Um das Infektionsgeschehen zu entzerren, haben mehrere Bundesländer die Weihnachtsferien vorverlegt. Eigentlich hatten sich Bund und Länder gemeinsam auf den 19. Dezember als Ferienstart geeinigt - zumindest Baden-Württemberg rückt davon aber schon wieder ab. Bayern hält an der Regelung fest, der letzte Schultag ist hier der 18. Dezember.
"Damit verbessern wir die Möglichkeiten, dass die Familien in Bayern das wichtigste Fest des Jahres gesund und unbeschwerter feiern können", sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Denn so vergrößert sich der Abstand zwischen Unterricht und Weihnachten, das Infektionsrisiko sinkt. Aber nicht nur für Schüler ist die selbst auferlegte Quarantäne ein Thema.
Inkubationszeit etwa fünf bis sechs Tage
Die Politik ruft sogar dazu auf, sich vor Weihnachten in häusliche Quarantäne zu begeben. In diesem Zusammenhang ist immer wieder von einem Zeitraum von vier bis fünf Tagen die Rede. Doch wie sinnvoll ist das? Medizinstatistiker Tim Friede von der Uni Göttingen erklärt, dass die Inkubationszeit beim Coronavirus etwa fünf bis sechs Tage dauert. So lange braucht es auch von der Ansteckung bis zum Beginn der Erkrankung.
Das ist auch die gängige Zeitspanne, die das Robert Koch-Institut zu Grunde legt. Dann treten bei vielen Infizierten Symptome auf und man lässt sich im Idealfall testen und begibt sich bei positivem Test in häusliche Quarantäne. Das Problem besteht hierbei, dass man auch schon vorher infektiös sein und andere Menschen anstecken kann. Und zwar bereits ein bis drei Tage vor dem Auftauchen erster Symptome.
Schon vor den ersten Symptomen ansteckend
Ein paar Tage vor den ersten Symptomen ist laut Uwe Groß, Direktor des Instituts für Medizinische Mikrobiologie der Uni Göttingen, auch die Viruslast besonders hoch. Man ist also hochgradig infektiös. Das liegt daran, dass sich das Virus in der Zeit besonders stark in der Mundhöhle und im Rachenraum vermehrt, bevor es in die Lungen wandert und dort Symptome wie beispielsweise Kurzatmigkeit auslösen kann.
Krankheitsverlauf kann ganz unterschiedlich ausfallen
Erschwerend kommt hinzu, dass gar nicht alle Erkrankten auch Symptome bekommen. Das ist nach Groß bei etwa 15 bis 45 Prozent der Fall. Sie können andere anstecken, ohne überhaupt zu wissen, dass sie infiziert sind. Das macht eine zeitliche Einordnung, ab wann eine Quarantäne vor Weihnachten sinnvoll ist, ziemlich schwierig. Auch, weil eben nicht jeder Verlauf gleich ist. In seltenen Fällen - das ist bei weniger als fünf Prozent der Fall - können Symptome auch erst nach zehn bis 14 Tagen auftreten. Dann ist Weihnachten vielleicht schon vorbei und man hat unwissentlich die ganze Familie angesteckt.
Besser einige Tage Quarantäne als gar keine
Daher sind laut Friede vier bis fünf Tage Selbstquarantäne zwar besser als keine, dass Infektionsrisiko schätzt er aber auch danach noch als hoch ein. Die Wahrscheinlichkeit liege bei 50 Prozent, auch nach fünf Tagen noch Symptome zu entwickeln. Wenn man sich also darauf verlassen möchte, vor Weihnachten keine Symptome mehr zu entwickeln, reichen vier bis fünf Tage Selbstisolation wohl nicht aus.
Viruslast entscheidend für Infektiösität
Zusätzlich kommt es auf die Viruslast an. Daher sei es schwer zu bestimmen, an welchem Tag der Infektion man am ansteckendsten ist, erklärt Groß: "Wenn Person A 100 Viruspartikel aufnimmt und Person B 100.000 Viruspartikel, dann wird Person B eine kürzere Inkubationszeit haben, schneller Symptome entwickeln und somit auch früher hochgradig infektiös sein."
Das zeigt, wie unterschiedlich die Infektion ablaufen kann. Dem Rostocker Virologen Andreas Podbielski zufolge kann eine Infektion frühestens nach zwei Tagen via PCR-Test nachgewiesen werden. Es kann aber auch vier oder sieben Tage dauern. Eher unwahrscheinlich, aber theoretisch denkbar, könnte man auch am gleichen Tag der Ansteckung schon infektiös sein.
Video-Call statt physischem Treffen
Daher empfiehlt Sandra Ciesek, Virologin im Universitätsklinikum Frankfurt, im Coronavirus-Update des NDR, gerade vor Weihnachten auf sich zu achten. Hat man Halskratzen oder Kopfschmerzen, fühlt man sich schlapp und hat dann keine Möglichkeit einen Test zu machen, ist es ratsam, eben doch nicht die Familie zu besuchen, sondern lieber auf den Video-Call umzusteigen. Denn die Viruslast ist laut Studien nicht nur kurz vor dem Auftreten der Symptome am höchsten, sondern gerade auch in den ersten Tagen des Auftretens. Die Ansteckungsgefahr ist also sehr hoch.
Bei Symptomen schnell handeln
Andererseits ist der "durchschnittliche" Corona-Patient mit leichten Symptomen gar nicht so lange infektiös. Ciesek verweist auf eine Meta-Studie aus Großbritannien, nach der kein einziger Infizierter neun Tage nach der Erstdiagnose noch infektiöse Viren ausgestoßen habe. Zwar finden sich da immer mal wieder kleine Gen-Schnipsel des Coronavirus, durch die können sich andere aber nicht mehr anstecken.
Daher ist es umso wichtiger, sich sofort testen zu lassen, sobald Symptome auftreten. Oder sich eben zu isolieren. Zögert man den Gang zum Arzt hinaus und kommt dann das Testergebnis noch ein paar Tage später, hat man zwar einen positiven Test, ist dann aber vielleicht schon gar nicht mehr ansteckend und hat stattdessen unwissentlich andere Menschen infiziert.
Appell an die Vernunft
Jeder sollte für sich selbst entscheiden, wie er dieses ganz besondere Weihnachten dieses Jahr verbringt. Manche werden die Regeln vielleicht ausreizen, andere sich in Quarantäne begeben. Fünf bis sechs Tage sind auf jeden Fall besser als keine. Wer sicher gehen will, sollte zehn bis 14 Tage zu Hause bleiben, bevor er sich zur Familie aufmacht.
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