Seit Anfang Juli kann sich in Bayern jeder, der möchte, auf das neuartige Coronavirus testen lassen. Auch Reiserückkehrer werden aufgefordert, sich freiwillig testen zu lassen. Mit dem Ausbau der Testkapazitäten kommen viele Fragen auf: Wie sicher sind die Tests? Wie häufig passieren dabei Fehler? Was genau zeigen sie an?
In den Kommentaren unter unseren Artikeln argumentieren Nutzer*innen zudem immer wieder, die PCR-Tests würden auch anschlagen, wenn nur "Trümmerteile" des Virus vorhanden seien. Darüber ob jemand krank oder ansteckend sei, sage der Test nichts aus.
Der Faktenfuchs hat diese Behauptungen von Experten überprüfen lassen und erklärt, welche richtig und welche irreführend sind. Ein Problem, das häufig auftaucht: Es werden die falschen Fragen an den Test gestellt. Denn dieser wurde nicht dafür entwickelt, um zu bestimmen, ob jemand krank oder gar ansteckend ist, sondern um das Virus nachzuweisen. Dennoch werden diese vermeintlichen Mankos dann genutzt, um dem Test mangelnde Aussagekraft vorzuwerfen.
Wie funktioniert ein PCR-Test?
Für den Polymerase Kettenreaktion-, kurz PCR-Test, wird in der Regel ein Abstrich aus Mund, Nase oder Rachen genommen. Dieser kann Erbgut (RNA) des SARS-CoV-2-Erregers enthalten. Im Labor wird ein kleines Stück dieses Erbguts herausgefiltert und dann in mehreren Zyklen vervielfältigt. Durch den Einsatz fluoreszierender Moleküle, die sich an das Erbgut anhaften, sieht man dann, ob die gesuchten Gensequenzen des Virus vorliegen oder nicht. Gleichzeitig kann die Konzentration des viralen Erbguts bestimmt werden ("Viruslast").
Kann der Test das Virus selbst nachweisen?
Immer wieder erreichen den BR Zuschriften, in denen es sinngemäß heißt, der Test könne das Virus selbst gar nicht nachweisen, sondern nur "Trümmerteile" oder "Nukleinsäuren" - also die Bausteine des Erbguts. Richtig ist, dass der PCR-Test tatsächlich nicht das Virus "an sich" nachweist, sondern erkennt, ob Abschnitte der SARS-CoV-2-RNA, also des Erbguts des Virus, vorhanden sind oder nicht. Dass diese RNA nachgewiesen wird, ohne dass der Patient mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert ist, also ein falsch positives Resultat angezeigt wird, wäre zwar theoretisch möglich, ist aber extrem unwahrscheinlich. Denn alle PCR-Tests werden vor ihrer Verwendung daraufhin genau überprüft, sagt der Molekularbiologe Hans Nitschko vom Max von Pettenkofer-Institut der LMU in München.
Weist der PCR-Test eine Infektion nach?
Der Test weist nach, dass das Virus-Erbgut im Abstrichmaterial vorhanden ist und dass eine Infektion vorliegt. Der PCR-Test erlaubt jedoch keine Aussagen zu der Frage, ob jemand an Covid-19 erkranken wird und entsprechende Symptome auftreten. Es ist bekannt, dass insbesondere bei Kindern und jungen Erwachsenen große Mengen an Virus-RNA nachweisbar sein können - also tatsächlich eine Infektion stattgefunden hat - Erkrankungssymptome aber ausbleiben oder nur in sehr milder Form auftreten.
Eine Infektion könne man sich wie eine Art Hürdenlauf vorstellen, sagt Hans Nitschko. "Das Virus muss zunächst in genügender Menge in den Körper gelangen. Dann muss es den Weg in die Nase, den Rachen oder in die Lunge finden und sich dort an die richtigen Zellen anheften. Daran anschließend muss es ihm gelingen, in diese einzudringen und sich dort zu vermehren."
All diese Schritte benötigen Zeit und es dauert ein paar Tage, bis genügend Virus vorhanden ist und der PCR-Test positiv wird. In welchem Stadium der Infektion sich ein Patient befindet und wie gut der Körper des Einzelnen in der Lage ist, diese Infektion zu bekämpfen - darüber sagt der Test nichts aus. Hierfür ist er aber auch nicht entwickelt worden.
Wofür ist der Test entwickelt worden?
