Deutschlandweit ist der Personalmangel das drängendste Problem an den Schulen. So äußerten sich zumindest zwei Drittel der befragten Schulleitungen in der zwischen dem 31. Oktober und dem 16. November 2022 durchgeführte Umfrage "Deutsches Schulbarometer". Weitere Herausforderungen wie die schleppende Digitalisierung, schlechte technische Ausstattung, zu viel Bürokratie oder zu hohe Arbeitsbelastung fallen dabei nicht so stark ins Gewicht. Jeweils nur etwa ein Fünftel der Befragten verwies auf diese Herausforderungen. Bei der Umfrage waren Mehrfachantworten möglich.
Nur noch eine untergeordnete Rolle spielen das Corona-Virus und die damit einhergehenden Maßnahmen. Ein Aspekt, der im April 2022 noch als größte Aufgabe wahrgenommen wurde.
Deutsches Schulbarometer: In Bayern weniger Personal gebraucht?
Der Umfrage zufolge variiert der Nachdruck bei der Forderung nach mehr Personal regional stark: So forderten in Ostdeutschland 54 Prozent der Befragten mehr Fachkräfte als Entlastungsmaßnahme, in Bayern lediglich 28 Prozent. Die Präsidentin des bayerischen Lehrerverbandes (BLLV) Simone Fleischmann sieht durchaus Unterschiede bei der regionalen Versorgung mit Lehrkräften. Das hänge auch mit der Attraktivität der verschiedenen Bundesländer zusammen.
Doch das ändere nichts an der Tatsache, dass das Kernproblem auch in Bayern der Personalmangel sei: "Die Schulleitungen kommen kaum mehr zu ihren Kernaufgaben, nämlich die Begleitung der Lehrerinnen und Lehrer, der Schüler und Eltern im Rahmen der Schulentwicklung." Fleischmann plädiert nicht nur für mehr Personal, sondern besonders auch für den Abbau von Bürokratie.
Schwierigkeiten beim Aufholen von Lernrückständen
Deutschlandweit sind 78 Prozent der Schulleitungen der Meinung, ihren Schülerinnen und Schülern keine angemessene Unterstützung bieten zu können. Das zeigt sich auch anhand der Lernrückstände: Die Befragten schätzen, dass etwa 35 Prozent der Schülerinnen und Schüler aktuell in Lernverzug sind.
Damit ist auch der erhoffte Effekt der Corona-Aufholprogramme fraglich. Die Schulleitungen geben nur zu 32 Prozent an, dass diese eine deutliche Wirkung entfaltet hätten. Daran anschließend fordern über zwei Drittel der Befragten weitere Fördermittel.
Deutschlands Schulen: Aufnahmekapazitäten am Limit
Das deutsche Schulsystem hat seit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine eine hohe Zahl an geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Krisenregion aufgenommen. Eine Folge davon: Über die Hälfte der Schulen können keine weiteren neu zugewanderten Schülerinnen und Schüler aufnehmen, so die Schulleitungen. 27 Prozent der Befragten gaben sogar an, dass die Kapazitätsgrenze an der eigenen Schule aufgrund personeller und räumlicher Engpässe bereits überschritten sei. Besonders betroffen seien hier Schulen in sozial schwieriger Lage.
BLLV-Präsidentin Fleischmann appelliert diesbezüglich an die Politik: "Mehr Kinder brauchen mehr Unterricht. Und mehr Unterricht braucht mehr Lehrer. Leider geht diese Formel nicht auf, weil wir mehr Kinder haben, mehr Herausforderungen, aber immer weniger Lehrerinnen und Lehrer. Und ich weiß nicht, wie der Staat sich vorstellt, wie man diesen Gap schließen will."
Bayerns Schulen: Wenige Schulsozialarbeiter, viele Schulpsychologen
Für Kinder und Jugendliche aus Krisengebieten sollte eine ausreichende psychosoziale Versorgung an den Schulen sichergestellt sein. Doch etwa die Hälfte der befragten Schulleitungen beschreibt das entsprechende Angebot an ihren Schulen als unzureichend. Bayern ist besonders bei der Schulsozialarbeit hinten dran. Nur 55 Prozent der Schulleitungen in Bayern geben an, Schulsozialarbeit anbieten zu können.
Über schulpsychologische Betreuung hingegen verfügen bayerische Schulen nach Angaben der Befragten fast doppelt so häufig wie im bundesweiten Durchschnitt, nämlich in 67 Prozent der Fälle. Ein Grund dafür mag sein, dass angehende Lehrerinnen und Lehrer in Bayern das Erweiterungsfach Schulpsychologie wählen können.
Erstes Schulbarometer für Schulleitungen
Neben einer Vielzahl an Problemen haben sich die Schulen in Deutschland also drei zentralen Herausforderungen zu stellen: Fachkräftemangel, Lernrückstände und Aufnahmekapazitäten. Die aktuelle, im Auftrag der Robert Bosch Stiftung durch das Meinungsforschungsinstitut "forsa" vorgenommene Stichprobe war die erste ihrer Art, in der ausschließlich Schulleitungen befragt wurden. Insgesamt nahmen an der Umfrage 1.055 Schulleiterinnen und Schulleiter teil.
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