Räder der Firma Vanmoof stehen im Laden am Rosa-Luxemburg Platz. Am Mittwoch, 16. März 2022 stellt der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) die Entwicklungen der Fahrradindustrie vor.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Annette Riedl

Aufsperren und losfahren funktioniert bei den smarten E-Bikes von Vanmoof via App.

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Nach Pleite von Vanmoof: Smarte E-Bikes in der Kritik

Smarte E-Bikes lassen sich via App bedienen und sind bei Kunden sehr beliebt. Doch wenn die Technik ausfällt, funktionieren weder Gangschaltung noch Fahrradschloss. Die Firmenpleite des Start-ups Vanmoof hat nun viele aufgeschreckt.

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Der E-Bike-Markt boomt. In diesem Jahr sollen erstmals mehr E-Bikes verkauft werden als herkömmliche Fahrräder ohne Motor – sogenannte "Bio-Bikes". Investoren haben wegen der starken Nachfrage viel Geld in Start-ups gesteckt, die smarte E-Bikes herstellen. Die Fahrräder sind mit dem Internet-Server des Herstellers verbunden, ähnlich wie etwa ein Tesla oder ein iPhone.

Smarte E-Bikes stark vom Hersteller abhängig

Vanmoof ist genau so ein Hersteller und die Pleite des niederländischen Start-ups hat nun ungeahnte Folgen: Denn, wenn die Software eines smarten E-Bikes veraltet oder ausfällt, geht oft gar nichts mehr. Außerdem produziert niemand sonst passende Ersatzteile.

Nach Pleite: Ersatzteile fehlen, Software bricht weg

Die Fahrräder von Vanmoof galten lange Zeit als eine Art iPhone auf zwei Rädern oder als Tesla der E-Bike-Welt, weil auch sie über eine Mobile App bedient werden. Nach seiner Gründung 2009 machte der niederländische Fahrradhersteller bald Furore mit seiner damals einzigartigen Diebstahlsicherung. Vor allem für urbane Citybikes, wie sie in Großstädten gern gefahren werden, ist der Schutz vor Dieben natürlich ein wichtiges Zubehör, genauso wie die Möglichkeit, ein gestohlenes Rad zu tracken und nachzuverfolgen. Auch diesen Service bot Vanmoof an, was seine E-Bikes für viele Kunden zu etwas Besonderem machte.

Jetzt, da Vanmoof insolvent ist, könnte die Internet-Unterstützung mit Software und Server bald wegbrechen. Die starke Vernetzung von solchen smarten Produkten aus dem "Internet der Dinge" hat im Pleitefall entscheidende Nachteile.

Diebstahlsicherung und elektronische Gangschaltung

Das Verfahren, das Vanmoof anbot, war eine Kombination von Smartphone-App mit dem Fahrrad. Zum Aufsperren und Losfahren wurde beim Hersteller jeweils ein exklusiver Token produziert, der via Smartphone dann mit einer Bluetooth-Verbindung übermittelt wurde. Das war zunächst nicht zu knacken und stellt jetzt ein riesengroßes Problem dar. Einige andere Hersteller von smarten E-Bikes wie Cowboy bieten zwar jetzt einen elektronischen Standard-Schlüssel für einige, wenn auch nicht alle Modelle von Vanmoof an, die Nutzung bleibt aber eingeschränkt ohne die voll funktionsfähige Original-App.

Der elektronische Key für das Datenschloss lässt sich teilweise beim zentralen Server von Vanmoof in den Niederlanden abrufen und für technikaffine Nutzer dann separat auf das eigene Smartphone übertragen. Ohne Updates ist es aber gut möglich, dass solche Ausweichmethoden nicht lange gut funktionieren.

Schließlich haben smarte Fahrräder ja auch eine elektronische Gangschaltung, bei der sich die Übersetzung je nach gewünschter Fahrweise mit der Software verändern lässt. Wenn diese Software nicht mehr gewartet wird und keine Updates mehr bekommt, dürfte der gewohnte Komfort beim Schalten bald fehlen.

Finanzinvestoren waren fasziniert von Eigenheiten bei Vanmoof

Die Besonderheiten des Produkts, die zentrale Vermarktung über das Internet und der digitale Charakter der Smart Bikes, lockten viele internationale Investoren an. Die steckten in das niederländische Start-up immer wieder hohe Summen, wie die 200 Millionen Dollar aus einer einzigen großen Finanzierungsrunde.

So störte es zunächst auch wenig, dass das Geschäftsmodell keine Gewinne abwarf. Viel Geld ging verloren durch Produktmängel und Retouren, etwa wenn die Software nicht richtig funktionierte oder einer der eingebauten Akkus vorzeitig kaputtging. Bei anderen Herstellern gab es so gut wie keine Ersatzteile für diese Räder, ganz bewusst nicht. Das sollte die Exklusivität der Marke unterstreichen.

Verärgerte Händler und Fahrradbesitzer

Anfangs vertrieb Vanmoof seine E-Bikes exklusiv übers Internet. Sie konnten zunächst auch nur vom Hersteller gewartet und repariert werden. Erst als diese Art der Reparatur zu teuer wurde, suchte man auch Fahrradhändler vor Ort dafür. Diese sind nun verärgert, weil viele bestellte Räder und Ersatzteile nun nicht mehr geliefert wurden, egal ob sie bezahlt waren oder nicht. Das trifft auch viele Kunden hart, die bei Insolvenzfällen wenig Hoffnung haben und in der Regel auf einen Großteil ihres Geldes verzichten müssen.

Was Verbraucherschützer beim Fahrradkauf raten

Verbraucherschützer raten, auch E-Bikes lieber mit Standard-Ersatzteilen statt mit einem ausgefallenen Design zu kaufen und damit auch den Händler vor Ort zu unterstützen. Immerhin versprach der Insolvenzverwalter von Vanmoof, dass die elektronische Wegfahrsperre weiterhin funktionieren soll und zumindest ein eingeschränkter Fahrbetrieb möglich bleibt. Der Tracking-Service mit der Weiterverfolgung gestohlener Räder mittels GPS-Daten wird aber nicht mehr angeboten.

Es gibt auch eine letzte Hoffnung, dass jemand das niederländische Unternehmen kauft, in das Investoren schon mehrere hundert Millionen Dollar gesteckt haben.

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