Häufig geht es darum, eine vermutete oder bestehende Infektion mit SARS-CoV-2 bei Vorliegen entsprechender Symptome (Husten, Fieber, etc.) zu bestätigen und eine Übertragung auf weitere Personen zu verhindern. Der PCR-Test ist aber auch dazu geeignet, infizierte Personen ohne Beschwerden oder Symptome zu erkennen. Der Test hilft also Ärzten, Virologen und Epidemiologen dabei, dem Virus und seiner Verbreitung in der Bevölkerung auf die Spur zu kommen und Ausbrüche frühzeitig zu erkennen.
"Ein negativer Test bedeutet mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass sich zu diesem Zeitpunkt kein Virus im Untersuchungsmaterial befindet, immer vorausgesetzt, der Nasenrachen-Abstrich wurde korrekt durchgeführt", sagt Nitschko. "Ein positiver Test hingegen bedeutet, dass das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Patienten vorhanden ist und womöglich eine Ansteckungsgefahr von der untersuchten Person ausgeht." Es empfiehlt sich auch, in unklaren Fällen mehrfach zu testen, zum Beispiel bei negativem Testergebnis trotz SARS-CoV-2-typischer Symptome.
Der PCR-Test ist meist Teil einer umfassenderen Befragung und Diagnostik. Er hilft dem Arzt, eine Hypothese zu bestätigen, zum Beispiel, wenn ein Patient Covid-19-typische Symptome hat. Werden Personen mit einem erhöhten Expositionsrisiko getestet, aktuell zum Beispiel Reiserückkehrer aus Urlaubsgebieten mit hohen Neuinfektionszahlen, ist ein positives Testergebnis ein Signal, dass sehr wahrscheinlich eine akute Infektion vorliegt. Zur Sicherheit kann es sich bei einem negativen Ergebnis anbieten, den Test evtl. ein paar Tage später (fünf bis acht Tage) zu wiederholen. So kann man das Risiko eines anfänglich negativen Tests während der Inkubationszeit vermindern.
Was sagt der PCR-Test über die Ansteckungsgefahr aus?
Der PCR-Test sagt nicht zwingend etwas darüber aus, ob man selbst ansteckend ist, denn die Risiken einer Ansteckung anderer Personen hängen von sehr vielen verschiedenen Faktoren ab. Dazu gehören die Menge ausgeschiedener Viren, dass Tragen von Masken, Aufenthaltsorte (in Räumen oder im Freien), Abstand zu Kontaktpersonen, Dauer und Zahl möglicher Kontakte, Husten oder Niesen. Quarantäne ist aber in jedem Fall vorgeschrieben.
Experimentell kann man die Infektiosität zum Beispiel eines Nasenabstrichs durch Untersuchungen nachweisen, bei denen versucht wird, das Virus im Labor auf menschlichen Zellen in Kultur anzuzüchten. Diese Tests sind aber sehr aufwändig und teuer und nicht für die alltägliche Diagnostik geeignet. Auch stellen diese nur eine Momentaufnahme dar und können die oben genannten Faktoren nicht einbeziehen.
Schon die gegenwärtigen PCR-Tests geben gewisse Hinweise darauf, wie viel Virus sich in einem Abstrich findet. Allerdings ist bei der Bewertung solcher Daten große Vorsicht geboten, da die Art der Probenahme selbst und Unterschiede im Probenmaterial an sich schon sehr variabel sein können und daher die Verlässlichkeit von Angaben zu Viruslasten eingeschränkt ist.
Aus Studien weiß man allerdings recht genau, in welchem Zeitraum von einem Infizierten ein hohes Übertragungs-Risiko ausgeht. Einige Wissenschaftler hoffen auch, mit zunehmendem Wissen und Erfahrung im Umgang mit SARS-CoV-2 Schwellenwerte der Virusmenge definieren zu können, ab denen jemand als wahrscheinlich ansteckend gilt. Das ist der Vorschlag, den der Virologe Christian Drosten in seiner kürzlich in der ZEIT veröffentlichten Corona-Strategie für den Herbst gemacht hat. Ob sich diese Strategie als zuverlässig und wirksam erweist, wird sich in Zukunft zeigen.
Wie zuverlässig sind die Tests?
Kein Test ist fehlerfrei. Wird eine Person fälschlicherweise positiv getestet, obwohl sie eigentlich nicht infiziert ist, spricht man von "falsch-positiv". Wird jemand negativ getestet, obwohl er oder sie eigentlich infiziert ist, bezeichnet man das als "falsch-negativ".
Wie verlässlich ein Testverfahren ist, wird durch zwei Parameter bestimmt:
- Die Sensitivität sagt aus, wie empfindlich der Test ist. Anders formuliert: Wie viel Viruslast ist nötig, damit der Test positiv ausfällt? Je höher die Sensitivität eines Testverfahrens ist, desto weniger falsch-negative Ergebnisse gibt es.
