Praktikantin Sibylle Hoffmann bei ihrer Praktikumswoche in der Firma Daimler Buses.
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Praktikumswochen sollen Firmen und Jugendliche zusammenbringen. Ein Projekt von Handwerkskammer und IHK in München.

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Praktikumswochen: Wie Jugendliche eine Lehrstelle finden können

Am 1. September beginnt das neue Ausbildungsjahr. Noch sind allein im bayerischen Handwerk mehr als 10.000 Lehrstellen unbesetzt. Praktikumswochen sollen Firmen und Jugendliche zusammenbringen - ein Projekt von Handwerkskammer und IHK in München.

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Sibylle Hoffmann steht in einer großen Lagerhalle, in einer Werkstatt für Reise- und Linienbusse. Sie trägt einen Blaumann, über den Schuhen zur Sicherheit Stahlkappen und blickt auf einen mehr als 20 Tonnen schweren, weißen Reisebus mit geöffneter Motorhaube. Die 18-Jährige ist fertig mit der Schule und auf der Suche nach einer passenden Ausbildung. Deswegen macht sie ein Praktikum im Münchner Unternehmen "Daimler Buses" im Bereich KFZ-Mechatronik für Nutzfahrzeuge.

Mit Praktikum Einblick in eine Ausbildung gewinnen

Sie möchte "einfach mal einen Einblick bekommen von diesem Beruf und dieser Ausbildung". Außerdem interessiert sie sich dafür, wie es ist, mit überwiegend männlichen Kollegen zu arbeiten. "Das hat man ja nicht so häufig", sagt sie.

Viele ihrer Freundinnen würden eher Berufe ausprobieren, die besonders viele Frauen ausüben: wie Kosmetikerin oder auch medizinische Fachangestellte. Sibylle will bewusst etwas anderes testen. Dafür bleibt sie eine Woche in der Firma für Nutzfahrzeuge, um verschiedene Bereiche kennenzulernen.

Handwerk: Noch 11.400 Lehrstellen in Bayern unbesetzt

"Daimler Buses" merkt, was viele Handwerksbetriebe umtreibt: einen akuten Fachkräfte- und vor allem Nachwuchsmangel. Zwar wurden bis Ende Juli bayernweit bereits 15.200 Lehrverträge im bayerischen Handwerk unterschrieben, das ist eine Steigerung von 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Trotzdem waren Ende Juli laut Bundesagentur für Arbeit noch etwa 11.400 Stellen unbesetzt. Den passenden Beruf zu finden, ist für viele Jugendliche nicht leicht. Firmen wiederum wissen oft nicht, wie sie junge Menschen erreichen und für sich gewinnen können.

Praktikumswochen: Berufsorientierung wie im Speed-Dating

Die Handwerkskammer München und Oberbayern hat deswegen die Praktikumswochen gestartet, ein Projekt zur Berufsorientierung. Junge Menschen können Schnupperpraktika machen, eine ganze Woche oder auch nur einen Tag lang, in verschiedenen Berufen, in verschiedenen Betrieben, erklärt Handwerkskammer-Präsident Franz Xaver Peteranderl. Auch die Firmen würden profitieren, wenn sie sich den jungen Menschen präsentieren können.

Die Berufsorientierung läuft bereits seit Anfang Juli. Seitdem haben nach Angaben der Handwerkskammer rund 160 Unternehmen aus dem Großraum München fast 6.300 Praktikumstage angeboten. Knapp 900 Praktikumstage wurden an rund 300 Schülerinnen und Schüler vermittelt. Das Angebot läuft noch weiter. Bis 11. September können Jugendliche die Praktikumswochen nutzen, heißt es von der Handwerkskammer. Bewerbungen für die Schnupperpraktika seien weiter möglich.

Jüngere und ältere Beschäftigte in einem Lager
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Um Betriebe und junge Menschen zusammen zu bringen, hat die Handwerkskammer München und Oberbayern ein Projekt gestartet: die Praktikumswochen.

Praktikumswochen: Zum ersten Mal auch Industrie und Handel dabei

In diesem Jahr beteiligt sich zum ersten Mal auch die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern an den Praktikumswochen. Das Angebot habe bei Unternehmen in und um München "einen Nerv getroffen", weil sie dadurch einen ersten Kontakt zum Fachkräftenachwuchs aufbauen können, sagt Florian Kaiser von der Beruflichen Ausbildung der IHK.

Das Angebot sei außerdem "niederschwellig" und daher leicht zu nutzen. In einer App können Schülerinnen und Schüler ihre Interessen und die Dauer für ihr Praktikum eingeben. Im Anschluss erhalten sie Vorschläge, welche Berufe sie in welchen Firmen testen können.

Praktikumswochen: Win-Win für Jugendliche und Unternehmen

Die Firma "Daimler Buses" bietet Schnupperpraktika in unterschiedlichen Bereichen an, zum Beispiel in der Lackiererei, im Lager oder in der Werkstatt. "Ich glaube, dass sich viele junge Leute von einem Handwerksberuf oder vor allen Dingen von unserem Beruf Nutzfahrzeuge gar nichts vorstellen können", sagt Geschäftsführerin Monika Morkel.

Zudem sei das Handwerk ihrer Meinung nach "jahrelang ein bisschen links liegen gelassen worden". Jugendliche seien dazu erzogen worden, Abitur zu machen. Dabei biete auch das Handwerk viele berufliche Chancen von der Ausbildung über den Meister bis zu einer Führungskraft.

Handwerk: Am Ende des Tages sieht man, was man getan hat

So weit im Voraus denkt ihre heutige Praktikantin Sibylle Hoffmann aber noch nicht. Erst einmal muss sich die 18-Jährige entscheiden, welche Ausbildung sie überhaupt starten möchte. Eines weiß sie bereits: Für sie persönlich kommt eher ein handwerklicher Beruf infrage, erzählt sie nach ihrem Schnuppertag im Bereich KFZ-Mechatronik. Am Handwerk gefalle ihr, mit den Händen zu arbeiten und am Ende eines Arbeitstages zu sehen, was sie getan hat.

Ein paar Tage nimmt sie sich noch Zeit, um zu überlegen. Aber sie spielt bereits mit dem Gedanken, sich hier zu bewerben. Auf jeden Fall ermutigt sie andere Frauen, sich zu trauen, auch in andere Bereiche hineinzuschauen und nicht "nur den Standard, wie medizinische Fachangestellte in Betracht zu ziehen".

  • Zum Artikel: Bayern - Gute Lage am Ausbildungsmarkt für Azubis

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