Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat in Wilhelmshaven das erste Flüssigerdgas-Terminal Deutschlands eröffnet. Die Errichtung in der Rekordzeit von knapp zehn Monaten zeige: "Unser Land kann Aufbruch und Tempo", sagte der SPD-Politiker am Samstag bei der Einweihungszeremonie, an der auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) teilnahmen.
Rund 400 Gäste bei Eröffnungsfeier
Herzstück des Terminals ist das fast 300 Meter lange Spezialschiff "Höegh Esperanza", das künftig das von Tankschiffen angelieferte verflüssigte Erdgas in den gasförmigen Zustand umwandeln und in das deutsche Gasnetz einspeisen soll. Scholz eröffnete das Terminal vom Ausflugsschiff "Helgoland" aus, das normalerweise Touristen transportiert. Rund 400 Gäste nahmen an dem Festakt auf dem Schiff teil.
Vier weitere Terminals sollen bis Ende nächsten Jahres entstehen: jeweils eines in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein), Stade (Niedersachsen) und Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern) - zudem ein weiteres in Wilhelmshaven. Sie können nach Angaben des Wirtschaftsministeriums zusammen ein Drittel der für die Versorgung Deutschlands benötigten Erdgasmenge aufnehmen.
Habeck mahnt weiter zur Sparsamkeit
"Dass das neue Importterminal in Wilhelmshaven startet, ist ein ganz entscheidender Schritt für die Versorgungssicherheit in Deutschland", sagte Habeck bereits vor der Eröffnung des Terminals den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Jetzt folgen schon rasch weitere Terminals in Brunsbüttel und Lubmin, ebenfalls noch für diesen Winter." Habeck rief aber weiter zu Sparsamkeit beim Gasverbrauch auf. "Es bleibt wichtig, sorgsam mit dem knappen Gut Gas umzugehen, auch wenn es kalt ist."
Den Vorwurf von Klimaschützern, Deutschland schaffe Überkapazitäten beim Gas und verbaue sich den Weg zu den Klimazielen, wies der Wirtschaftsminister zurück. "Mit den jetzt fest eingeplanten schwimmenden Terminals nähern wir uns im nächsten Winter 23/24 den bisherigen russischen Gasmengen an, erreichen diese aber noch nicht", sagte er. Außerdem werde bei der Leitungsinfrastruktur der Umstieg auf Wasserstoff mitgeplant.
Der Minister verteidigte auch die Kostensteigerungen bei den Flüssiggasterminals. "Wir bauen mit den LNG-Terminals eine komplett neue Infrastruktur in Deutschland auf. Die sei auch für die Versorgungssicherheit in Europa wichtig. Habeck dämpfte zugleich Hoffnungen auf rasch sinkende Energiepreise. "Mitten in der Krise Ersatz am Weltmarkt zu beschaffen, ist teuer. Und es wird auch noch eine Weile dauern, bis die Preise wieder sinken, wenn auch nicht auf das Niveau wie 2021."
Umweltschützer kritisieren Vorhaben scharf
Nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) wurde für die "schnelle und medienwirksame Eröffnung" eine bisher "einzigartige Einschränkung von Beteiligungs- und Umweltrechten in Kauf genommen". Die Umweltschützer kritisierten auch die unbefristete Betriebsgenehmigung des Terminals durch die niedersächsischen Behörden - "obwohl zur Einhaltung des 1,5-Grad-Limits der deutsche Ausstieg aus Erdgas bereits geplant werden muss". Nicht zuletzt sei die Einleitung großer Mengen Biozid erlaubt worden, das gehöre aber verboten. All das werde die DUH "notfalls auch mit rechtlichen Mitteln durchsetzen", erklärte die Organisation.
Habeck zeigte sich in den ARD-Tagesthemen überzeugt, dass die Genehmigung für die Terminals Klagen standhalten würde. "Wir agieren unter höchstem Druck, um die Versorgungssicherheit in Deutschland zu gewährleisten." Das bedeute, dass bei Beteiligungsprozessen "wir manchmal Verfahren einkürzen müssen", sagte der Minister. Das könne man nicht so gut finden, die Konsequenz aber wäre "ein Winter in Gasmangellage".
Klimaforscher: LNG-Terminals stehen Energiewende im Weg
Kritik äußerte auch Klimaforscher Niklas Höhne vom New Climate Institute in Köln. Falls alle geplanten Terminals gebaut und betrieben würden, könnte eineinhalb mal soviel Gas nach Deutschland importiert werden, wie vor dem Ukraine-Krieg aus Russland bezogen wurde - und das für weitere 20 bis 25 Jahre, sagte er im Interview mit BR24. "Insofern stehen sie der Energiewende komplett im Weg."
Ein bis drei LNG-Terminals wären in der aktuellen Situation nach Ansicht des Wissenschaftlers ausreichend. Denn "wir sind akut bedroht von der Energiekrise. Keiner will frieren. Und niemand will, dass das Licht ausgeht", so Höhne. Deshalb werde mit Nachdruck Ersatz für das fehlende Gas aus Russland gesucht. Er wünsche sich aber, dass mit demselben Nachdruck wie die Suche nach alternativen Gaslieferanten auch der Ausbau erneuerbarer Energien und das Sparen von Gas vorangetrieben werden. "Das sind die langfristigen Lösungen", so Höhne.
BDI-Präsident drängt zu Zulassung weiterer geplanter Terminals
Auch "mit dem neuen Terminal ist die Gefahr einer Gasmangellage noch längst nicht gebannt", warnte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. "Damit die Energieversorgung in Deutschland sicher bleibt, ist die zügige Inbetriebnahme der weiteren geplanten Terminals unabdingbar", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Zudem bleibe es "unerlässlich, dass Unternehmen, Bürgerinnen und Bürger weiterhin Gas einsparen".
- Zum Artikel: Gasversorgung in Deutschland: Wo stehen wir?
Das für das Terminal benötigte Spezialschiff "Höegh Esperanza" war am Donnerstag in Wilhelmshaven angekommen. Die sogenannte Floating Storage and Regasification Unit (FSRU) nimmt verflüssigtes Gas (LNG) von Tankern auf und wandelt es noch an Bord in Gas um. Dann kann es ins Netz eingespeist werden.
Die Bundesregierung hat die "Höegh Esperanza" gechartert. Der Uniper-Konzern betreibt das LNG-Terminal im Auftrag des Staates gemeinsam mit Partnerunternehmen. Neben dem Standort Wilhelmshaven hat die Regierung vier weitere schwimmende Flüssiggasterminals angemietet. Hinzu kommt ein privatwirtschaftliches Projekt in Lubmin.
Mit Informationen von AFP und dpa
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