- Spezifität bedeutet, dass der Test wirklich nur das gesuchte Virus erkennt und nicht aus Versehen auch bei verwandten Viren anschlägt. Je höher die Spezifität eines Tests, desto weniger falsch-positive Testergebnisse gibt es.
Einzelne Labore, wie etwa die der Universitätskliniken, führen Studien zur Zuverlässigkeit der verschiedenen Tests durch. Das tun sie, um zu entscheiden, welchen Test sie für den besten halten und einsetzen wollen. Aber es gibt keine wissenschaftlich validierten Studien, die alle unterschiedlichen Tests miteinander vergleichen würden, sagt Annemarie Berger, Professorin für Mikrobiologie an der Universität Frankfurt.
Bei Ringtests schneiden deutsche Labore sehr gut ab
Rückschlüsse auf die Qualität geben sogenannte Ringtests. Beim Ringtest bekommen mehrere Labore identische Proben zugeschickt, um sie auszuwerten. Berger erklärt: "Es ist eine Überprüfung des Testverfahrens, dass das Labor verwendet, aber auch, ob das Labor diesen Test richtig anwendet. Man kann den besten Test der Welt haben, aber wenn ich ihn falsch durchführe, dann kommt doch nicht das Richtige dabei heraus." Bei Ringtests schneiden deutsche Labore sehr gut ab.
Im Juni etwa hat INSTAND, die "Gesellschaft zur Förderung der Qualitätssicherung in medizinischen Laboratorien" Zwischenergebnisse zu einem solchen PCR-Ringtest veröffentlicht. Demnach lag die Treffsicherheit für den Virusnachweis bei rund 99 Prozent (Sensitivität). Und auch die Sicherheit, wirklich nur die gesuchten Viren zu erkennen, lag bei rund 98 Prozent (Spezifizität). Die Schlussfolgerung der Autor*innen: "Diese hohen Erfolgsquoten repräsentieren eine sehr gute Leistungsfähigkeit der Ringversuchsteilnehmer und der angewendeten Testformate."
Allerdings weist das RKI in einer Mail an den Faktenfuchs auch darauf hin, dass von den Ringversuchen "nicht auf die Gesamtheit der durchgeführten Tests geschlossen werden kann. Es kann damit keine 'Falsch-Positiv-Rate' der PCR-Teste für Deutschland in der Gesamtheit angegeben werden". Das RKI selbst geht aber davon aus, dass falsch-positive Ergebnisse "nach derzeitigen Erkenntnissen nur selten" vorkommen. Experten wie Marc Lütgehetmann, Labormediziner und Oberarzt am Institut für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene an der Universitätsklinik Hamburg Eppendorf (UKE) gehen davon aus, dass die tatsächlichen Erfolgsquoten sogar noch höher liegen, bei fast 100 Prozent.
Welche Fehler können passieren?
Das können zum einen handwerkliche, praktische Fehler sein: "Kein Prozess, der nicht komplett automatisiert ist, ist frei von menschlichen Fehlern", sagt etwa Lütgehetmann. So können Proben in seltenen Fällen verwechselt, falsch beschriftet oder aus Versehen verunreinigt werden.
Einen Nasen-Rachenabstrich durchzuführen, erfordert zudem einige Übung, weil das Material vom hinteren Rachen abgenommen werden muss, nicht vom Rand oder vom Gaumen. Auch ist das Virus in unterschiedlichen Stadien der Erkrankung an verschiedenen Stellen unterschiedlich gut nachweisbar. Unmittelbar nach der Ansteckung gar nicht, danach vor allem in Nase und Rachen, später nur noch in der unteren Lunge, und manchmal auch lange nach der Erkrankung noch im Stuhl, so das RKI auf seiner Homepage.
Darüber hinaus braucht man für einen verlässlichen SARS-CoV-2-Test zum Beispiel spezielle Virus-Tupfer und bestimmte Aufbewahrungsröhrchen, aber auch spezielle Reagenzien, um die Proben in flüssige Form zu bringen, wie die WHO hier ausführt. Der Transport darf zudem laut RKI maximal 72 Stunden dauern und die Proben müssen bei vier Grad Celsius gelagert werden.
Welche Rolle spielt die Vor-Test-Wahrscheinlichkeit?
Neben diesen handwerklichen Fehlerquellen gibt es auch noch einen statistischen Effekt, der sich auf die prozentuale Zuverlässigkeit des Tests auswirkt. Die Rede ist von der sogenannten “Vor-Test-Wahrscheinlichkeit”. Oder übersetzt: Wie wahrscheinlich ist es, dass jemand, der sich testen lässt, bereits infiziert ist?
