Seit dem Jahr 1980 gilt die Welt als pockenfrei, Impfstoffe konnten die Krankheit ausrotten. Über Jahrhunderte zählten die Pocken zu den gefährlichsten Krankheiten überhaupt für den Menschen. Ein verwandter Erreger besorgt nun die Weltgesundheitsorganisation (WHO): die Affenpocken. Eigentlich findet man erkrankte Menschen fast nur in West- und Zentralafrika.
Am 20. Mai erster Fall in Deutschland nachgewiesen
Seit Mai treten aber vereinzelt Fälle in den USA und Kanada, aber auch in Europa auf, zum Beispiel Spanien, Portugal oder Großbritannien. Am 20. Mai 2022 hat das Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr in München den ersten Fall in Deutschland nachgewiesen. Ein Reisender, aus Portugal kommend, meldete sich mit Schluckbeschwerden und erhöhter Temperatur in München. Er wurde im Klinikum Schwabing auf der Isolierstation untergebracht. Bis zum 26. Juli 2022 sind insgesamt 2.410 Affenpockenfälle in Deutschland ans RKI übermittelt worden.
Was sind Affenpocken?
Erstmals nachgewiesen wurde der Erreger im Jahr 1958 bei Affen, in einem dänischen Labor. Daher kommt auch der Name "Affenpocken". Heute geht die Forschung davon aus, dass der Erreger eigentlich in Hörnchen und anderen Nagetieren zirkuliert. Affen können sich zwar mit ihm infizieren, sind aber ein sogenannter "Fehlwirt". Das bedeutet: Der Erreger kann sich in Affen nicht gut verbreiten. Auch Menschen können sich anstecken. In Nigeria ist das Affenpockenvirus endemisch, kommt also immer mal wieder vor.
In Afrika traten die aktuellen Fälle vor allem in Gemeinden auf, die an den Rändern von Waldgegenden liegen, so Ahmed Ogwell, der amtierende Leiter der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union (Africa CDC). Da die Fälle relativ schnell unter Kontrolle gewesen seien, hätten sie international kaum für Aufsehen gesorgt. Besorgniserregend sei nun aber die Frage, wie sich die Krankheit von diesen entlegenen Regionen aus verbreiten konnte. Die afrikanische Gesundheitsorganisation stehe in Kontakt mit ihren europäischen Partnern und habe Unterstützung angeboten.
Wie gefährlich sind die Varianten der Affenpocken?
Die Affenpocken-Variante, die in Westafrika auftritt, ist laut Aussage der dortigen Behörden vor allem für Kinder gefährlich, bei etwa einem Prozent der Erkrankten führt sie zum Tod. Die zentralafrikanische Variante ist laut Robert Koch-Institut (RKI) gefährlicher: Bei erkrankten Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren versterben bis zu elf Prozent nach einem schweren Verlauf.
Dennoch sind die Affenpocken im Gegensatz zu den seit 1980 ausgerotteten Menschenpocken "in der Regel deutlich milder; die meisten Menschen erholen sich innerhalb von mehreren Wochen", so das RKI.
- Zum Artikel "Spanien meldet Affenpocken-Toten - Wohl erster Fall in Europa"
Können Affenpocken durch Mutationen gefährlicher werden?
Affenpocken-Viren sind DNA-Viren. Deren Erbgut ist deutlich stabiler als bei RNA-Viren wie zum Beispiel dem Coronavirus SARS-CoV-2. Mutationen kommen deshalb bei DNA-Viren deutlich seltener vor. Außerdem sind die Affenpocken weiterhin eine sehr seltene Krankheit. Das Affenpocken-Virus hat daher nur wenig Gelegenheit in Infizierten zu mutieren.
Was sind die Symptome der Affenpocken?
Die häufigsten Symptome bei einer Ansteckung mit den Affenpocken sind plötzliches Fieber, Kopf- und Muskelschmerzen, geschwollene Lymphknoten sowie die typischen Hautveränderungen, die oft im Gesicht beginnen und sich über den ganzen Körper ausbreiten. Bei einigen im Mai gemeldeten Fällen begannen die Hautveränderungen laut RKI auch im Urogenitalbereich.
Zunächst kommt es dabei zu kleinen Verfärbungen, die sich zu eiterigen Bläschen entwickeln. Sie verkrusten und fallen dann ab. Manchmal bleiben davon Narben zurück.
