Ja, die Immobilienpreise sind mancherorts absurd hoch. Und ja, auch die gestiegenen Baupreise können schlaflose Nächte bereiten. Aber dass jetzt auch noch die Kreditzinsen dermaßen angestiegen sind, hat aus Philipp Schleichers Idealvorstellung einen geplatzten Traum werden lassen.
"Hier wären die drei Kinderzimmer gewesen", sagt der 33-jährige Familienvater und zeigt auf den Grundriss seines eigentlich schon fertigen Traumhauses. Auf der Nordseite des Hauses, das im oberfränkischen Kronach stehen sollte, hätten sie kochen und essen und Freunde einladen können. "Und da wäre es zum Garten rausgegangen." Sie hätten genügend Platz für alle gehabt. Schon 2021 hat die Familie das Grundstück gekauft. Dort, wo man es sich noch leisten kann.
Monatliche Fixkosten steigen immens
Bei dem Zins von damals, unter einem Prozent, hätten sie die monatliche Rate von 1.200 Euro gut stemmen können. Eine gute Zeit war das: "Wir haben plötzlich gesehen: Das geht. Wir könnten unser eigenes Haus bauen und fürs Alter vorsorgen", erzählt Schleicher. "Wir waren so kurz davor."
Aber jetzt, nur wenige Monate später, liegen die Kredit-Zinsen bei über drei Prozent, Tendenz steigend. Das klingt zunächst nicht gerade nach einer Hiobsbotschaft. Tatsächlich aber bedeutet der Zinsanstieg für Familie Schleicher, dass sie monatlich 900 Euro mehr zahlen müsste als geplant. 2.100 statt der möglichen 1.200 Euro.
Gründe für Zinsanstieg sind vielfältig
Schleicher und sein Finanzberater Matthias Zetzl haben alles durchgesprochen, mehrfach. Aber letztlich musste die Familie aus Pfaffenhofen an der Ilm das Projekt jetzt begraben. "Es ist einfach aus. Es geht nicht", sagt der gelernte Spediteur und versucht, nicht ganz genau hinzuschauen, wenn er noch einmal auf den Grundriss sieht.
So wie Familie Schleicher geht es aktuell vielen Menschen, erzählt der Finanzberater Matthias Zetzl. Der plötzliche Zinsanstieg lässt die Leute zurückschrecken. Und die Gründe für diesen Anstieg lassen vermuten, dass der Zins fürs Erste oben bleiben wird. Denn da spielt die Inflation eine große Rolle, zusammen mit dem Krieg in der Ukraine und der sogenannten "Zinswende" der amerikanischen Notenbank FED.
Zetzl sagt aber auch, dass aus Sicht der Geldhäuser der Moment einfach günstig sei, wieder höhere Zinsen zu verlangen: "Die Banken sehen, dass sie endlich wieder Geld verdienen können und sagen: Jetzt kann ich ein bisschen mehr aus dem Topf rausnehmen." All das zum Leidwesen privater Bauherren, beziehungsweise Fast-Bauherren, wie Philipp Schleicher.
Verbraucherschützerin: Rechtzeitig um Anschlussfinanzierung kümmern
Sowohl Matthias Zetzl, als auch Petra Gruber raten der Familie Schleicher, den Bau ihres Traumhauses fürs Erste für beendet zu erklären. Gruber ist Finanzberaterin beim Verbraucherservice Bayern in Ingolstadt. Aktuell kommen immer häufiger Kundinnen und Kunden zu ihr und müssen von ihrem Bauvorhaben ablassen. Das sei aber immer noch besser, als sich über die Maßen zu verschulden oder den Kredit zu sehr auf Kante zu nähen.
Besonders vorsichtig sollten übrigens auch diejenigen sein, die noch während der Niedrigzinsphase einen Kredit aufgenommen haben und in einigen Jahren eine Anschlussfinanzierung benötigen. Denn es ist davon auszugehen, dass die Zinsen bis dahin noch weiter steigen. Expertinnen und Experten raten auch hier dazu, das alles einmal durchzurechnen: Wie hoch ist die Restschuld? Wie viel höher wäre die monatliche Rate dann? Und wie langfristig bin ich bereit, meine Finanzierung durchzuhalten.
- Zum Artikel: "Erbbaurecht: Für wen es sich lohnt"
Forward-Darlehen kann Risiko senken
Für diejenigen, die 2024 oder 2025 einen neuen Kredit brauchen, könnte es sich zudem lohnen, sich schon jetzt um ein sogenanntes Forward-Darlehen zu bemühen. Bei dieser besonderen Form zahlt man an die Bank eine Art Risiko-Entschädigung, bekommt aber dafür den aktuellen Zins garantiert. Egal, ob der sich dann, wenn man es benötigt, auf einem noch höheren Stand befindet – oder ob er gefallen ist.
Inzwischen ist Familie Schleicher aus Pfaffenhofen zu dem Schluss gekommen, dass sie dort bleiben, wo sie sind. Das Grundstück verkaufen sie an die Gemeinde zurück. Und zwar zu dem Preis, den sie damals bezahlt haben. Zwar werden sie dann wegen der Inflation, der Notarkosten und der ganzen beauftragten Dienstleister ein Minus von etwa 10.000 Euro gemacht haben. Aber immerhin sind sie dann die laufenden Kosten los.
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