Dieses Risiko beeinflusst die Zuverlässigkeit der Testergebnisse. Und zwar so: Nehmen wir an, 100 Menschen werden in einer Region getestet, in der kaum jemand mit dem Virus infiziert ist. Wenn das Testverfahren zu 100 Prozent sensitiv ist, eine Spezifität von 98 Prozent hat und nur ein Prozent der Bevölkerung infiziert ist (Vor-Test-Wahrscheinlichkeit = ein Prozent), dann bekommen drei der Getesteten ein positives Testergebnis. Aber nur eins davon ist korrekt. Denn: ein Prozent tatsächliche Infektionen. Zwei erhalten also ein falsch-positives Ergebnis.
Weil die Positiv-Zahlen insgesamt so gering sind, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Positiv-Test richtig ist, damit plötzlich sehr gering - nämlich 1:2 oder 33 Prozent.
Sind aber in einer Region bereits 50 Prozent der Bevölkerung infiziert, dann erhalten von den 100 getesteten Personen 51 ein positives Ergebnis, die restlichen 49 ein negatives. 50 positive Tests sind korrekt, weil die Hälfte der Bevölkerung infiziert ist, einer aber erhält einen falsch-positiven Test. Auch hier ist vorausgesetzt, dass der Test zu 100 Prozent sensitiv ist. Für den Einzelnen bedeutet das: Die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Ergebnis korrekt ist, ist nun sehr hoch, nämlich bei 98 Prozent.
Wer einmal selbst ausprobieren will, wie sich die Aussagekraft der Tests anhand der Spezifität, Sensitivität und Vor-Test-Wahrscheinlichkeit verändert, kann das mit diesem Simulator des British Medical Journals tun.
Ist der derzeitige Anstieg der Fallzahlen allein auf die vermehrten Tests zurückzuführen?
Diese Frage, die derzeit viele Leser interessiert, beantwortet das RKI in einer Mail an den Faktenfuchs wie folgt:
“Eine Ausweitung der Testindikationen (z.B. für Reiserückkehrer) oder eine Erhöhung der Testzahl (z. B. im Rahmen von Ausbrüchen oder Studien) kann zu einem Anstieg der Fallzahlen führen, da zuvor unentdeckte Fälle (auch ohne oder mit nur sehr milden Symptomen) detektiert werden. Das heißt aber nicht, dass umgekehrt die steigenden Fallzahlen nur mit dem vermehrten Testaufkommen zu erklären sind, geschweige denn mit einem angeblich hohen Anteil an falsch-positiven Ergebnissen der PCR-Testung.” (Aus einer Mail des RKI an BR24)
Vielerorts lässt sich der Anstieg der Fallzahlen direkt auf ein bekanntes Ereignis zurückführen: Den Massenausbruch beim Fleischverarbeiter Tönnies zum Beispiel oder bei einer Konservenfabrik in Mamming.
Zudem sei der Anteil der positiven Testergebnisse in den letzten Wochen von ca. 0,6 Prozent auf ein Prozent angestiegen, was, unabhängig von den Testaufkommen, ein klarer Hinweis auf eine steigende Neuinfektionsrate sei, sagt der Virologe Hans Nitschko.
Der BR-Faktenfuchs ist der Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Anstieg der Fallzahlen und der Anzahl der Tests zusammen mit BR Data in einem eigenen Text auch statistisch noch einmal nachgegangen. Das Ergebnis: Es gibt bisher keine Korrelation.
Allerdings: Tatsächlich besteht eine gewisse die Gefahr, dass mit einer Ausweitung der Tests auch der Anteil der falschen Testergebnisse an den Fallzahlen steigt. Insbesondere bei einer geringen Vor-Test-Wahrscheinlichkeit, wenn also das Virus (wie in Deutschland) bisher nicht weit verbreitet ist, können Massentests statistisch zum Problem werden. Deshalb empfiehlt das RKI nach wie vor in seiner “Nationalen Teststrategie” zielgerichtet zu testen: Menschen mit Symptomen oder Kontakt zu Infizierten, Bewohner und Personal von Gemeinschaftswohnheimen, Reiserückkehrer und Menschen, die in Hotspots wohnen.
Zudem gibt es eine weitere Absicherung gegen steigende falsch-positive Ergebnisse, wie die Experten übereinstimmend erklären: Die Testergebnisse werden im Labor stets auf Plausibilität überprüft. Wenn also plötzlich reihenweise Tests positiv ausfallen oder sich in einem Abstrich bei Erstdiagnose nur sehr geringe Mengen Virus nachweisen lassen, dann wird in aller Regel noch einmal nachgetestet. Erst wenn sich das virologische Labor sicher ist, wird der Fall an die Landesgesundheitsämter übermittelt.
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