Die Corona-Pandemie hat uns in den vergangenen eineinhalb Jahren an so mancher Stelle vor Augen geführt, wo Politik, Wirtschaft oder Recht umdenken müssen. Auch im Bereich der Wissenschaft haben sich erhebliche Lücken offenbart – unter anderem darin, wie sich Atemwegsviren zwischen Menschen verbreiten. Bislang ging man davon aus, dass die Übertragung über kontaminierte Oberflächen oder durch größere Tröpfchen erfolgt, die zum Beispiel beim Husten oder Niesen freigesetzt werden.
Corona, Grippe, Erkältung: Durch Aerosole übertragen
Ein internationales Team um die Chemikerin Chia Wang, Direktorin des Aerosol Science Research Center an der National Sun Yat-sen University in Taiwan, jedoch arbeitet nun in einer Übersichtsstudie heraus, dass viele Atemwegserkrankungen durch virusbeladene mikroskopische Aerosole aus der Atemluft übertragen werden – darunter Corona, aber auch die Grippe oder die Erkältung.
Dies wird unter anderem ersichtlich aus dem deutlichen Unterschied zwischen der Übertragungswahrscheinlichkeit in Innenräumen und im Freien sowie dem häufigen Auftreten von Superspreading-Events. Darüber hinaus liefern auch Luftstromsimulationen Beweise für eine Übertragung durch Aerosole.
Die Schwebeteilchen halten sich nämlich länger in der Umgebungsluft und können größere Distanzen zurücklegen als herkömmliche Tröpfchen, die bereits innerhalb von Sekunden zu Boden fallen. Die beim Sprechen oder Husten ausgeatmeten größeren Tröpfchen betreffen meist nur Personen, die sich innerhalb eines Radius von 20 Zentimetern um den Infizierten aufhalten, so die Ergebnisse.
Umdenken bei Aerosolen und Tröpfchen gefordert
Das Team fordert vor diesem Hintergrund auch ein Umdenken bei der Definition von Aerosolen und Tröpfchen: So müsse man Partikel in der Größenordnung unter 100 Mikrometern als Aerosole begreifen. Bislang zog man hier die Grenze bei fünf Mikrometern. Bereits 100 Mikrometer große Teilchen können länger als fünf Sekunden in der Luft schweben, verbreiten sich typischerweise über eine Entfernung von ein bis zwei Metern und können im Gegensatz zu größeren Tröpfchen direkt eingeatmet werden.
Aufgrund der höheren Infektionsgefahr durch Aerosole, die Viren enthalten, seien technische Maßnahmen zur Verringerung der Konzentration in der Luft zentral, so die Forscher. Kohlendioxidsensoren könnten als Indikatoren für die verstärkte Ansammlung ausgeatmeter Luft verwendet werden und dienen als einfache Möglichkeit zur Überwachung und Optimierung der Raumluft.
Empfehlung von Luftfiltern und UV-Desinfektion
Neben der Tatsache, dass Räume generell ausreichend belüftet werden sollten, empfiehlt das Team Luftfilter sowie Luftdesinfektion per UV-Strahlung – dies seien wichtige Strategien, um das Übertragungsrisiko zu verringern. Nicht vergessen sollte man dabei aber die konsequente Verwendung von Masken, die immer noch eine sehr wirksame und vor allem kostengünstige Methode zur Abwehr virusbeladener Aerosole darstellten.
Auch wenn also schon Fortschritte bei der Erforschung der Übertragung von Viren durch die Luft gemacht werden, bleiben noch einige Fragen offen. So stehen beispielsweise noch direkte Messungen aus, die die Virenkonzentration in Aerosolen und in Tröpfchen in Abhängigkeit von ihrer Größe nachweisen.
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