Meter hohe Lärmschutzmauer – Familie Wimmer nicht. "Das sind Neubürger, da ist es vorgeschrieben", sagt Wimmer. "Aber bei den Altbürgern ist es nicht vorgeschrieben, sonst wären wir ja ein Präzedenzfall. Sonst müsste der ganze Ort an der Hauptstraße einen Schallschutz kriegen." Droht da eine Spaltung zwischen Alt- und Neubürgern?

In Sachen Infrastruktur ist Köfering bei der Lebensmittelversorgung mit drei Supermärkten gut aufgestellt. Doch einen Ortskern als sozialen Treffpunkt für Eingesessene und Zugezogene sucht man vergeblich. Selbst die Post ist schwer zu finden. Die Filiale hat nur vormittags geöffnet. Auch die Größe der Grundschule wird wohl nicht ausreichen. Und im Ort gibt es derzeit nur eine Gastwirtschaft.

Integration: 40 verschiedene Nationen in Köfering

Vom kleinsten Dorf im Landkreis Regensburg hat sich Köfering zur Gemeinde mit dem größten Wachstum in ganz Bayern entwickelt. Das ist auch für den Bürgermeister eine große Herausforderung. Armin Dirschl, von Beruf Bauingenieur, leitet sein Amt nebenberuflich. "Wir haben über 40 Nationen bei uns in Köfering, das ist auch nicht so bekannt. Natürlich gibt es mal Reibereien. Aber nichts, was über die Normalität hinausgeht. Und ich glaube dass wir das gut meistern können, wenn die es wollen." Der Bürgermeister baut auf die Integrationskraft der Vereine oder der freiwilligen Feuerwehr.

Verkehr: Bürgermeister hofft auf Südspange

Bleibt das Problem mit dem Verkehr? Der öffentliche Personennahverkehr wird es nicht lösen: Nach Regensburg fährt der Bus maximal einmal pro Stunde. Armin Dirschl von der Bürgerliste Köfering hofft auf die große Ortsumgehung. "Wir warten ganz dringend auf die Südspange. Und das wird dann die Entlastung bringen, wenn die Weiterführung gebaut ist." Ein Anwohner klage noch dagegen, sagt Dirschl. Daher werde es noch mindestens zwei bis drei Jahre dauern, bis die Verkehrsentlastung komme.

Grünen-Politikerin warnt vor Überlastung der Gemeinde

Susanne Leikam von den Köferinger Grünen glaubt hingegen, dass die Kommune den Zuzug von so vielen Bürgern unterschätze. Allein der neue Kindergarten sei viel zu klein geplant. Leikam, die einzige Grüne im Gemeinderat, fürchtet, der Ort werde sich finanziell überfordern. "Die Verwaltung muss aufgestockt werden. Der Bauhof, die Straßen müssen in Stand gehalten werden. Der Haushalt der Gemeinde ist so eng, dass er vom Landratsamt nicht genehmigt werden konnte. Oder nur genehmigt wurde durch eine Corona-Sonderregelung. Die Folgekosten sind nicht abgedeckt." Sie wehre sich nicht grundsätzlich gegen ein Neubaugebiet, es gehe ihr nur zu schnell, fügt Leikam hinzu.

Diskussion um Neubauprojekt

Die Geschicke des Ortes bestimmen seit 450 Jahren die Grafen von und zu Lerchenfeld. 2017 kaufte der Immobilienunternehmer Markus Dirnberger von Graf Phillip, mit dem er gut befreundet war, das 14 Hektar große Areal im Norden von Köfering. Die ersten 100 Häuser hat Markus Dirnberger in acht Wochen verkauft. Die Kaufpreise für die Einfamilien- und Reihenhäuser gehen bei 400.000 Euro los. Susanne Leikam kritisiert, dass hier kein bezahlbarer Wohnraum für untere und mittlere Einkommensschichten entstehe, sozialer Wohnungsbau sei überhaupt nicht vorgesehen. "Die Gemeinde hätte langsamer vorangehen sollen. Schon Baugebiete ausweisen, aber nicht nur Häuser, sondern auch Wohnungen. Wie soll eine Ortschaft so viele Neuzugänge integrieren?" Die Gemeinde hätte außerdem den Grund selbst kaufen und vermarkten sollen, sagt Leikam. Doch dafür habe es keinen finanziellen Spielraum gegeben, erwidert der Bürgermeister.

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