Auf den ersten Blick sieht es unspektakulär aus, was Armin Hadzalic macht. Der Softwareentwickler von Siemens steht neben einem großen Bildschirm und chattet mit seinem Gegenüber. Das Besondere an der Situation: Sein Gegenüber ist kein Mensch, sondern eine Maschine.
- Zum Artikel: Siemens erwartet anhaltenden Boom bei Fabrik-Automatisierung
Siemens zeigt "Revolution" auf Fachmesse in Nürnberg
Die SPS (Smart Production Solutions) in Nürnberg ist eine der größten internationalen Fachmessen für elektrische Automatisierungstechnik. Wie überall in den Messehallen ist auch am Stand von Siemens viel Betrieb. Kein Wunder, denn hier ist eine "Revolution" zu sehen. So zumindest bezeichnet Siemens seine Neuerfindung. Eine Entwicklung in Zusammenarbeit mit Microsoft: der "Industrial Copilot". Dieser Assistent funktioniert im Prinzip so ähnlich wie "ChatGPT" – das Programm, in dem man Fragen stellt und die künstliche Intelligenz liefert eine Antwort. Der Industrial Copilot ist quasi das ChatGPT für die Industrie.
"Ich kann jetzt mit der Maschine reden. Das war früher relativ kompliziert, man musste Programmiersprachen kennen", erklärt Hadzalic. Dank des neuen Kopiloten sei das jetzt mit normaler Sprache möglich: Wie viele Teile hat die Maschine in der letzten Stunde produziert? Arbeitet die Maschine langsamer? Solche Fragen kann der digitale Assistent beantworten.
Erster Praxistest bei Schaeffler
Beim Automobilzulieferer Schaeffler aus Herzogenaurach wird die Neuerfindung zum ersten Mal in der Praxis getestet. Man erhofft sich eine schnellere Produktion und damit eine Zeitersparnis. "Wir reden von Arbeitsschritten, die früher zum Teil Wochen gedauert haben. Die können wir heute in Tagen durchführen", erklärt Julius Bockamp aus der Technologieabteilung von Schaeffler.
Die neue Software könne zum Beispiel beim Programmieren viel Zeit sparen. Sind Programmierer in Zukunft dann überflüssig? Nein. "Es ist nicht so, dass wir hier von einem Ersatz sprechen können. Wir schaffen im besten Fall 70 bis 80 Prozent Arbeitserleichterung", so Bockamp. Der Programmierer an sich werde aber immer noch gebraucht, er werde nur effizienter.
Damit alles fehlerfrei funktioniert, muss der neue technische Assistent mit Informationen über die Maschinen gefüttert werden. "In der Fabrik dürfen natürlich keine Fehler passieren", betont Siemens-Pressesprecher Patrick Lunz. "Wir müssen absolut sicherstellen, dass die Informationen glaubwürdig und korrekt sind."
Chat-Funktion nicht nur mit Produktionsmaschinen
Auf dem Markt ist der neue Assistent – also die Software, die auf die jeweilige Produktionsmaschine gespielt wird – noch nicht erhältlich. Doch das Pilotprojekt mit Schaeffler soll erst der Anfang sein, hofft man bei Siemens. Denn die Technologie lasse sich auch in anderen Branchen anwenden, wie zum Beispiel in der Gebäudetechnik oder in der Mobilität.
"Es ist jetzt keine Technologie, die der Otto Normalverbraucher auf seinem Handy hat", erklärt Lunz und setzt dann doch zum Vergleich mit ChatGPT auf dem Smartphone an. "Jeder, der diese Technologie schon im Privatbereich genutzt hat, versteht, welche Macht dahintersteckt: wie es einen schneller arbeiten lassen kann, wie es einen auf neue Ideen bringen kann." Das sind alles Dinge, die man jetzt schon im Privaten nutzen könne und die Siemens nun auch in die Industrie bringen möchte.
- Zum Artikel: Künstliche Intelligenz: Wie ChatGPT die Arbeitswelt verändert
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!