Die große Mehrheit der Corona-Infektionen in Deutschland sind derzeit auf die Omikron-Untervariante BA.5 zurückzuführen. Daneben existieren aber auch eine ganze Reihe neuer Varianten, beispielsweise BA.2.75. Eine weitere Unterlinie der Omikron-Variante BA.2, genannt BJ.1, breitet sich derzeit in Indien aus, in den USA ist sie ebenfalls bereits identifiziert worden. Bislang sind allerdings nur 70 bis 80 Infektionen weltweit bestätigt worden.
Neuer Omikron-Subtyp BJ.1 in Österreich
Nun ist BJ.1 auch in Europa, in Österreich und in den Niederlanden, angekommen. Ungewöhnlich an dem neuen Subtyp ist, dass er eine große Zahl von Mutationen aufweist. Der Wiener Molekularbiologe Ulrich Elling, Forscher am Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, schreibt auf Twitter: "Die neu erworbenen Mutationen sind wirklich eine unangenehme Kombination an kritischen Stellen." Konkret weist BJ.1 über ein Dutzend Mutationen mehr auf als die Variante BA.2, die bereits über ein ganzes Bündel von Mutationen am Spike-Protein verfügt. Dies sei ein "Rekord an Mutationen", so der Mikrobiologe Elling auf Twitter.
Mutation könnte Ansteckungsfähigkeit verstärken
Da das Coronavirus das Spike-Protein nutzt, um an Zellen im Körper anzudocken, sind Mutationen in diesem Bereich hilfreich für das Virus, um den mittlerweile recht hohen Immunschutz in der Bevölkerung zu umgehen. Eine Mutation, also eine Veränderung des genetischen Materials an dieser Stelle, kann verhindern, dass durch Impfungen oder vorangegangene Infektionen aufgebaute Antikörper das Virus erkennen. Diese sogenannte Immunflucht der BJ.1-Variante könnte zu einer höheren Ansteckungsfähigkeit führen. Ob es aber tatsächlich zu einer größeren Infektiosität kommt, lässt sich derzeit noch nicht sagen, denn: noch gibt es kaum Daten zu BJ.1. Die bekannten Fälle kämen alle aus einer Region Indiens, so Ulrich Elling, und da werde nicht so viel sequenziert.
Infektiologe: Neue Varianten per se nicht beunruhigend
Der Infektiologe Christoph Spinner, Pandemiebeauftragter am Klinikum rechts der Isar in München, sieht derzeit keinen Anlass zur Besorgnis: "Das Auftreten neuer Varianten per se muss uns nicht beunruhigen. Denn im Allgemeinen ist die Immunkompetenz in der Bevölkerung durch Impfung und Genesung merklich gestiegen." Praktisch gebe es fast keinen Einwohner Deutschlands mehr, der noch nie Kontakt mit dem SARS-CoV-2-Virus-2 hatte, so der Münchner Infektiologe.
Gefährliche Variante sei wenig wahrscheinlich
Auch der Wiener Molekularbiologe Ulrich Elling geht davon aus, dass die neue Variante nicht unbedingt gefährlicher ist, obwohl sie viele Mutationen aufweist. "Solche Mutationen bedeuten manchmal auch, dass das Virus zum Beispiel schlechter an unsere Zellen binden kann. Oder dass es instabiler wird und dadurch abgeschwächt wird", sagt der Wissenschaftler. "Der Schutz vor schweren Verläufen ist immer noch gegeben. Es wäre für das Virus auch überhaupt kein evolutionärer Vorteil, uns schwer krank zu machen. Dem Virus geht es ja, salopp formuliert, bloß darum, Leute zu infizieren."
Dass neue Varianten, die sich im Laufe der Corona-Pandemie leichter ausbreiten, in der Regel meist weniger Virulenzfaktoren haben, bestätigt auch Christoph Spinner. "Unser Immunsystem kann trotz Immunflucht schwere Verläufe offenbar wirksam verhindern." Das Auftreten gefährlicher Varianten, also solche, die mehr schwere Infektionen oder mehr Lungenentzündungen verursachen, sei theoretisch zwar möglich, aber eben nicht besonders wahrscheinlich.
Ob BJ.1 sich als Virusvariante durchsetzen wird, da wollen ich die Experten nicht festlegen. "Bis BJ.1 sich ausbreitet, wäre es sicherlich noch eine ganze Zeit hin. Ich halte es aber für sehr wahrscheinlich," sagt Genetiker Elling. Die wenigen Daten, die vorlägen, zeigten ein sehr schnelles Wachstum der Variante. Jedoch gäbe es auch Varianten, die sich nicht durchgesetzt haben, so der Wiener Forscher. "Das ist halt am Anfang immer Interpretation, basierend auf den wenigen Daten, die vorliegen."
Der Artikel wurde am 14.09.2022 um 10:39 Uhr aktualisiert.
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