Behandelt werden Affenpocken-Infektionen vorrangig symptomatisch, so das RKI. Vor kurzem wurde aber auch ein Arzneimittel in der EU zur Behandlung der Affenpocken zugelassen (Tecovirimat).
Wie werden Affenpocken übertragen?
Das Virus überträgt sich durch Körperflüssigkeiten, also Blut oder Sekrete. Die aufbrechenden Pusteln sind besonders ansteckend, hier reicht eine Berührung, so das RKI. Aber auch Bisse von infizierten Tieren, zum Beispiel von kleinen Nagern, sind gefährlich. Das könnte der Grund sein, warum Kinder das Virus häufiger bekommen: Sie spielen intensiver mit Tieren.
Die Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist eher selten, schreibt das Science Media Center, weil dafür ein enger körperlicher Kontakt zwischen zwei Menschen bestehen muss. Das bestätigt auch PD Dr. Fabian Leendertz, vom Helmholtz Institut für One Health (HIOH) in Greifswald: "Eine Übertragung über die Atemwege ist nach meinem Wissen eher auf kürzere Distanzen und größere Tröpfchen beschränkt." Darüber hinaus könnten die Affenpocken auch auf sexuellem Weg übertragbar sein, vermutet die WHO.
Welche Regeln gelten bei Quarantäne und Isolation?
Wer mit Affenpocken infiziert ist, sollte sich isolieren, bis die Krusten der Pusteln abgefallen sind, empfiehlt das Robert Koch-Institut, sagte dessen Präsident Lothar Wieler am 24. Mai 2022. Mindestens aber 21 Tage, denn die Inkubationszeit für Affenpocken beträgt zwischen 7 und 21 Tagen. Wer engen Kontakt zu einem Erkrankten hatte, sollte sich für 21 Tage in Quarantäne begeben.
Hilft eine Pockenimpfung gegen Affenpocken?
Wer schon einmal mit dem menschlichen Pockenerreger infiziert gewesen ist, ist auch vor den Affenpocken geschützt. Demnach hilft auch die Pockenimpfung nach aktuellen Erkenntnissen gut vor den Affenpocken. Gerade für Kontaktpersonen kann sich eine Pockenimpfung anbieten. Weil seit 1980 die Pocken als ausgerottet gelten, wurden seitdem die Impfkampagnen gegen die Pocken ausgesetzt. Daher haben weltweit viele Menschen keinen Impfschutz mehr gegen die Pocken und damit auch nicht gegen Affenpocken.
Müssen wir uns Sorgen machen?
Das Ausbruchsgeschehen wurde von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am 23. Juli 2022 zur "Gesundheitlichen Notlage mit internationaler Tragweite" (Public Health Emergency of International Concern, PHEIC) erklärt. Bislang sind der WHO über 6.000 Fälle weltweit gemeldet worden. Weitere Fälle sind in Deutschland zu erwarten. Soweit bekannt, erkranken die meisten Betroffenen nicht schwer.
Fabian Leendertz glaubt, dass der aktuelle Ausbruch nicht lange dauern wird: "Die Fälle über Kontaktverfolgung sind gut einzugrenzen und es gibt auch Medikamente und wirksame Impfstoffe, die gegebenenfalls eingesetzt werden können."
Auch Professor Dr. Gerd Sutter, Virologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München bleibt bisher gelassen: "Die Gefahr einer größeren Epidemie in Deutschland beziehungsweise Europa ist als gering einzuschätzen und auch die Möglichkeit eines Übertritts des Virus in Tierreservoirs in Europa erscheint unwahrscheinlich."
Gerade weil die Übertragung der aktuellen Fälle bisher vermutlich über engen Körperkontakt erfolgt ist, "ist ein größerer Ausbruch eher unwahrscheinlich", so Dr. Charlotte Hammer vom Downing College Cambridge, Großbritannien. "Bei bestimmten Bevölkerungsgruppen, in denen viel Körperkontakt durch zum Beispiel Wohnen auf engem Raum herrscht, ist das Infektionsrisiko natürlich höher."
- Zum Possoch klärt "Affenpocken: Internationale Notlage – eine neue Pandemie?"
Mehr Informationen beim Robert Koch-Institut: Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Affenpocken
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